Schattenblick →INFOPOOL →SOZIALWISSENSCHAFTEN → PSYCHOLOGIE

BERICHT/046: Was Topmanager auszeichnet - Persönlichkeitstest (idw)


Ruhr-Universität Bochum - 29.01.2007

Was Topmanager auszeichnet

RUB-Psychologin entwickelt Persönlichkeitstest

Auf dem Weg zum Millionär haben es Tellerwäscher schwer


Was macht einen Topmanager aus? Welche Eigenschaften muss er haben, welche Werte leben, welche Prioritäten setzen um für eine Position "ganz oben" der richtige zu sein? Diese Frage hat Dr. Annelen Collatz in ihrer Dissertation "Zur Relevanz von Persönlichkeit und deren adäquate Erfassung im Bereich des Topmanagements" gestellt und ein Instrument entwickelt, um sie zu beantworten. 180 Fragen sind das Destillat ihrer Studie, für die sie neben einer Literaturanalyse und einer Auswertung mehrerer Hundert Datensätze des Bochumer Inventars zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP) auch mehrere deutsche Topmanager interviewte. Der Fragebogen soll eine differenzierte Gesprächsgrundlage für die weitere eignungsdiagnostische Exploration (wie ein Interview) für Auswahl- und Entwicklungsprozesse liefern, zum anderen aber auch eine Basis sein für eine Selbsteinschätzung von Topmanagern oder solchen, die es werden könnten.

800 Eigenschaften

Auf die Frage, welche Eigenschaften es braucht, um im Topmanagement erfolgreich zu sein, lieferte eine Analyse der Wissenschafts- und Wirtschaftspresse über 800 Antworten. Diese Masse der Begrifflichkeiten ordnete Annelen Collatz zunächst mithilfe eines Computerprogramms und fasste sie unter 20 Oberbegriffen zusammen, immer im Duktus der Wirtschaftsbosse bleibend, um ihre Zielgruppe angemessen anzusprechen. Parallel suchte sie aus dem Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP) diejenigen Datensätze heraus, die durch Alter, Entgelt und Position auf einen Topmanager deuteten, und analysierte, welche Eigenschaften und Items diese Menschen von den angrenzenden Gruppen abhoben. Auf dieser Basis entwickelte sie einen ersten Fragebogen, den sie an rund 50 Topmanagern testete. "Bei diesem ersten Test ging es vor allem darum nachzuweisen, dass die Antworten auf die von mir entwickelten Fragen tatsächlich Rückschlüsse auf die zu testende Eigenschaft zulassen", erklärt Dr. Collatz. So deutet die Zustimmung zu der Aussage "Zweimal denselben Fehler toleriere ich nicht" auf eine ausgeprägte Leistungsorientierung hin, die Risikobereitschaft eines Befragten tritt in seiner Haltung zu der Aussage "Ich treffe nur Entscheidungen, deren Konsequenzen weitgehend abschätzbar sind" zutage.

Geld und Aktienkurs sagt nichts über den Erfolg

Im nächsten Schritt interviewte Annelen Collatz sowohl Topmanager als auch Eignungsdiagnostiker, um subjektive und objektive Erfolgsfaktoren herauszufinden. Interessante Antworten bekam sie zum Beispiel auf die Frage, wie sich der Erfolg eines Topmanagers überhaupt messen lässt. "Anders als in allen anderen Statusgruppen lässt sich der Erfolg im Topmanagement nicht an der Bezahlung festmachen", fasst sie zusammen. Ausschlaggebend sind andere Faktoren wie etwa der langfristige Unternehmenserfolg, die langfristige Sicherung von Arbeitsplätzen oder die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens. Den Aktienkurs schätzten drei Viertel der befragten Topmanager als nicht maßgeblich ein. Auch ob man erfolgversprechende Eigenschaften lernen könne, fragte Annelen Collatz ihre Interviewpartner aus dem Topmanagement. Fazit: Die Sozialisation ist wichtig, da Eigenschaften ca. mit dem 20. Lebensjahr recht stabil sind. Wer aus einer Unternehmerfamilie oder dem Bürgertum kommt und somit über die entsprechende Kinderstube verfügt, hat es leichter. "Auch andere können es schaffen, müssen sich aber mehr anstrengen", so Collatz. Als für den Erfolg eines Topmanagers nicht unerheblich stellten sich neben dem eigenen Charakter auch Äußerlichkeiten, funktionierende Netzwerke, die Ehegattin heraus.

