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SCHACH-SPHINX/06162: Nervenkrieg in Baguio (SB)


Am 16. Juli 1978 begann im philippinischen Baguio nicht nur die 28. Weltmeisterschaft der FIDE zwischen Anatoli Karpow und seinem Herausforderer Viktor Kortschnoj, es war auch der wohl skurrilste und spannendste überhaupt in der langen Geschichte der Titelkämpfe. Kortschnoj war mit dem festen Willen nach Baguio gekommen, Karpow, der mehr oder weniger verdient den Thron bestiegen hatte, in die Schranken zu weisen. Beide waren sich bereits beim vorangegangenen Finalkampf begegnet, beide spielten ein kompromißloses Schach ohne Schnörkel und gefallsüchtige Eleganz. Der Wille zu siegen war bei beiden so verwachsen mit ihrem Charakter, daß ein großartiger Kampf unvermeidbar war. Und so kam es denn auch. Die ersten sieben Partien gingen nach kräftezehrendem Gerangel Remis aus, obwohl Karpow sowohl in der dritten als auch in der fünften Wettkampfpartie mit geradezu unmenschlicher Hartnäckigkeit das Unentschieden erzwingen mußte. In Runde 8 fiel der Vorhang. Kortschnoj zeigte Spuren von Erschöpfung in seinem Spiel und verlor. Bis zur elften Partie hatte er sich jedoch wieder aufgerappelt und stellte den Ausgleich her. Trotzdem war es Karpow, der über das größere Reservoir an Geduld und Durchhaltevermögen verfügte. Die 13. und auch die 14. Partie gingen an ihn. In der 17. konnte er seine Führung sogar auf 4:1 ausbauen. Nach der 27. Partie stand es 5:2 für Karpow und laut Reglement benötigte er nur noch eine Gewinnpartie, um als alter und neuer Weltmeister nach Hause zu fliegen. Doch Kortschnoj trug nicht von ungefähr den Beinamen 'der Schreckliche'. Bis zur 31. Partie holte er sich drei Siege. Der Zweikampf in Baguio lief auf Messers Schneide zu. Alle Anwesenden ahnten, daß in der nächsten Partie die Entscheidung fallen würde. Und in der Tat: Karpows kalte Berechnung und sein stilles Feuer erwiesen sich zuletzt als ausschlaggebender als Kortschnojs ganzer verbissener Ehrgeiz. Im heutigen Rätsel der Sphinx soll die erste Siegespartie des Matches gewürdigt werden, in der Karpow mit den weißen Steinen eine glänzende Schlußkombination anbringen konnte. Irgendwie drohte ein Epaulettenmatt, nicht wahr, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/06162: Nervenkrieg in Baguio (SB)

Karpow - Kortschnoj
Baguio 1978

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Tal ließ sich die Chance nicht nehmen, seinen Kontrahenten Füster mit 1.De2-f3! an Händen und Füßen zu fesseln. Nach dem Damenzug war das Befreiungsmanöver 1...Ta8-d8 wegen 2.Td1xd8+ nicht mehr möglich. Füster spielte 1...Dc7-e7, mußte sich jedoch nach 2.Df3-b3 mit der Drohung 3.Le6-d7+ De7xd7 4.Td1xd7 Ke8xd7 5.Db3xb7+ herumschlagen. Doch auch 2...Ta8-b8 versprach keine Rettung. Tal beendete die Partie im gewohnten Angriffsstil: 3.Le6-d7+! De7xd7 4.Td1xd7 Ke8xd7 5.Db3-f7+ Lf8-e7 6.e5-e6+ Kd7-d8 - 6...Kd7-d6 7.Df7-f4+ kostet den Turm - 7.Df7xg7 und Schwarz gab auf, weil ein Läufer verlorengeht durch 7...Lh7-e4 8.Dg7-d4+ Le4-d5 9.c2-c4.


Erstveröffentlichung am 14. April 2004

6. April 2017


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