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Sergio Martinez sollte seinen Abschied nehmen

In wenigen Tagen soll die Entscheidung fallen, ob Sergio Martinez die Boxhandschuhe endgültig an den Nagel hängt. Der frühere Weltmeister der Verbände WBO und WBC im Mittelgewicht will durch eine ausgiebige ärztliche Untersuchung klären lassen, wie gravierend die Folgen diverser Verletzungen sind, die er sich in den zurückliegenden Jahren zugezogen hat. In seinem letzten Kampf steckte der Argentinier im New Yorker Madison Square Garden eine verheerende Niederlage gegen Miguel Cotto ein, der ihn bereits in der ersten Runde dreimal und dann noch einmal im neunten Durchgang auf die Bretter schickte, worauf Martinez die Segel streichen mußte.

Da der Puertoricaner noch nie im Mittelgewicht gekämpft hatte und Martinez trotz seiner langen Verletzungspause nach wie vor als bester Akteur seiner Gewichtsklasse angesehen wurde, galt der Titelverteidiger als Favorit. Cotto bot vor seiner riesigen New Yorker Fangemeinde jedoch eine überzeugende Leistung und überstürzte nach den frühen Niederschlägen nichts, sondern boxte druckvoll und klug weiter, bis ihm sein Gegner nichts mehr entgegenzusetzen hatte.

Sergio Martinez, der sich in der Vergangenheit durch eine enorme Beweglichkeit ausgezeichnet hatte, war allerdings nur noch ein Schatten früherer Tage. Nach zwei Knieverletzungen hielten seine Beine der Belastung kaum noch stand, so daß er ungewöhnlich statisch agierte und Cotto ein leichtes Ziel bot. Der Argentinier hielt unter diesen Umständen erstaunlich lange durch, war dem Herausforderer jedoch auf ganzer Linie unterlegen. Zwar hat Martinez nach dieser Niederlage den Wunsch zum Ausdruck gebracht, seine Karriere fortzusetzen, doch wäre er wohl gut beraten, unabhängig vom Ausgang der Untersuchung seinen Abschied zu nehmen, zumal er bereits 39 Jahre alt ist. [1]

Er begann erst als 20jähriger zu boxen und bestritt 41 Amateurkämpfe, in denen er sich nur ein einziges Mal geschlagen geben mußte. 1997 wechselte er ins Profilager und gewann dort 17 Kämpfe, bis er am 19. Februar 2000 dem Mexikaner Antonio Margarito unterlag. Anschließend folgte eine erneute Siegesserie von 29 gewonnenen Auftritten, die ihn am 21. Juni 2003 zu seinem ersten bedeutenden Titel führte, als er Richard Williams den Gürtel des kleinen Verbands IBO im Halbmittelgewicht abnahm. 2010 entthronte Martinez mit Kelly Pavlik den bis dahin weltbesten Mittelgewichtler und wurde Champion der Verbände WBC und WBO. Seither stufte man ihn als herausragenden Boxer dieser Gewichtsklasse ein, und er unterstrich diese Einschätzung mit Siegen gegen Herausforderer wie Paul Williams, die Briten Matthew Macklin und Darren Barker sowie Julio Cesar Chavez jun., wobei er dem Mexikaner dessen erste Niederlage beibrachte und sich den zwischenzeitlich aberkannten WBC-Titel zurückholte.

Der Verband WBC zeichnete Martinez 2009 als "Boxer des Jahres" aus, und diese Ehrung wurde ihm 2010 auch seitens des Ring Magazines und der Boxing Writers Association of America zuteil. Wie populär Sergio Martinez in seiner Heimat ist, läßt sich daran ablesen, daß er 2012 überraschend vor dem Fußballspieler Lionel Messi die Wahl zu Argentiniens "Sportler des Jahres" für sich entscheiden konnte.

Rückblickend betrachtet war das Duell mit Chavez der letzte Kampf, in dem Martinez auf der Höhe seines Könnens agierte. Er mußte alles geben und zog sich dabei mehrere Verletzungen zu, die ihn in der Folge beeinträchtigten und verhinderten, daß er je wieder in bester körperlicher Verfassung antreten konnte. Wäre der Argentinier gesund, hätte er Miguel Cotto vermutlich eine Lektion erteilt und die gesamte Konkurrenz das Fürchten gelehrt. Er galt zwar als auskuriert, kehrte aber nach einjähriger Abwesenheit als ein Boxer mit gravierenden Verschleißfolgen in den Ring zurück, die sich offenbar weder beheben noch kompensieren lassen.

Martinez sollte es sich nicht antun, gegen Kontrahenten zu verlieren, die er früher klar dominiert hätte, und so seinen Ruf zu beschädigen. Er wird in die Annalen des Sports als ein überragender Boxer eingehen, den selbst Floyd Mayweather tunlichst gemieden hat. Gennadi Golowkin, der inzwischen die Vorherrschaft im Mittelgewicht übernommen hat, wird keine Gelegenheit mehr bekommen, sich mit seinem Vorgänger zu messen. Früher wäre dies ein spektakuläres Duell gewesen, doch heute müßte der Argentinier dabei das Schlachtopfer abgeben.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2014/09/sergio-martinez-to-meet-doctor-next-tuesday-for-tests-on-his-injuries/#more-181469

9. September 2014