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MELDUNG/1464: Don Kings Reise nach Ägypten (SB)




US-Promoter trommelt für den "King of the Nile"

Der Promoter Don King hat das internationale Boxgeschäft jahrzehntelang an maßgeblicher Stelle geprägt. Als Reizfigur verkörpert er in eigener Person jene Fehden und Kontroversen, die der eigentliche Treibstoff dieses Metiers sind. Ohne die Bösen wären die Guten nur ein blutleerer Abgesang sportlicher Beliebigkeit, bei der Zahlen die menschlichen Platzhalter zur Bedeutungslosigkeit degradieren. Um den Promoterkönig vergangener Tage ist es stiller geworden, doch nach einem Rückzug aufs Altenteil steht dem inzwischen 82jährigen nicht der Sinn. Mit dem Kanadier Bermane Stiverne hat er den amtierenden WBC-Weltmeister im Schwergewicht unter Vertrag, und dieser Glücksfall erlaubt es ihm, noch einmal von einem großen Wurf zu träumen, der die Welt bewegt.

Ob King tatsächlich an das glaubt, womit er nun die Menschheit beglücken will, ist nicht die entscheidende Frage. Er hat mit seinen Manövern, Scharaden und Winkelzügen zahllose Leute zum Narren gehalten, ohne je selber einer zu werden. Angefangen von Mordanschlägen und anderen Angriffen des organisierten Verbrechens über jahrelange Nachstellungen durch das FBI bis hin zu den giftigsten Medienkampagnen hat er alles überlebt. Vor Jahresfrist höhnte ein Kritiker, Don King sei am Ende, und übriggeblieben eine Parodie seiner selbst.

Manche Ägypter dürften das anders sehen, verkündete Don King doch dieser Tage bei seiner Ankunft in Kairo, er wolle den Novemberkampf zwischen Bermane Stiverne und Deontay Wilder im Schatten der Pyramiden veranstalten und ihn "King of the Nile" nennen. Vierzig Jahre nach dem legendären "Rumble in the Jungle" in Zaire, gefolgt vom Thrilla in Manila" 1975 auf den Philippinen, wäre dies gewissermaßen die Vollendung einer Trilogie. Reisewarnungen des US-Außenministeriums hielten King nicht davon, sich gezielt in diesem Regionalkonflikt zu inszenieren. Er entstieg fähnchenwedelnd dem Flugzeug, hatte eine Unterredung mit dem US-Botschafter und bezauberte lokale Medien mit einer Lautsprecherankündigung, er komme als Friedenskämpfer. [1]

Unmittelbar vor der Aufzeichnung eines Interviews mit dem prominenten Fernsehmoderator Youssef Hosseiny empfing King einen Anruf von US-Außenminister John Kerry, der sich im Voraus für ein möglicherweise verspätetes Erscheinen auf einer für den Abend geplanten Pressekonferenz entschuldigte, da er Gespräche mit Präsident Abdul Fattah el-Sisi führe. Während des Interviews mußte der Promoter einmal kurz unterbrechen und seine drei Handys ausschalten, die allesamt klingelten. Er versprach, sich beim ägyptischen Staatschef, mit dem er ebenfalls zusammentreffen möchte, für die drei Journalisten von al-Jazeera einzusetzen, die wegen angeblicher Verschwörung mit der Moslembruderschaft zu sieben Jahren Haft verurteilt worden sind. Zugleich pries er Sisi in höchsten Tönen, den er für seine Pläne zu gewinnen hofft, mittels des Boxkampfs das angeschlagene Vertrauen in die Tourismusindustrie des Landes wiederherzustellen, die in den letzten zwölf Monaten gravierende Einbußen hinnehmen mußte.

Für den Präsidenten hat King sogar eigens ein Gedicht geschrieben:

Egypt, Egypt hear my cry,
V-I-C-T-O-R-Y,
Victory for peace is our quest,
To lead us to that goal at the people's request,
El Fattah el-Sisi is the best,
Yay Sisi, may the blessings of Allah
Guide you in this mission.

Den versammelten Zuhörerinnen und Zuhörern schien es zu gefallen, was vielleicht weniger dem Inhalt, als vielmehr Kings theatralischem Auftritt geschuldet war. Wo immer dieser in Kairo auftauchte, sorgte er für einen Auflauf, und bei seinem Ausflug zu den Pyramiden riefen die Einheimischen: "Das ist Muhammad Ali!" Vor 50 Jahren reiste Ali nach Ägypten, kurz nachdem er zum Islam konvertiert war. Er war über Nacht zu einem Schurken im eigenen Land geworden, doch zu einem Helden an vielen anderen Schauplätzen. Die Bilder seines Besuchs der Kairoer Al-Hussein-Moschee, in der er mit anderen Gläubigen betete, gingen im Juni 1964 um die Welt.

