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MELDUNG/086: John Ruiz wirft im Glashaus mit Steinen (SB)



Der Puertoricaner will das Schwergewicht retten

Der Puertoricaner John Ruiz, ein langjähriger Dauerbrenner im erlöschenden Feuer der internationalen Schwergewichtsszene, zu deren Langeweile er mit seinen selten mitreißenden Auftritten nicht unmaßgeblich beigetragen hat, gleicht einem Mann, der im Glashaus mit Steinen wirft. Vor der Herausforderung des wohl nur nach eigener Einschätzung besten Boxers der Königsklasse, aber unverdrossen stänkernden David Haye am 3. April in Manchester fordert er einen spektakulären Kampf, der das Schwergewicht endlich wieder attraktiv für das Publikum macht.

Wladimir Klitschkos erfolgreiche Titelverteidigung gegen Eddie Chambers in Düsseldorf qualifiziert Ruiz als weiteren Tiefschlag für den Boxsport ab. Die Klitschkos, behauptet der Exweltmeister, suchten sich nur Gegner aus, die sie leicht besiegen können, während sie Kontrahenten mieden, die ihnen einen anständigen Kampf liefern. Damit meint er offensichtlich sich selbst, denn wie er beklagt, habe er lange vergeblich versucht, mit ihnen in den Ring zu steigen. Der eigentliche Grund für den Niedergang des Schwergewichts sei der Umstand, daß anders als in der Vergangenheit niemand Interesse an einem ernsthaften Kampf habe.

Zwar kann man die Auffassung durchaus teilen, daß die Dominanz der Klitschkos die Szene nicht gerade spannender gemacht hat, doch bleibt John Ruiz zweifellos die Antwort schuldig, welchen erstklassigen Gegnern die beiden Ukrainer aus dem Weg gegangen sind. Natürlich behauptet jeder Titelaspirant, er könne die Klitschkos problemlos schlagen, wenn man ihm nur die Gelegenheit dazu gebe. Man denke nur an David Haye, der beide Ukrainer mit dem Mund bereits in der Tasche hatte, als er die geplanten Kämpfe gegen sie absagte und sich zum statischen Nikolai Walujew flüchtete, um ihm auf schnellen Füßen den Gürtel abzutanzen.

Der 38jährige Puertoricaner will alles besser und ausnahmsweise seinen Kampfnamen "Quiet Man" vergessen machen, der allzu sehr an glanzlose Auftritte voll mühsamer Wühlerei erinnert. Um sich von Großmaul Haye nicht verbal vorführen zu lassen, ist Ruiz im Januar gar nicht erst nach England gekommen, um wie geplant Werbung für den Kampf zu machen. Obgleich sich Hayemaker Productions nicht lumpen ließen und 15.000 britische Pfund für Flugtickets und Hotel ausgegeben haben, tauchten Ruiz und seine Entourage nicht auf. Er wolle sein Training in Las Vegas nicht unterbrechen und gehe davon aus, daß die Fans einen Boxer bevorzugten, der nicht nur zu Interviews erscheint, sondern in Bestform zum Kampf antritt, erklärte der Puertoricaner. Zwar ist nicht nachzuvollziehen, inwiefern ein Londoner Kurzauftritt zu Werbezwecken im Januar die Vorbereitung auf den Auftritt Anfang April ernsthaft beeinträchtigen sollte, doch kann man John Ruiz andererseits auch nicht verdenken, daß er sich den absehbaren Provokationen des Briten nicht aussetzen wollte.

Zumindest räumt John Ruiz ein, daß er nach seinen Auftritten seit einer Ewigkeit nichts als schlechte Presse geerntet habe. Er sei weder der talentierteste Boxer der Welt, noch reiße sich das Publikum um ihn, doch sei er fest entschlossen, der Beste zu werden. Seine Karriere gleiche einer Achterbahnfahrt, doch nun wende sich alles zum Positiven, da er erkenne, wer er als Mensch und als Boxer sei.

Neu ist zumindest, daß er nun bei den Golden Boy Promotions unter Vertrag steht, die zwar auch nicht alles zu Gold machen können, was sie anfassen, aber erfahrungsgemäß doch mehr als jeder andere Vermarkter. Über Don King, unter dessen Regie John Ruiz jahrelang angetreten ist, weiß der Puertoricaner wenig Gutes zu berichten. Abgesehen davon, daß sich der alte Promoterkönig allmählich aus dem Geschäft zurückziehe und nicht mehr viele Kämpfe veranstalte, habe er manchmal sogar das Gefühl gehabt, daß King gegen ihn gewesen sei. Deshalb habe er bei Oscar de la Hoya unterschrieben.


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Vitali Klitschko stellt sein Licht nicht unter den Scheffel

Vitali Klitschko hat sich vor seiner Titelverteidigung gegen den Polen Albert Sosnowski am 29. Mai auf eine Stufe mit den Legenden der Boxgeschichte gestellt. "Muhammad Ali, Mike Tyson, Lennox Lewis hatten diesen Gürtel. Nicht umsonst besitze ich ihn jetzt. Ich möchte ihn behalten und beweisen, daß ich der Stärkste der Welt bin", verkündete der WBC-Weltmeister. Vor allem auf die Atmosphäre in der Schalker Arena freut sich der Ukrainer: "In einem Stadion zu boxen, ist wirklich ein einzigartiges Erlebnis."

Auch Herausforderer Albert Sosnowski, der bislang nur als Europameister von sich reden machte und diesen Titel nun niedergelegt hat, ist um markige Worte nicht verlegen. Wie der 31jährige Pole auf der Pressekonferenz erklärte, habe Klitschko seinen Zenit schon überschritten. Zwar gebe es viele, die wie lebende Sandsäcke kämpfen, doch hätten diese schon in der Kabine verloren. So eine Gelegenheit biete sich nur einmal im Leben, weshalb er sie nicht ungenutzt verstreichen lassen wolle: "Ich werde es Vitali zeigen und will der erste polnische Weltmeister im Schwergewicht sein." Sosnowski hat eine Bilanz von 45 Siegen in 48 Profikämpfen, davon 27 durch Knockout. Die unverhoffte Gelegenheit, mit Klitschko um den Gürtel des Weltmeisters zu kämpfen, verdankt er nicht zuletzt Don King, an dessen astronomischen Börsenforderungen der Kampf des Ukrainers gegen den Russen Nikolai Walujew gescheitert ist.

31. März 2010