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BERICHT/047: Der Dynamograph von Werner Straub (TU Dresden)


Dresdner UniversitätsJournal Nr. 11 vom 19. Juni 2007

Der Dynamograph von Werner Straub
Wissenschaftler als Namensgeber in der Geschichte der TU Dresden (3)

Von Bärbel Bergmann


Werner Straub hat die Entwicklung der Psychologie an der TH/TU Dresden im 20. Jahrhundert geprägt und er hat darüber hinaus die schwierige Aufbauphase der TH Dresden nach dem 2. Weltkrieg entscheidend mitgestaltet. Von 1946 bis 1947 war er der erste Dekan der Pädagogischen Fakultät, von 1947 bis 1949 Rektor der TH Dresden. In seiner Amtszeit konnte die zu 80% zerstörte Hochschule zu 54% wieder aufgebaut werden. Dies betraf nicht nur die Reparatur von Gebäuden und die Organisation des Studienbetriebs, sondern auch die Implementierung der akademischen Selbstverwaltung. Die Einführung des Kollegialprinzips der Hochschulleitung (Senatsbeschluss vom 5.12.1947) war das Resultat des Wirkens von Werner Straub, der nach seiner Zeit als Rektor bis 1955 als Prorektor und ab 1955 als Wahlsenator die Entwicklung der TH/TU Dresden aktiv mitgestaltete. 1949 baute er das Institut für Psychologie auf und führte den Diplomstudiengang Psychologie wieder ein. 1950 hat er die Zuordnung des Faches Psychologie an die Fakultät für Mathematik und Naturwissenschaften gemeinsam mit dem damaligen Dekan der Fakultät, Prof. Willers, durchgesetzt. Er hat jahrelang die Hauptlast der Lehre in einem beeindruckenden Fächerspektrum bewältigt. Bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1967 war Werner Straub Direktor des Instituts für Psychologie.

Werner Straub wurde am 14.7.1902 in Stuttgart geboren. Nach dem Abitur und einer Buchhändlerlehre nahm er Studien der Psychologie und Philosophie an der Universität München auf. Dort promovierte er 1928 mit einer experimentellen Arbeit über Tonqualität und Tonhöhe. Anschließend war er Assistent am Psychologischen Institut der TH Darmstadt und habilitierte 1931 mit einer Arbeit zum Thema "Grundlagen einer experimentellen Bildungspsychologie". Von 1931 bis zu seiner Emeritierung war er an der TH/TU Dresden tätig. Zunächst wirkte er im Rahmen der Lehrerausbildung am Institut für Psychologie und Philosophie der kulturwissenschaftlichen Abteilung der TH als Privatdozent. Als dessen Direktor, Philipp Lersch, 1937 nach Breslau ging, übernahm Straub die vakant gewordene Funktion als außerordentlicher Professor.

Ab 1934 wurde Werner Straub die wissenschaftliche Leitung des von Sachsenberg 1922 gegründeten Psychotechnischen Instituts der TH Dresden übertragen. In dieser Zeit beginnt seine Beschäftigung mit arbeitspsychologischen, arbeitswissenschaftlichen und eignungspsychologischen Problemstellungen. Zu Letzterem gehörten Untersuchungen zur Charakterologie und Psychologie des Willens. Für Straub war das Wollen etwas Gebildetes, das mit den Bedingungen seiner Entstehung in Zusammenhang zu bringen ist. Im Rahmen eignungspsychologischer Untersuchungen führte er experimentelle Studien zur Erfassung der Willensbeschaffenheit von Personen mit dem Dynamographen durch. Ein Dynamograph ist eine mit einer Feder versehene Zange, die von einer Person mit der Hand so fest und so lange wie möglich zusammenzudrücken ist. Der Druck wird aufgezeichnet. Straub verfolgte die Idee, die Auseinandersetzung des Menschen mit der widersprüchlichen Instruktion zu dessen willenspsychologischer Charakteristik einzusetzen. Der Zwiespalt der Instruktion besteht darin, dass die Erfüllung der einen Forderung, nämlich lange zu drücken, die schlechte Erfüllung der zweiten Forderung, nämlich den Dynamographen sehr fest zu drücken, nach sich zieht. Der einzusetzende Druck liegt im Spielraum der Selbstbeanspruchung und ist deshalb diagnostisch interessant. Straub schreibt: "Psychologisch gesehen ist im Dynamogramm der Effekt einer Willenshandlung als kontinuierliche Spur objektiv registriert." (Universitätsarchiv, Nachlass W. Straub, Nr. 44, S. 2) und etwas weiter formuliert er: "Wille ist organisierte Arbeit."

In Eignungsuntersuchungen wurden für 200 männliche Jugendliche sowohl Dynamographenkurven aufgezeichnet als auch charakterologische Befunde erstellt. Nachträglich wurden diese beiden Ergebnisarten mit Hilfe eines Klassifikationssystems in Beziehung gesetzt. Das Ziel, den Dynamographenversuch als objektives Verfahren diagnostischer Tätigkeit zu entwickeln, wurde nicht zu Ende verfolgt. Der 2. Weltkrieg verhinderte das. Gedanken seiner Psychologie der Willensbildung legte Straub in seiner Antrittsvorlesung als Rektor 1947 zum Thema "Zur Psychologie des inneren Halts und der Haltlosigkeit" dar, in der er sich, veranlasst durch die dramatischen geschichtlichen Ereignisse, mit Problemen der Selbst- und Fremderziehung und deren sachlicher Bindung an die Arbeit auseinandersetzte.


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Quelle:
Dresdner UniversitätsJournal, 18. Jg., Nr. 11 vom 19.6.2007, S. 7
Herausgeber: Der Rektor der Technischen Universität Dresden
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juli 2007