180 Fragen, 16 wichtige Eigenschaften

Die auf Basis der Interviews überarbeitete Fassung des Fragebogens, der noch einmal an 100 Topmanagern überprüft wurde, erfasst mit 180 Fragen 16 Persönlichkeitsmerkmale. Dazu gehören unter anderem Leistungsexzellenz, Risikobereitschaft, Strategieorientierung, Kompetitivität und Independenz, d.h. die Unabhängigkeit auch von sozialen Reaktionen, die es erlaubt, im Sinne des Unternehmens auch mal querzudenken. "Alle diese Eigenschaften sind positiv mit dem Erfolg im Topmanagement korreliert, was aber nicht heißt, dass es darauf ankommt, besonders hohe Werte zu erreichen", erklärt Annelen Collatz. Vielmehr sei es wichtig, dass sich ein stimmiges Profil ergibt, das mit der angepeilten Aufgabe optimal zusammenpasst. Der Fragebogen soll idealerweise Grundlage sein für ein vertiefendes Gespräch, auch zum Beispiel im Rahmen eines Coachings. "Der potentielle Topmanager soll sich auch selbst verorten können, er muss für sich entscheiden, ob er den hohen Preis für einen Posten im Topmanagement zahlen will", so Collatz. Das Instrumentarium - das erste wissenschaftliche seiner Art speziell fürs Topmanagement konstruiert - soll helfen, Fehlbesetzungen zu verhindern, und das nicht nur im Sinne des Unternehmenserfolges, sondern auch im Sinne des potentiellen Topmanagers. Der falsche Mann oder die falsche Frau auf einem hochrangigen Posten wird Fehlentscheidungen treffen, krank werden, "ausbrennen".

Apropos Frauen

Apropos Frauen: Auch die Frage, warum so wenig Frauen im deutschen Topmanagement zu finden sind, stellte Annelen Collatz ihren Interviewpartnern. Die Antworten fielen sehr unterschiedlich aus. "Mehrfach habe ich gehört, dass Männer die Frauen blockieren, weil sie Gefühle fürchten und in der Führungsriege nicht immer höflich sein müssen wollen", erzählt sie. Es hieß aber auch, mitunter von Frauen, Frauen seien planlos in ihrer Lebensgestaltung, gäben der Familie den Vorzug vor der Karriere, hätten eine negative Einstellung zur Macht und zu wenig Ellbogen. Die Ursachen für die geringe Auftrittswahrscheinlichkeit von Frauen in Toppositionen scheinen vielfältig und einander bedingend zu sein und somit auch nicht ohne weiteres behebbar. "Es auf den Nenner bringen zu wollen: A woman has no wife - scheint zu kurz gegriffen, wenn auch ein Fünkchen Wahrheit in dieser These steckt." resümiert Dr. Collatz.


*


Interessenten können ein Profil erstellen lassen

Interessenten, die ein erstes Profil mit Hilfe des Fragebogen erstellen lassen möchten, können sich an Annelen Collatz wenden.

Weitere Informationen

Dr. Annelen Collatz, Dipl.-Psych.,
Arbeitseinheit Methodenlehre,
Diagnostik & Evaluation, Fakultät für Psychologie,
Ruhr-Universität Bochum,
GAFO 04/981, 44780 Bochum,
Tel. 0234/32-23363, Fax: 0234/32-14723,
E-Mail: annelen.collatz@rub.de,
Homepage: http://www.testentwicklung.de/

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution2


*


Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Ruhr-Universität Bochum, Dr. Josef König, 29.01.2007
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de

veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Januar 2007