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MELDUNG/172: Promoter Kohl schießt sich vor Gerichtstermin auf Felix Sturm ein (SB)



Universum-Chef erhebt schwere Vorwürfe gegen den Leverkusener

Vor der Verhandlung am 6. Juli beim Hamburger Landgericht im Vertragsstreit zwischen der Universum Box-Promotion und Felix Sturm erhebt Promoter Klaus-Peter Kohl in der "Bild am Sonntag" schwere Vorwürfe. Man habe mit dem Leverkusener 2004 einen Sechsjahresvertrag geschlossen und bereits zwei Jahre später ungeachtet einer vorangegangenen K.o.-Niederlage einen neuen Vertrag vereinbart, der sich im Optionsfall bis 2012 verlängern sollte. Dafür habe der Boxer ein sechsstelliges Handgeld und Millionen mehr an Börsen erhalten. "Sturm hat das Geld kassiert, will nun aber seine eigene Pflicht nicht erfüllen." Im Prozeß werde er dessen Behauptung widerlegen, daß der Promoter mehr Geld verdient hat als der Boxer: "Ich habe lange geschwiegen. Jetzt kommt alles auf den Tisch!"

Der 31 Jahre alte WBA-Superchampion im Mittelgewicht aus Leverkusen hatte den Vertrag im August 2009 zum 19. November einseitig und fristlos gekündigt, wobei er geltend machte, daß dieser sittenwidrig sei. Er will nun vor Gericht feststellen lassen, daß eine grundlose Kündigung möglich war. Klaus-Peter Kohl sieht das anders und verlangt, daß der Leverkusener zu Universum zurückkehrt und seinen Vertrag erfüllt. Wenn Sturm von sittenwidrig spreche, handle es sich um die übliche Stimmungsmache.

Kohl führt zu seinen Gunsten ins Feld, daß der Vorsitzende Richter Michael Otto schon am ersten Verhandlungstag im Mai erklärt habe, daß der Vertrag grundsätzlich wirksam ist. Paragraph 627 BGB, auf den Sturm seine Klage gestützt hat, gelte im Verhältnis zwischen Promotern und Profiboxern genauso wenig wie zwischen Fußballspielern und ihren Vereinen. Der Richter hatte jedoch Zweifel geäußert, weil Sturm bei Vertragsende 33 Jahre alt wäre und ein so langfristiger Vertrag deshalb "unausgewogen" sein könnte. Gegen diese Auffassung wendet der Promoter ein, daß dem Richter damals nicht bekannt war, daß die zehn besten Boxer der Welt derzeit ein Durchschnittsalter von knapp 35 Jahren haben. Wer als Boxer einen großen Namen habe, mache erst Mitte 30 richtig Kasse. Niemand käme auf die Idee, es sittenwidrig zu nennen, wenn beispielsweise der Fußballspieler Ribéry im Alter von 27 Jahren seinen Vertrag beim FC Bayern um fünf Jahre verlängert.

Wie Kohl in dem Interview zudem offenlegt, hat Sturm dem WBC-Champion im Mittelgewicht, Sebastian Zbik aus dem Universum-Boxstall, ein Angebot vorgelegt, am 4. September gegen ihn zu boxen. Zwar gebe es derzeit keinen interessanteren deutschen Kampf in dieser Gewichtsklasse, doch habe der Leverkusener nur die lächerliche Börse von 200.000 Euro geboten, obgleich Zbik im Gegensatz zu Sturm ungeschlagen ist: "Dieses Angebot nenne ich sittenwidrig." Daher habe man abgelehnt. Zbik, der am 31. Juli in Hamburg gegen den Argentinier Jorge Sebastian Heiland kämpft, habe nur gelacht und ironisch angemerkt, man könne ja Sturm ein Angebot in derselben Höhe machen.

Felix Sturm hat seit dem 11. Juli 2009 nicht mehr im Ring gestanden. Auf die Frage, wie der Leverkusener wieder aktiv werden könne, erwiderte Kohl, dieser solle zu Universum zurückkehren und seinen Vertrag erfüllen. Er halte allerdings auch das Angebot weiter aufrecht, daß Sturm gegen eine Zahlung von drei Millionen Euro seine Kämpfe selbst veranstalten kann: "Ich halte mich an Verträge und vergesse nie, was ich versprochen habe." Wie der Promoter hinzufügte, sei er nach wie vor der Ansicht, daß Felix Sturm schlecht beraten ist. Es sei für Boxer immer eine große Gefahr zu denken, sie seien bereits oben angekommen, wenn sie erst auf dem Weg dorthin sind.

Nachdem vor wenigen Monaten noch von einem Vertrag in Millionenhöhe die Rede war, den Felix Sturm mit dem Privatsender RTL geschlossen habe, zeichnet sich inzwischen ab, daß Sturms neuer Vermarkter UFA, eine Tochterfirma der RTL-group, keinen Fernsehtermin für ihren Boxer buchen konnte. Da die Promotion K2 der Brüder Klitschko nicht bereit ist, ihren exklusiven Fernsehvertrag mit dem Leverkusener zu teilen, muß sich dieser vorerst gedulden. Neue Verhandlungen stehen frühestens an, wenn Vitali Klitschko seine Karriere beendet.

Vorerst springt Ahmet Öner in die Bresche, der natürlich die Gelegenheit nicht ausläßt, seinem alten Rivalen Klaus-Peter Kohl in die Parade zu fahren. Er will Sturm auf seiner Sat1.-Veranstaltung im September kämpfen lassen. Auf dieser Schiene könnte sich für den Leverkusener die Möglichkeit auftun, beispielsweise mit Mahir Oral in den Ring zu steigen, der in der Rangliste der WBA an vierter Stelle geführt wird und im Titelkampf mit Arthur Abraham eine gute Figur abgegeben hat. Da Sturm nach seiner langen Pause erst wieder Tritt fassen muß, wäre Oral vermutlich auch eine günstigere Wahl als Ricardo Mayorga, mit dem das Team des Leverkuseners über einen Kampf in der Köln Arena verhandelt.

Der frühere Weltmeister im Halbmittelgewicht aus Nicaragua ist international zweifellos prominenter als Mahir Oral, aber auch als Gegner entsprechend gefährlicher und steht zudem bei Don King unter Vertrag, so daß sich die Verhandlungen erfahrungsgemäß als langwierig erweisen werden. Sollte es zu Felix Sturms Auftritt am 4. September kommen, können sich die Verantwortlichen bei Sat1 die Hände reiben. Mit dem Comeback des WBA-Superchampions sowie prominenten Akteuren des Arena Boxstalls wie den Kubanern Odlanier Solis im Schwergewicht und WBA-Champion Yuriorkis Gamboa im Federgewicht wäre für eine attraktive Veranstaltung mit hoher Resonanz beim Publikum gesorgt.

28. Juni 2010