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MELDUNG/915: Exweltmeister Graciano Rocchigiani muß Hartz IV beantragen (SB)




Zehn Jahre nach dem "Goldrausch" ist nichts mehr übrig

Der frühere Weltmeister Graciano Rocchigiani hat nach Angaben einer großen deutschen Boulevardzeitung beim Jobcenter im brandenburgischen Zossen Hartz IV beantragt. Derzeit soll er auf Kosten eines Freundes in einer Pension in Großziethen wohnen. Zuletzt hatte er gemeinsam mit seinem ein Jahr älteren Bruder Ralf, der zwischen 1995 und 1997 selbst Weltmeister gewesen war, den Kölner Schwergewichtler Manuel Charr trainiert. Schon nach einem Auftritt, dem Punktsieg gegen den Russen Taras Bidenko, kam es jedoch wieder zur Trennung. Manuel sei stark, aber beratungsresistent, so Rocchigiani über den 27jährigen, der jüngst in Moskau WBC-Weltmeister Vitali Klitschko unterlag. Eine Boxschule in Duisburg mußte Rocchigiani aufgeben, da er keinen Sponsor fand, die Kosten zu hoch waren und Kunden ausblieben.

Vor zehn Jahren schien Graciano Rocchigiani buchstäblich in Geld zu schwimmen. Sein Anwalt hatte den Weltverband WBC verklagt und das Gericht in New York überzeugt, daß dem Berliner der Titel des Weltmeisters zu Unrecht aberkannt worden war. Der ursprünglich als Champion geführte US-Amerikaner Roy Jones jun. hatte im Jahr 1997 seinen Titel freiwillig niedergelegt, um im finanziell lukrativeren Schwergewicht anzutreten. Den damit vakant gewordenen Gürtel sicherte sich Rocchigiani am 21. März 1998 durch einen Punktsieg gegen Michael Nunn in Berlin. Drei Monate später erkannte ihm das WBC den Titel jedoch ohne plausible Begründung ab und setzte Jones wieder als Weltmeister ein, der sich in den USA wesentlich besser vermarkten ließ als der Deutsche.

Das Gericht in Manhattan sprach Rocchigiani 31 Millionen Dollar zu, die nach langem Tauziehen mit dem dadurch von Insolvenz bedrohten Verband WBC in einem Vergleich auf 4,5 Millionen heruntergehandelt wurden. Da seine damalige Ehefrau Christine die Hälfte bekam, der Anwalt bezahlt werden mußte und Steuern zu entrichten waren, dürften dem ehemaligen Boxer zwischen 2002 und 2012 rund 100.000 Euro jährlich zur Verfügung gestanden haben. Er habe gut gelebt von diesem Geld und manche andere auch, so Rocchigiani heute. "Ich habe auch nicht immer das Schlaueste mit meinem Geld gemacht." Zudem habe ihm der Alkoholkonsum vieles ruiniert.

Trainer Ulli Wegner, der gegenwärtig auf Mallorca Weltmeister Marco Huck auf seine nächste Titelverteidigung im Cruisergewcht am 3. November in Halle/Westfalen vorbereitet, zeigte sich betroffen von der Nachricht über die aktuellen Lebensverhältnisse Rocchigianis. Rocky habe alle mit seinen Kämpfen begeistert, da er ein Boxer mit Herz und dazu sehr erfolgreich gewesen sei. Irgendwie müsse man doch eine Möglichkeit finden, um so einen großen Boxer zu helfen. Weltmeister Arthur Abraham sprach von einem ganz großen Trauerspiel. Wie könne ein Weltklasseboxer wie Graciano derart untergehen? Entscheidend sei seines Erachtens immer, welche Leute man an seiner Seite habe: Lieber weniger, aber dafür echte Freunde.

Der inzwischen 48jährige hat in seiner Karriere 48 Kämpfe bestritten und davon 41 gewonnen. Er bekomme Stütze, und das sei schon vielen Menschen passiert, die auch nicht schlecht seien, zieht Graciano Rocchigiani Bilanz. Auch wenn viel schiefgelaufen sei, bleibe er ein zufriedener Mensch. Er wolle diese Krise so schnell wie möglich meistern und wieder sein eigenes Geld verdienen: "Ich fange eben noch einmal neu an."

13. Oktober 2012