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MELDUNG/582: Bernard Hopkins bleibt ein Phänomen (SB)



Chad Dawson trennt sich von Trainer Emanuel Steward

Bernard Hopkins' Geschichte unterscheidet sich in den Anfängen kaum von der zahlloser anderer schwarzer Jugendlichen in den USA. Aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen im Norden Philadelphias wurde er mit 17 Jahren nach einem Raubüberfall verurteilt und verbrachte die folgenden 56 Monate im Gefängnis. Dort begann er zu boxen. Nach seiner Entlassung aus der Haft machte er jedoch schnell deutlich, daß er sich von niemandem in der Branche etwas vorschreiben lassen will. Er weigerte sich, Geschäfte mit den großen Promotern zu machen und vermarktete sich selbst, wodurch ihm viele Millionen Dollar entgingen. Heute ist er dennoch ein gemachter Mann und läßt es neben seinen außergewöhnlichen Qualitäten im Ring auch an Geschäftssinn nicht fehlen.

Auf dem Höhepunkt seiner Karriere führte ihn die Zeitung USA Today 2005 als besten Boxer aller Gewichtsklassen. Er war der unumschränkte Champion im Mittelgewicht und besaß die Titel der vier Verbände WBC, WBA, IBF und WBO. Der 40jährige hatte seit zwölf Jahren keinen Kampf mehr verloren und seine Titel zum 20. Mal erfolgreich verteidigt. In seinen 46 Profikämpfen war er nur zweimal besiegt worden - bei seinem Debüt 1988 sowie im Mai 1993 von Roy Jones. Seither war er 25 Kämpfe in Folge ungeschlagen geblieben.

"Wir schreiben Geschichte. Meine Errungenschaften werden viele, viele Jahre bestehenbleiben", sagte Hopkins damals. "Wir haben die Chance, den Boxsport am Leben zu erhalten, während die Riesen des Schwergewichts alle schlafen", war er sich seines Platzes in den Geschichtsbüchern der Branche bewußt.

Inzwischen ist Bernard Hopkins 46 Jahre alt und kann noch immer mit außergewöhnlichen Leistungen aufwarten. Am 21. Mai setzte er eine historische Marke, als er durch einen Sieg gegen den Kanadier Jean Pascal ältester Weltmeister in der Geschichte des modernen Boxsports wurde. Bei seiner ersten Titelverteidigung trifft der Weltmeister des WBC im Halbschwergewicht am 15. Oktober im Staples Center von Los Angeles auf den Pflichtherausforderer Chad Dawson. Während Hopkins 52 Kämpfe gewonnen, fünf verloren und zwei unentschieden beendet hat, stehen für seinen Gegner 30 Siege und eine Niederlage zu Buche.

An Chad Dawsons außergewöhnlichem Talent bestand nie ein Zweifel, war er doch nicht umsonst der einzige Halbschwergewichtler, dem sich Tomasz Adamek geschlagen geben mußte. Wenngleich der Pole soeben eine deprimierende Niederlage gegen Vitali Klitschko einstecken mußte, hatte er bis dahin von 44 Profikämpfen nur diesen einen gegen Dawson verloren. Der aufstrebende US-Amerikaner war in 29 Kämpfen ungeschlagen und bereits zum künftigen Weltstar hochstilisiert worden, als er Mitte August 2010 den Kanadier Jean Pascal herausforderte. Dawson trat in Montreal als Favorit an, mußte sich aber durch Abbruch in der elften Runde geschlagen geben. Damit blieb der aus Haiti stammende Pascal nicht nur Champion der Verbände WBC und IBO, sondern gewann auch den Gürtel des Ring Magazins hinzu.

Diese prestigeträchtige Trophäe wird an den Boxer vergeben, den man für den führenden Akteur seiner Gewichtsklasse hält. Am 18. Dezember 2010 hätte Jean Pascal um ein Haar diese Vorzugsstellung und den Weltmeistertitel eingebüßt, da ihn nur ein schmeichelhaftes Unentschieden gegen Bernard Hopkins vor dem Verlust bewahrte. Der damals 45jährige US-Amerikaner war vor 16.000 Zuschauern im Pepsi Coliseum von Quebec City über weite Strecken der bessere Boxer, während der 18 Jahre jüngere Kanadier von zwei frühen Glückstreffern profitierte, die Hopkins kurzfristig zu Boden geschickt hatten. Bei der Revanche im Mai 2011 sorgte Bernard Hopkins dann für klare Verhältnisse und nahm Pascal den Titel ab.

Unterdessen hatte man nach Chad Dawsons ernüchternder Niederlage gegen Pascal gehofft, daß Trainer Emanuel Steward auch bei ihm sein legendäres Talent zum Einsatz bringen würde, gestürzten Stars wieder auf die Beine zu helfen und sie besser denn je zu machen. Bernard Hopkins hatte zu Recht von einem außerordentlich schwierigen Kampf gesprochen, da er es mit zwei Gegnern zu habe - Dawson und Steward. Inzwischen hat der 17 Jahre jüngere Herausforderer jedoch beschlossen, die Vorbereitung ohne Emanuel Steward zu absolvieren. Um in der Nähe seiner Familie bleiben zu können, zieht es Dawson vor, im heimatlichen Connecticut zu trainieren. Unterdessen bereiten sich in Stewards berühmter Boxschule Kronk in Detroit Andy Lee und Miguel Cotto auf ihre nächsten Kämpfe vor. Dank der überraschenden Trennung im Lager des Herausforderers hat der Champion eine Sorge weniger und gute Aussichten, sich als ältester Weltmeister des Boxsports an der Spitze zu behaupten.

13. September 2011