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MELDUNG/1608: Der Goliath kennt seinen David (SB)




Eddie Chambers will es mit Alexander Ustinow aufnehmen

Eddie Chambers ist 1,85 m groß und 89 kg schwer. Alexander Ustinow mißt 2,02 m und bringt mindestens 136 kg auf die Waage. Dennoch traut sich der 32jährige US-Amerikaner zu, den sechs Jahre älteren Weißrussen am 28. Februar in der Londoner 02 Arena zu besiegen, wo die beiden im Vorprogramm des Kampfs zwischen Tyson Fury und Christian Hammer aufeinandertreffen sollen. Wie Ustinows Bilanz von 30 Siegen und einer Niederlage belegt, ist er keinesfalls ein plumper Riese, der außer seiner imposanten Statur wenig in den Boxring mitbrächte. "Fast Eddie" Chambers müßte schon seinem Beinamen mehr denn je alle Ehre machen, um seinen 40 gewonnenen und vier verlorenen Auftritten einen weiteren Erfolg hinzuzufügen.

Chambers war seinen Gegnern im Schwergewicht zumeist an Gewicht und Größe klar unterlegen, doch kompensierte er diesen Nachteil durch eine exzellente Technik und große Beweglichkeit. Diese Qualitäten erlaubten es ihm, so namhafte Gegner wie Alexander Dimitrenko, Samuel Peter und Calvin Brock zu besiegen, bis er im März 2010 in Wladimir Klitschko seinen Meister fand, der ihn eindeutig in die Schranken wies. Bei seinem zweiten Anlauf auf einen Titel mußte der US-Amerikaner geplante Kämpfe gegen Tony Thompson und Sergei Liachowitsch wegen Trainingsverletzungen absagen. So entging ihm die Chance, sich in einem vorgesehenen Ausscheidungskampf mit Thompson womöglich das Vorrecht zu sichern, ein zweites Mal gegen Klitschko anzutreten.

Am 16. Juni 2012 traf Chambers in New Jersey auf Tomasz Adamek und machte dabei vier Runden lang die bessere Figur, bis ihn eine Verletzung am linken Arm einschränkte. Obgleich er unter starken Schmerzen litt, hielt er den elf Kilo schwereren Polen mit seinem gesunden Arm erstaunlich gut auf Distanz. Am Ende sahen viele Beobachter den agilen US-Amerikaner knapp in Front, doch verhalfen die Punktrichter Adamek in dessen Wahlheimat zu einem klaren Punktsieg.

Anfang November 2012 gab Chambers bekannt, daß er im Schwergewicht keine Zukunft mehr sehe und deshalb sein Glück im Cruisergewicht versuchen wolle. Dort könne er sein Ziel, für das er seine gesamte Karriere gearbeitet habe, endlich erreichen und sich bald den Gürtel des Weltmeister umlegen. Sein Plan, sofort WBA-Champion Denis Lebedew herausfordern, zerschlug sich jedoch. So traf er im August 2013 bei seinem Debüt im niedrigeren Limit auf Thabiso Mchunu, dem er an Erfahrung weit überlegen war. Der Südafrikaner erwies sich jedoch als zu wendig für den nun gar nicht mehr so schnell wirkenden Eddie Chambers, der dabei den kürzeren zog. Nach diesem Rückschlag kehrte der US-Amerikaner ins angestammte Schwergewicht zurück und besiegte dort nacheinander fünf drittklassige Kontrahenten. Da er schon lange keinen hochklassigen Gegner mehr vor den Fäusten gehabt hat, kann man sich schwer vorstellen, wie er es mit Ustinow aufnehmen sollte.

Alexander Ustinow bezog 2012 seine einzige Niederlage gegen Kubrat Pulew, der zu den besten Schwergewichtlern nach Wladimir Klitschko gehört. Danach setzte er sich klar gegen Chauncy Welliver, David Tua und Ivica Perkovic durch, wobei er alle drei Auftritte in einer ausgezeichneten körperlichen Verfassung bestritt. Hatte Pulew noch davon profitiert, daß der Weißrusse von der eigenen Physis gebremst wurde, so nimmt Ustinow inzwischen auch diesen Aspekt sehr ernst.

Das könnte auch der eigentliche Grund gewesen sein, der Tyson Fury im allerletzten Augenblick davor zurückschrecken ließ, mit diesem Gegner in den Ring zu steigen. Ein Ausscheidungskampf der WBO zwischen den beiden britischen Schwergewichtlern Tyson Fury und Dereck Chisora, dessen Sieger nächster Pflichtherausforderer Wladimir Klitschkos bei diesem Verband werden sollte, war ursprünglich für den 26. Juli 2014 anberaumt. Nachdem sich Chisora während der Vorbereitung den Daumen gebrochen hatte, wurde das Duell auf den 22. November verlegt. Um die geplante Veranstaltung zu retten, wählte Fury kurzentschlossen Alexander Ustinow als Ersatzgegner aus, der zuvor als Sparringspartner Chisoras fungiert hatte.

Das war eine riskante Entscheidung, da der imposante Weißrusse fast ebenso groß wie der 2,06 m messende Brite, aber noch wesentlich schwerer als dieser ist. Und weil Ustinow in Bestform zu sein schien, mehrten sich Stimmen, die in ihm den Favoriten in diesem Duell sahen. Am Kampftag sagte Fury ab, wobei er zur Begründung eine akute Erkrankung seines Onkels anführte, die seinen Auftritt verhindere. Wenngleich sein Verwandter tatsächlich ins Krankenhaus eingeliefert werden mußte, schaffte das die Mutmaßung nicht aus der Welt, Fury habe diese willkommene Gelegenheit zum Anlaß eines Rückziehers genommen.

Hinzu kam, daß nicht einmal der Versuch unternommen wurde, den abgesagten Kampf zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen. Wenngleich das geplante Duell zwischen Ustinow und Chambers daher im Vorprogramm stattfinden soll, könnte man es doch als den eigentlichen Höhepunkt der Veranstaltung bezeichnen. Der Weißrusse ist stärker als der Brite einzuschätzen, und Christian Hammer dürfte ein erheblich leichterer Gegner als Eddie Chambers sein. [1]


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/01/eddie-chambers-vs-alexander-ustinov-possible-for-february-28th-at-o2-arena-london-uk/#more-186572

15. Januar 2015


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