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MELDUNG/819: Heimvorteil befördert Adameks Sieg über Chambers (SB)




Pole entscheidet Prestigeduell der namhaften Schwergewichtler für sich

In seiner Wahlheimat New Jersey hat der polnische Schwergewichtler Tomasz Adamek das Prestigeduell gegen Eddie Chambers für sich entschieden. Während viele Beobachter den agilen US-Amerikaner knapp in Front sahen, konnte der 35jährige Pole mit Unterstützung der Punktrichter am Ende einen viel zu deutlichen Sieg feiern. Adamek verbesserte damit seine Bilanz auf 46 Siege und zwei Niederlagen, Chambers hat nun 36 Auftritte gewonnen und drei verloren. Wenngleich der Lokalmatador nicht restlos überzeugen konnte, hat er dank dieses Erfolgs wieder einen großen Sprung in Richtung eines erneuten Kampfs um die Weltmeisterschaft gemacht.

Da beide Boxer trotz ihrer Niederlagen gegen die Klitschkos zu den besten Schwergewichtlern hinter den Ukrainern gehören, stand bei diesem Duell viel auf dem Spiel. Das zeigte sich bereits zum Auftakt, als Adamek und Chambers sofort ein hohes Tempo vorlegten. Die klareren Treffer gingen auf das Konto des US-Amerikaners, der viele Angriffe seines Gegners mit einer soliden Deckung neutralisierte und Konter ins Ziel brachte. So machte Chambers vier Runden lang die bessere Figur, bis er im fünften Durchgang Probleme im linken Arm bekam, die ihn dazu veranlaßten, des öfteren die Auslage zu wechseln.

Nun kam Adamek besser zur Geltung, der insbesondere in der sechsten Runde klar dominierte, während die siebte wieder eindeutig an Chambers ging. Wenngleich der US-Amerikaner unter starken Schmerzen zu leiden schien, hielt er den immerhin elf Kilo schwereren Polen mit seinem gesunden Arm erstaunlich gut auf Distanz, so daß das Kampfgeschehen nach wie vor hin und her wogte. Gegen Ende stellte sich wieder das Bild der Anfangsphase ein: Adamek schlug häufiger, doch Chambers traf besser. Als das verbissen geführte Gefecht mit dem Schlußgong beendet war, präsentierten die Punktrichter eine überraschende Wertung. Zwei hatten den Polen mit vier Runden vorn gesehen (116:112), einer gestand Chambers gar nur eine einzige Runde zu (119:109), was man kaum anders als eine krasse Fehlentscheidung bezeichnen kann.

Tomasz Adamek, dem man im anschließenden Interview ansah, daß er um den Sieg gebangt hatte, sprach zurückhaltend von einem sehr schnellen und schwierigen Kampf, der sehr eng verlaufen sei. Bereit für die erneute Herausforderung eines Weltmeisters ist er nach eigener Einschätzung noch nicht: Er müsse zurück an die Arbeit gehen, hart trainieren und rechne erst im nächsten Jahr mit einer Titelchance. Sichtlich enttäuscht deutete Eddie Chambers an, daß er mit der Wertung nicht einverstanden sein konnte. Er habe sich eigentlich recht gut geschlagen, sei sich aber am Ende seiner Sache nicht ganz sicher gewesen. Es habe eben in den Händen der Punktrichter gelegen, so Chambers. Hinsichtlich seiner Verletzung teilte der US-Amerikaner mit, daß er sich den linken Bizeps gezerrt habe.

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Bernd Bönte dementiert Einigung mit Manuel Charr

Manuel Charr steht offenbar doch noch nicht als nächster Herausforderer Vitali Klitschkos fest. Manager Bernd Bönte widersprach jedenfalls dem Bericht eines deutschen Massenblatts, wonach dieses Duell bereits unter Dach und Fach sei. Wie Bönte bestätigte, werde der WBC-Weltmeister im Schwergewicht seinen Titel definitiv am 1. oder 8. September in Europa verteidigen. Charr sei nur einer von vier möglichen Kandidaten, und man liege in den Vertragsverhandlungen noch ein beträchtliches Stück auseinander. Da Klitschkos Manager andererseits mit einer Vertragsunterzeichnung bis Ende der Woche rechnet und kein anderer Kandidat namentlich hervorgehoben wurde, kann sich der Kölner zumindest Hoffnungen machen, doch noch den Vogel abzuschießen.

Natürlich wäre Vitali Klitschko, der 44 Kämpfe gewonnen und zwei verloren hat, haushoher Favorit gegen den in 21 Auftritten ungeschlagenen Manuel Charr, der international bislang wenig in Erscheinung getreten ist. Daß der Außenseiter auf kein hochkarätiges Team zurückgreifen kann, zeigte bereits sein Wunsch, den namhaften Trainer Ulli Wegner für die Vorbereitung zu gewinnen. Da der Berliner derzeit mit seinen Schützlingen auf Monate ausgebucht ist, verfiel Charr inzwischen darauf, Mike Tyson als Trainer zu engagieren, der das ja vielleicht ehrenamtlich machen könne. Wenngleich diese Ideen durchaus etwas Sympathisches haben, wird doch deutlich, in welchem Ausmaß Manuel Charr als unverhoffter Überraschungskandidat plötzlich in einem Scheinwerferlicht steht, das ihn selbst am meisten zu überraschen scheint. Wollte man den Sachverhalt schärfer formulieren, müßte man wohl die Frage aufwerfen, wie kostengünstig Bernd Bönte gerade das nächste Kanonenfutter für Vitali Klitschko requiriert.

18. Juni 2012