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MELDUNG/1482: Britische Dauerfehde geht in die nächste Runde (SB)




Tyson Fury gegen Dereck Chisora für November neu angesetzt

Der Ausscheidungskampf der WBO zwischen den beiden britischen Schwergewichtlern Tyson Fury und Dereck Chisora, dessen Sieger nächster Pflichtherausforderer Wladimir Klitschkos bei diesem Verband werden soll, ist für den 22. November in London neu angesetzt worden. Auf dem Spiel stehen zudem der Titel des Britischen Meisters sowie des Europameisters, die Chisora hält. Während Fury in 22 Kämpfen ungeschlagen ist, stehen für seinen Gegner 20 gewonnene und vier verlorene Auftritte zu Buche. Das Duell sollte ursprünglich bereits am 26. Juli über die Bühne gehen, mußte aber wegen einer Verletzung Chisoras abgesagt werden, der sich während der Vorbereitung den Daumen gebrochen hatte.

Tyson Fury setzte daraufhin den Vorwurf in die Welt, Chisora täusche die Verletzung nur vor, da er kalte Füße bekommen habe. Der Londoner sei damit für ihn gestorben, da er sich mit diesem Hindernis nicht länger abgeben wolle, so Fury. Er denke gar nicht daran, noch länger auf diesen Kampf zu warten, sondern werde sich neue Gegner suchen und auf der Karriereleiter weiter emporsteigen. Die Erregung war insofern verständlich, als David Haye im vergangenen Jahr einen vereinbarten Kampf gegen Fury zweimal verletzungsbedingt abgesagt hatte und sich dieser nun schon zum dritten Mal mit einem solchen Mißgeschick konfrontiert sah. Andererseits nahm er in seiner Empörung keine Notiz davon, daß er einen Vertrag mit Chisora unterschrieben hatte, der nach wie vor bindend war.

Um die geplante Veranstaltung zu retten, wählte Tyson Fury kurzentschlossen Alexander Ustinow als Ersatzgegner aus, der zuvor als Sparringspartner Dereck Chisoras fungiert hatte. Das war eine riskante Entscheidung, da der imposante Weißrusse fast ebenso groß wie der riesige Brite, aber mit rund 136 Kilo noch wesentlich schwerer ist. Überdies schien Ustinow im Gegensatz zu früheren Auftritten diesmal in hervorragender körperlicher Verfassung zu sein, so daß sich die Stimmen mehrten, die in ihm den Favoriten in diesem Duell sahen. Am Kampftag sagte Fury ab, wobei er zur Begründung eine akute Erkrankung seines Onkels anführte, die seinen Auftritt verhindere. [1]

Nach den nicht selten unflätigen Beschimpfungen David Hayes und Dereck Chisoras als Feiglinge und Drückeberger war nun Tyson Fury selbst an der Reihe, mit entsprechendem Argwohn konfrontiert zu werden, er habe Angst vor Ustinow bekommen. Zwar ist auch in seinem Fall überprüfbar, daß sein Onkel tatsächlich ins Krankenhaus eingeliefert werden mußte, doch hatte er ja zuvor seinerseits die Operation David Hayes ebenso ignoriert wie Chisoras Angaben.

Dereck Chisoras Promoter Frank Warren sprach von einer Achterbahnfahrt in den letzten Wochen, da einfach mehrere unglückliche Umstände wie die Verletzung seines Schützlings und der kritische Zustand von Furys Onkel zusammengekommen seien. Trotz dieser Rückschläge seien beide Boxer entschlossen, gegeneinander anzutreten, und so werde man am 22. November in London eine klassische Ringschlacht alten Stils erleben.

Auch Chisora äußerte sich sachlich und moderat, indem er erklärte, die Hauptsache sei der nun vereinbarte Nachholtermin. Man könne sich darauf vorbereiten und den Fans endlich jenen Kampf bieten, den sie sehen wollten. Was zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt mit seiner Hand passiert war, sei nun einmal nicht zu ändern. Überdies seien Fury auch noch persönliche Probleme in die Quere gekommen. Jetzt wünsche er sich, Revanche an Fury zu nehmen, ihn überzeugend zu besiegen und danach gegen Klitschko um den Titel zu kämpfen.

Anders Fury, der wie so oft vom Leder zog und Chisora doppelt so schlimme Prügel androhte, als dieser ohnehin bezogen hätte. Dieser Gegner sei für ihn nichts weiter als eine Sperre, die er glatt durchbrechen werde, um seinen Weg in Richtung Titel weiterzugehen. Chisora habe ihm übel mitgespielt und werde dafür bezahlen. Er freue sich für die Fans, die zu sehen bekämen, wie er diesen Boxer zum zweiten Mal und diesmal endgültig vernichten und aufs Altenteil schicken werde.

Warum Chisora selbst im Falle einer Niederlage erledigt und aus dem Rennen sein soll, bleibt Furys Geheimnis. Sein Erzrivale hat gegen namhafte Kontrahenten wie Vitali Klitschko, David Haye und Robert Helenius verloren, dabei jedoch ein Vermögen gemacht und sich immer wieder ins Gespräch und Geschäft gebracht. Im Unterschied dazu hat Fury zwar eine wesentlich bessere Bilanz vorzuweisen, bislang aber keinen bedeutenden Kampf bestritten, geschweige denn sehr viel Geld verdient. Das mag den Ingrimm erklären, mit dem er bei jeder sich bietenden Gelegenheit über seinen Erzrivalen herzieht. [2]

Auf den ersten Blick handelt es sich lediglich um einen Durchschnittskampf. Chisora ist zwar Europameister, hat aber jedesmal verloren, wenn er an die Spitze vorstoßen wollte. Fury wurde im vergangenen Jahr bei seinem Debüt in den USA von dem ehemaligen Cruisergewichtler Steve Cunningham, der ihm körperlich weit unterlegen war, zwischenzeitlich sogar auf die Bretter geschickt. Der 2,06 m große Brite scheint weder über ausgeprägte Nehmerqualitäten, noch über eine außergewöhnliche Schlagwirkung zu verfügen, so daß er Gegnern wie Alexander Ustinow, Alexander Powetkin, Carlos Takam und Deontay Wilder schwerlich gewachsen wäre, von Wladimir Klitschko ganz zu schweigen.

Was den Kampf dennoch für die heimischen Fans reizvoll macht, ist die über Jahre kultivierte Großspurigkeit der britischen Schwergewichtler wie auch ihre Rivalität untereinander. David Haye hat es vorgemacht, wie man durch ständige Provokationen und aufreizende Tiraden eine Fehde mit den Klitschkos inszeniert und einen hochdotierten Titelkampf herbeiredet. Dereck Chisora schlug bei seiner Niederlage gegen Vitali Klitschko über die Stränge und keilte sich anschließend mit Haye, womit die beiden einen ebenfalls lukrativen Kampf gegeneinander auf den Weg brachten. Haye gegen Fury sollte das nächste Kapitel abgeben, fiel aber bekanntlich ins Wasser. Nun also Fury gegen Chisora, wobei das Niveau im Ring wie außerhalb desselben unübersehbare Abnutzungserscheinungen der sattsam bekannten Schiene erkennen läßt.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2014/08/fury-chisora-is-going-to-get-a-beating-twice-as-bad-for-pulling-out-last-time/#more-180177

[2] http://www.boxingnews24.com/2014/08/chisora-vs-fury-rescheduled-for-november-22nd-at-excel-in-london-uk/

12. August 2014