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Al Haymon schließt einen Vertrag mit dem Sender NBC

Al Haymon, der ursprünglich aus der Musikbranche kommt, betätigt sich seit einigen Jahren höchst erfolgreich im Boxgeschäft, in dem er inzwischen als Berater und Manager von rund 150 zumeist prominenten Akteuren zur einflußreichsten Persönlichkeit der Branche aufgestiegen ist. Da er nie als Promoter in Erscheinung trat und sich bislang stets im Hintergrund hielt, sieht man in ihm eine Art graue Eminenz, die erfolgreiche Karrieren schmiedet und bedeutende Kämpfe auf den Weg bringt. Allen voran Floyd Mayweather, aber auch Amir Khan, Danny Garcia, Deontay Wilder, Adonis Stevenson, Marcos Maidana, Adrien Broner, Lucas Matthysse, Leo Santa Cruz, Shawn Porter, Peter Quillin, Keith Thurman, Robert Guerrero, Lamont Peterson und Andre Dirrell - um nur die bekanntesten Namen aus einer langen Liste zu nennen -, stehen bei ihm unter Vertrag.

Haymon zieht die Fäden und sorgt dafür, daß die von ihm vertretenen Boxer ansehnliche Börsen einstreichen und dabei Kämpfe bekommen, in denen sie gute Erfolgsaussichten haben. Dabei gibt er sich unprätentiös und nimmt dem Vernehmen nach nicht wie Promoter seinen Boxern von Anfang an 30 Prozent oder mehr der Börse ab, sondern ist erst ab hohen sechsstelligen Summen am Verdienst beteiligt. Das hört sich geradezu sozial an und scheint den Sportlern die Chance einzuräumen, zunächst ein solides Einkommen zu erwirtschaften. Berücksichtigt man jedoch, daß Haymon weniger Aufbauarbeit leistet, als vielmehr die mehr oder minder einkommensstarke Elite abschöpft, betreibt er sein System durchaus im Sinne einer Maximierung des Profits und vor allem der Expansion seines Zugriffs.

Inzwischen hat das Rätselraten ein Ende, wann und wie Al Haymon den Schritt aus dem Schatten ins Rampenlicht tun würde. Er hat mit dem Mediengiganten NBC einen Vertrag geschlossen, der unter dem Titel "Premier Boxing Champions" die Live-Übertragung von 20 Veranstaltungen allein im ersten Jahr garantiert. Auch dabei bahnt Haymon insofern neue Wege, als er auf kostenlose Fernsehübertragungen setzt, die landesweit ein breites Publikum erreichen. Während die beiden führenden Sender im Bezahlfernsehen, HBO und Showtime, Lizenzen an ihn zahlen, entrichtet er nach Angaben des ESPN-Kolumnisten Dan Rafael pro Jahr 20 Millionen Dollar an NBC.

Was auf den ersten Blick wie ein Verlustgeschäft für Al Haymon anmuten mag, setzt langfristig auf eine Wende zu seinen Gunsten. Während beim Pay-TV eine Million Zuschauer als ausgezeichnetes Ergebnis gelten, das selten übertroffen wird, sind bei NBC Einschaltquoten im zwei- und sogar dreistelligen Millionenbereich möglich. Mit dieser Strategie, wie die anderen großen US-Sportarten Football, Basketball, Baseball und Eishockey regelmäßig im Free-TV präsent zu sein, könnte das Nischendasein des Boxens in den USA überwunden werden. Haymon dürfte neben finanzstarken Investoren auch Sponsoren an der Hand haben, die ihm helfen, seine Kosten zu refinanzieren. Gelingt es ihm, seine Boxer landesweit bekannt zu machen, würde sich das später wiederum in Gestalt höherer Quoten des Bezahlfernsehens rentieren. [1]

Da Haymon selbst nicht als Promoter tätig ist, werden seine Veranstaltungen von Partnern und etablierten Unternehmen wie DiBella Entertainment, Goossen Promotions und Warriors Boxing organisiert. Bis vor kurzem standen diverse Akteure Haymons bei Golden Boy unter Vertrag, was sich jedoch im Zuge des nun beendeten Rechtsstreits mit Oscar de la Hoya bis auf wenige Ausnahmen geändert hat. Eine Handvoll Boxer hat noch laufende Verträge bei dem Promoter aus Los Angeles zu erfüllen, doch alle anderen sind im Zuge eines eines tiefgreifenden Aderlasses abgewandert. Allerdings schließt Haymon nach Angaben aus Unternehmenskreisen nicht aus, künftig mit Golden Boy und anderen Promotern zusammenzuarbeiten, sofern man den Fans auf diese Weise hervorragende Kämpfe präsentieren könne.

Den Auftakt der Zusammenarbeit mit NBC macht eine Show am 7. März im MGM Grand in Las Vegas, bei der unter anderem Keith Thurman auf Robert Guerrero trifft und Adrien Broner mit John Molina in den Ring steigt. Bei einer weiteren für den 11. April geplanten Veranstaltung kommt es zu einer Titelvereinigung im Halbweltergewicht zwischen Danny Garcia (WBA/WBC) und Lamont Peterson (IBF). Als Kommentator bei den Vorberichten, den Veranstaltungen selbst und der Nachlese konnte neben Al Michael der legendäre Sugar Ray Leonard gewonnen werden. [2]

Da Haymons Boxer nicht exklusiv bei NBC unter Vertrag stehen, können sie auch bei Showtime mit Gegnern in den Ring steigen, die nicht mit dem einflußreichen Berater assoziiert sind. Ob damit lange verhinderte Kämpfe endlich realisiert werden können und ein goldenes Jahr 2015 für den Boxsport anbricht, wie einige Kommentatoren hoffnungsvoll mutmaßen, oder Al Haymon doch nicht der langersehnte Reformator ist, der die Spaltung und Stagnation der Branche überwindet, sollte zumindest als offene Frage behandelt werden. Die Durchsetzung eines solchen Monopols dient den Interessen des Monopolisten, mit denen das in Aussicht gestellte Wohlergehen aller Akteure der Branche schwerlich in Einklang zu bringen ist, nährt es sich doch daraus, diese erfolgreich niederzukonkurrieren.


Fußnoten:

[1] http://www.boxen-heute.de/artikel/6696-revolution-im-us-boxenal-haymon-schliesst-vertrag-mit-nbc.html

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/01/haymon-boxing-details-on-nbcnbc-sports/#more-186726

17. Januar 2015


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