Don King dürfte diese Verwechslung nicht ungelegen gekommen sein, umkränzt sie ihn doch mit einem Glorienschein, der zu seinem Kerngeschäft gehört. Er ist kein Moslem, sorgt aber dafür, als willkommener Gast wahrgenommen zu werden. "Ana Masry! Ana Masry!" (Ich bin ein Ägypter!), skandierte er allenthalben, plauderte endlos mit Passanten und feilschte begeistert mit jungen Straßenhändlern. Der Tourismusminister sicherte ihm seine volle Unterstützung bei dem Versuch zu, dem Präsidenten die Idee vorzutragen, den Boxkampf ins Land zu holen und damit den Fremdenverkehr zu fördern. [2]

Damit nicht genug, zauberte King eine weitere Überraschung aus dem Ärmel: Stiverne werde zuerst Wilder besiegen und dann gegen Mike Tyson antreten. Warum denn nicht? George Foreman sei mit 47 Jahren in den Ring zurückgekehrt, und Mike könne das auch. Diese Ankündigung löste allen Ernstes eine Diskussion in der Fachpresse darüber aus, daß Foreman viel größer als Tyson sei und dieser Stiverne in der ersten Runde ausschalten müsse, da seine Kondition nicht lange reichen werde.

Der 35jährige Bermane Stiverne hat bekanntlich vor zwei Monaten in Los Angeles Chris Arreola auch bei ihrer Revanche vorzeitig besiegt und damit die Nachfolge Vitali Klitschkos angetreten, der heute als Schatten Präsident Poroschenkos den Bürgermeister von Kiew abgeben darf. Stiverne, der auf Haiti geboren wurde, kanadischer Staatsbürger ist und seit zehn Jahren in Las Vegas lebt, hat nicht nur diverse lebensgeschichtliche Hürden genommen, sondern auch seinem Promoter eine Rettungsleine zugeworfen, an der sich Don King schnurstracks ins Rampenlicht ziehen konnte.

Deontay Wilder ist von riesenhafter Gestalt, hat bei den Olympischen Spielen in Beijing 2008 eine Bronzemedaille gewonnen und im Profilager als "Bronze Bomber" sämtliche 31 Gegner in maximal fünf Runden besiegt. Der Amerikaner ist Pflichtherausforderer des WBC und die größte Hoffnung der USA, endlich wieder einen Weltmeister im Schwergewicht zu stellen. Da sich Stiverne an der Hand verletzt hat, wurde ihr zunächst im Frühherbst geplanter Kampf auf November verschoben. [3]

Das Vorhaben, diese beiden Boxer in Ägypten auftreten zu lassen, ruft Zweifel auf den Plan. Mit Muhammad Alis Popularität, der seinerzeit die Massen weltweit faszinierte, können sich Stiverne und Wilder nicht messen. In der ägyptischen Öffentlichkeit dürften sie weithin unbekannt sein, zumal die Menschen dort wirklich andere Sorgen haben. Vielleicht fänden einige Fans aus den USA das Panorama der Pyramiden großartig, doch wäre ein Flug ins Spannungsgebiet für sie und das Personal der Medien nicht gerade eine Urlaubsreise.

Im Grunde genommen spricht also vieles dagegen, daß diese Blütenträume tatsächlich Früchte hervorbringen - wäre da nicht Don King, der zeitlebens das Blaue vom Himmel herunter versprochen hat, aber eben auch Sterne am Firmament aufgehen ließ. Mit beispielloser Chuzpe bewirbt er nun den "King of the Nile" und hält den diplomatischen Dienst seines Landes auf Trab, was für sich genommen schon unterhaltsam genug ist. Sollte es ihm womöglich sogar gelingen, zugunsten der inhaftierten Journalisten zu intervenieren, wäre dies ein Erfolg, der das Boxspektakel unter den Pyramiden in den Hintergrund treten ließe, gleich, ob es stattfindet oder eine Fata Morgana bleibt.


Fußnoten:

[1] http://www.theguardian.com/sport/2014/jul/22/don-king-bermane-stiverne-king-of-the-nile

[2] http://www.theguardian.com/sport/blog/2014/jul/23/don-king-muhammad-ali-cairo-heavyweight-title-fight

[3] http://www.boxingnews24.com/2014/07/stivernes-promoter-wants-wilder-fight-in-egypt/#more-179375

24. Juli 2014