Schattenblick → INFOPOOL → SCHACH UND SPIELE → SCHACH


SCHACH-SPHINX/06279: Unterminiertes Selbstbewußtsein (SB)


Der Tod der ersten Frauenweltmeisterin Vera Menchik hatte eine gewaltige Lücke gerissen zwischen den Geschlechtern. Als erste Frau in der Geschichte der modernen Schachkunst war es ihr gelungen, hochkarätige Großmeister auf dem Brett zu besiegen, und zwar so excellent, daß selbst ihr männliches Pendant auf dem Thron, Alexander Aljechin, des Lobes voll war über sie: "Sie besitzt ein so großes Schachtalent, daß es ihr durch weitere Arbeit und Turniererfahrung gelingen wird, zu einem hochklassigen internationalen Champion heranzureifen." Doch 1944 war der Traum ausgeträumt. Fast drei Jahrzehnte verschwand das Frauenschach in der Versenkung. Erst mit den beiden Georgierinnen Nona Gaprindaschwili und Maja Tschiburdanidse konnte die Tradition, die ihren Anfang mit Frau Menchik genommen hatte, fortgeführt werden. In den 1960er Jahren sahen die Großmeister noch milde lächelnd auf das Frauenschach herab. So wußte die irische Schachspielerin Beth Cassidy auf der Schacholympiade von Tel Aviv 1964 von einer seltsamen Begegnung mit dem späteren Weltmeister Boris Spasski zu berichten: "Als ich mich ihm näherte, grübelte er über einem Problem. Prompt reichte er mir das Steckschach und fragte mich nach meiner Meinung. Ich blickte ihn an, um zu sehen, ob er das ernst meinte. Und bewunderte ihn, als ich merkte, es war ihm tatsächlich ernst. In meinem Schachklub würden mich die Männer nicht einmal danach fragen, ob es draußen regnet, geschweige denn nach der Lösung eines Schachproblems." Hier sieht man ganz deutlich die sozialen Wurzeln in der unterminierten Rolle der schachspielenden Frau, die bis zum Fehlen jeglichen Selbstbewußtseins führen konnte. Im heutigen Rätsel der Sphinx strömte die 17jährige Maja Tschiburdanidse dagegen förmlich über, als sie 1978 auf einem starkbesetzten Männerturnier gegen mehrere Top-Spieler remisierte und den schwedischen Internationalen Meister Kaiszauri in hervorragender Manier besiegen konnte. Maja spielte mit den weißen Steinen und nutzte ihren materiellen Vorteil mit hoher Endspieltechnik aus, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/06279: Unterminiertes Selbstbewußtsein (SB)

Tschiburdanidse - Kaiszauri
Wilna 1978

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
So müde kann ein Vlastimil Hort gar nicht sein, daß er die Widerlegung von 1...Ta2xb2? nicht fände. Trotz Nachtanalyse und kurzer Ruhephase spielte er seinen Kontrahenten in Grund und Boden: 2.Sd4-f5! mit der doppelten Drohung 3.Sf5-d6+ und 3.Sf5xg7+ Tg8xg7 4.Dd1-d4. Sein jugoslawischer Kontrahent Marjanovic hoffte, das Stellungsgeschehen zu seinen Gunsten verwirren zu können mit 2...Tb2xf2, aber Hort war hellwach: 3.Sf5-d6+ Ke8-e7 4.Lf4-e3 Tf2xf1+ 5.Te1xf1 Lg7-d4 - sah gefährlich aus, aber 6.Tf1xf7+ Ke7xd6 7.Dd1xd4 war gefährlicher und auch partieentscheidend.


Erstveröffentlichung am 07. August 2004

1. August 2017


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang