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MELDUNG/614: Umstrittener Sieg Chad Dawsons gegen Bernard Hopkins (SB)



Titelverteidiger nach fragwürdiger Aktion des Gegners verletzt

Chad Dawson ist neuer Weltmeister des World Boxing Council (WBC) im Halbschwergewicht, sofern die Boxkommission von Kalifornien das Urteil nicht aufhebt. Der Pflichtherausforderer gewann in Los Angeles durch technischen K.o. in der zweiten Runde, nachdem sich Titelverteidiger Bernard Hopkins bei einer möglicherweise regelwidrigen Aktion seines Gegners verletzt hatte. Sollte die Entscheidung jedoch Bestand haben, wäre der 46jährige Hopkins bereits bei seiner ersten Titelverteidigung entthront worden. Der US-Amerikaner hatte am 21. Mai eine historische Marke gesetzt, als er durch einen Sieg über den Kanadier Jean Pascal ältester Weltmeister in der Geschichte des modernen Boxsports wurde.

In der ersten Runde schlug der Titelverteidiger ein langsames Tempo an und ging immer wieder in den Infight. Damit zwang er dem 18 Jahre jüngeren Herausforderer zunächst seine Kampfesweise auf, der allerdings den deutlichsten Treffer ins Ziel brachte. Nach diesem ausgeglichenen Durchgang begann auch die zweite Runde ohne Höhepunkte, wobei Dawson inzwischen besser mit der Taktik des Champions umgehen konnte. Kurz vor der Pause duckte Dawson ab, worauf sich Hopkins auf ihn lehnte. Der Herausforderer hob seinen Gegner hoch, schüttelte ihn ab und warf ihn dabei zu Boden. Dabei landete der Titelverteidiger auf dem linken Ellbogen und blieb mit schmerzverzerrtem Gesicht liegen.

Ringrichter Pat Russell wertete die ungewöhnliche Aktion jedoch nicht als Regelwidrigkeit und befragte Hopkins, ob er weiterkämpfen könne. Nachdem der Titelverteidiger dies verneint hatte, erklärte Russel den Herausforderer zum Sieger. Für Bernard Hopkins, der noch nie in seiner Karriere vorzeitig verloren hatte, stehen damit vorerst 52 Siege, sechs Niederlagen sowie zwei Unentschieden zu Buche. Der neue Weltmeister Chad Dawson hat nunmehr 31 Auftritte gewonnen und einen verloren.

Ob Hopkins von einer klaren Regelwidrigkeit des Herausforderers ausgegangen war und mit dessen Disqualifikation gerechnet hatte, kann man nur mutmaßen. Wie er selbst im anschließenden Interview monierte, kämpfe man hier doch nicht in der UFC. Sein Gegner habe ihn hochgehoben, worauf er auf der Schulter gelandet sei. Als ihn der Ringrichter gefragt habe, ob er weiterkämpfen könne, habe er geantwortet, er könne mit einem Arm weitermachen. Das Publikum wisse, daß Chad Dawson es nicht verdient habe, Champion zu sein.

Das sah Chad Dawson natürlich ganz anders, der seinem Gegner vorwarf, dieser habe lediglich geschauspielert und die Fans enttäuscht. Wenn er der echte Gangster wäre, als den er sich gern bezeichne, wäre er aufgestanden und hätte weitergekämpft. Eine Revanche lehne er ab, da Hopkins dann bereits 47 Jahre alt wäre. Er wolle vielmehr erneut gegen Jean Pascal antreten. Der Kanadier hatte ihm im August 2010 in Montreal überraschend den Titel abgenommen und die erste Niederlage seiner Profilaufbahn beigebracht.

Der Ausgang dieses Titelkampfs im Staples Center könnte durchaus ein Nachspiel haben. Endet ein Kampf durch eine unabsichtliche Aktion, die nicht den Regeln entspricht, sehen die Statuten die neutrale Wertung "No decision" vor. In diesem Fall hätte es keinen Sieger gegeben, so daß Bernard Hopkins Weltmeister geblieben wäre. Im Anschluß an den Kampf schirmte die kalifornische Boxkommission Ringrichter Russell von den Medien ab und verhängte eine Informationssperre. Das ist ein sicheres Indiz dafür, daß die Entscheidung einer Prüfung unterzogen wird. Eine nachträgliche Korrektur seitens der Boxkommission wird zwar selten vorgenommen, ist andererseits aber auch nicht ungewöhnlich.

16. Oktober 2011