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MELDUNG/1473: Wenn die Vorschußlorbeeren welken ... (SB)




Frankie Gavin scheitert an Europameister Leonard Bundu

In 19 Profikämpfen ungeschlagen, wurde der britische Weltergewichtler Frankie Gavin nicht nur von seinem Promoter Frank Warren, sondern auch einer wohlwollenden Berichterstattung als künftiger Weltmeister gehandelt. Ein Sieg über den bereits 39 Jahre alten Europameister Leonard Bundu aus Italien war als Zwischenetappe eingeplant, der weitere Titel folgen sollten. Als jedoch in der Civic Hall von Wolverhampton nach zwölf unterhaltsamen Runden das Urteil verkündet wurde, sah Gavin rot: Während ein Punktrichter 115:112 zu seinen Gunsten gewertet hatte, favorisierten die anderen beiden den Titelverteidiger mit jeweils 114:113. Der unterlegene Herausforderer hatte nicht einmal die Größe, das Ende der Urteilsverkündung abzuwarten oder gar seinem Gegner zu gratulieren, sondern stürmte erbost aus dem Ring, als habe ihn ein empörendes Fehlurteil um den verdienten Sieg gebracht. Bundu schüttelte angesichts dieses Verhaltens nur den Kopf, als fühle er sich in seiner Einschätzung Gavins bestätigt. [1]

Leonard Bundu legte von Beginn an ein erstaunliches Tempo an den Tag, war sehr beweglich auf den Beinen und wechselte immer wieder die Auslage. Auf diese Weise setzte er den neun Jahre jüngeren Herausforderer aus Manchester fast durchgängig unter Druck, der sich in den ersten fünf Runden von der Ringmitte aus mit seinem Jab recht gut behauptete. Drängte ihn der Europameister in die Seile, drehte er sich heraus und plazierte seine Konter.

In der sechsten Runde kam der Titelverteidiger mit einem nicht allzu wuchtigen, aber präzisen Körpertreffer unterhalb des Brustkorbs durch, der Gavin auf die Bretter schickte. Auf dem Boden spuckte er seinen Mundschutz aus, um sich Zeit zu verschaffen, und kam bei sieben wieder auf die Beine. Der Ringrichter ging mit ihm in seine Ecke, wo der Mundschutz gesäubert und wieder eingesetzt wurde. Nach dieser Unterbrechung setzte der Italiener sein Werk fort und bearbeitete Gavin mit weiteren Schlägen zu Kopf und Körper, unter denen sich der Brite in der Ecke zusammenkrümmte und gerade noch die verbliebenen Sekunden bis zur Pause überstand.

In den folgenden drei Runden setzte sich dieses Bild fort, denn der Herausforderer war nun mehr oder weniger auf der Flucht, klammerte häufig und schob den Europameister weg. Bundu setzte ihm jedoch unablässig nach und verpaßte ihm diverse Treffer, wann immer er ihn stellen konnte. Gavin schlug zwar etliche Jabs und setzte auch seine linke Schlaghand ein, doch wirkte das harmlos, da er ständig im Rückwärtsgang boxte. Im siebten Durchgang trug er eine Rißwunde davon, die deutlich zeigte, wer von beiden der gefährlichere Boxer war. Der Italiener wurde noch immer nicht müde, und so wogte das Kampfgeschehen bis zum Ende hin und her, ohne daß der Brite jemals die Oberhand gewonnen hätte.

Leonard Bundu, der überlegener geboxt hatte, als es in der knappen Wertung zum Ausdruck kam, blieb weiter ungeschlagen und verbesserte seine Bilanz auf 31 Siege und zwei Unentschieden. Wie der Italiener im anschließenden Interview anmerkte, habe er Gavin bei dem Schlag zum Körper, der den Niederschlag herbeiführte, nur leicht getroffen. Der Brite boxe nach wie vor mit einem Amateurstil und sei wohl noch nicht richtig im Profilager angekommen. Sofern die Börse stimme, sei er gern zu einer Revanche bereit, so der Europameister.

Promoter Frank Warren zeigte sich in einer ersten Reaktion nicht minder uneinsichtig wie sein erstmals geschlagener Boxer und erklärte, Gavin habe seines Erachtens gewonnen. Einen Rückkampf wolle er nicht ganz ausschließen. Ob das eine gute Idee wäre, darf jedoch bezweifelt werden. Bundu lag mit seiner Einschätzung, daß Frankie Gavin wie ein Amateur boxe, sicher nicht ganz falsch. Der Brite schlägt für gewöhnlich schnell und häufig, bewegt sich gut und hat auch schon etliche schwache Gegner vorzeitig besiegt. Trifft er jedoch auf einen Boxer wie den Europameister, der ihn ständig unter Druck setzt, fehlen ihm offenbar sowohl die boxerischen Mittel als auch die Nehmerqualitäten, um sich dagegen zu behaupten. Das würde auch im Falle einer Revanche kaum anders aussehen, was natürlich die Frage aufwirft, ob am Ende selbst der Titel des Europameisters bereits eine Nummer zu groß für den Briten ist.

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Lucas Browne schleppt sich zum Punktsieg über Andrij Rudenko

Im Vorprogramm der Veranstaltung in Wolverhampton stieg der australische Schwergewichtler Lucas Browne in den Ring. Er gehört zu der in jüngerer Zeit weit verbreiteten Sorte imposanter Gestalten, die kleinere Gegner mit brachialen Mittel vermöbeln und nebenbei auch noch versuchen, sich boxerische Qualitäten zuzulegen, bevor sie an den Falschen geraten. In 21 Profikämpfen ungeschlagen, wird Browne in der WBC-Rangliste inzwischen an Nummer acht geführt und hat nun den vakanten interkontinentalen Titel der WBA gewonnen.

Dazu mußte er den bis dato ebenfalls unbesiegten Andrij Rudenko in die Schranken weisen, was ihm auch mit einem einstimmigen Punktsieg gelang (117:112, 116:112, 115:113). Sonderlich beeindruckend war dieser Auftritt aber nicht, da der Australier fast durchgängig langsam und müde wirkte. Auch Rudenko bewegte sich träge und ließ überdies keine nennenswerte Schlagwirkung erkennen, doch gelang es Browne irgendwie, diesen Gegner phasenweise sogar gut aussehen und sich von ihm treffen zu lassen. [2]

Will der Australier tatsächlich eines Tages Weltmeister werden oder auch nur in die Nähe eines Titelkampfs kommen, muß er sich gewaltig verbessern. Als nächstes möchte er sich Tyson Fury vornehmen, der dieser Aussicht aber vermutlich kaum etwas abgewinnen kann. Sein Kampf gegen Dereck Chisora wurde abgesagt, soll aber nachgeholt werden. Eine günstigere Möglichkeit, Pflichtherausforderer Wladimir Klitschkos beim Verband WBO zu werden, wird sich Fury so schnell nicht wieder bieten. Deshalb ist anzunehmen, daß er allen gegenteiligen Geredes zum Trotz darauf warten und nichts anderes unternehmen wird.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2014/08/bundu-defeats-gavin-browne-decisions-rudenko/#more-179796

[2] http://www.boxingnews24.com/2014/08/bundu-beats-gavin-retains-european-title/#more-179797

3. August 2014