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MELDUNG/1626: Britische Ambitionen zwischen Hoffen und Bangen (SB)




Froch gibt den IBF-Gürtel zurück - DeGale kämpft um den Titel

Der britische Supermittelgewichtler Carl Froch hat den Titel der IBF niedergelegt, da er ihn nicht gegen den Pflichtherausforderer James DeGale verteidigen will. Damit macht er seinem jüngeren Landsmann den Weg frei, voraussichtlich am 25. April in der Londoner O2 Arena gegen Andre Dirrell um den vakanten Titel zu kämpfen. Sein Promoter Eddie Hearn hofft, den US-Amerikaner, der an Nummer zwei der Rangliste folgt, mit einer hohen Börse auf die Insel locken zu können. Im Vorprogramm der Veranstaltung soll unter anderem der Schwergewichtler Anthony Joshua den aufgrund einer Verletzung verschobenen Kampf gegen Kevin Johnson nachholen, so daß für ein attraktives Angebot gesorgt wäre.

Froch verlieh seinem Bedauern darüber Ausdruck, daß er den geplanten Kampf mit seinem Wunschgegner Julio Cesar Chavez, über dessen Konditionen man sich bereits geeinigt habe, wegen einer Verletzung vorerst nicht austragen könne. DeGale sei ein großartiger junger Boxer, dem er im Falle eines Sieges über Dirrell womöglich später im Jahr gegenüberstehen werde. Letzteres ist jedoch höchst unwahrscheinlich, da Froch offensichtlich nicht geneigt ist, sich mit seinem Landsmann zu messen, der zudem gegen Andre Dirrell absehbar untergehen würde.

Da George Groves als Pflichtherausforderer beim Verband WBC wahrscheinlich auf den ungeschlagenen Weltmeister Anthony Dirrell trifft und mit Callum Smith, Billy Joe Saunders und Chris Eubank jun. weitere vielversprechende Akteure im Rennen sind, stehen dem britischen Boxen allein schon im Supermittelgewicht in diesem Jahr einige denkwürdige Kämpfe ins Haus. [1]

Dabei sind die Meinungen nach wie vor geteilt, ob Carl Froch gut beraten ist, seinen hart erarbeiteten IBF-Gürtel preiszugeben. Wie seine Fangemeinde geltend macht, habe er Lucian Bute, Mikkel Kessler und George Groves besiegt, so daß er sich mit Fug und Recht anspruchsvolleren Aufgaben zuwenden könne. Dem halten kritische Stimmen entgegen, daß er im Super-Six-Turnier Andre Dirrell nur mit Hilfe ihm gewogener Punktrichter geschlagen habe und gegen Andre Ward chancenlos gewesen sei. Die Lorbeeren, auf denen er sich derzeit ausruhe, seien daher reichlich dürr. Und da eine Revanche gegen Ward oder Dirrell für den Briten offenbar ebensowenig ein Thema sei, wie Gennadi Golowkin im Mittelgewicht, meide er offensichtlich die stärksten Gegner.

Laut seinem Promoter Eddie Hearn nehmen die Gespräche mit Chavez weiterhin ihren Lauf, so daß er guten Mutes sei, diesen Kampf im Sommer in Las Vegas über die Bühne zu bringen. Zudem sei er mit den Golden Boy Promotions in Kontakt, um den inzwischen 50 Jahre alten ehemaligen Weltmeister Bernard Hopkins nach Nottingham zu holen. Wenngleich der legendäre US-Amerikaner im November seine beide Titel im Halbschwergewicht an den Russen Sergej Kowaljow abtreten mußte, wäre er nach wie vor ein sehr attraktiver Gegner für Carl Froch. [2]

Für den 29jährigen James DeGale ist die Entscheidung der IBF, er müsse gegen Andre Dirrell um den vakanten Titel kämpfen, eine schlechte Nachricht. Damit hat sich vorerst die Hoffnung zerschlagen, er könne womöglich einen leichteren Kontrahenten vor die Fäuste bekommen und darüber Weltmeister werden. Hearn und DeGale dürften von einem für die britischen Fans spektakulären Duell mit George Groves geträumt haben, das noch einmal die Ränge eines großen Stadions gefüllt hätte wie der Kampf zwischen Groves und Froch im Londoner Wembley-Stadion, auch wenn die Zahl von 80.000 Zuschauern sicher nicht noch einmal erreicht worden wäre. Wenngleich Groves vor einigen Jahren knapp gegen James DeGale gewonnen hat, ist er seit der zweiten Niederlage gegen Carl Froch im Mai letzten Jahres nicht mehr der durchsetzungsfähige Draufgänger früherer Tage.

Ob es Hearn tatsächlich gelingt, Andre Dirrell nach London zu locken, ist ungewiß. Seit der umstrittenen Niederlage gegen Carl Froch verspürt der US-Amerikaner keine Neigung, sich noch einmal dem Heimvorteil eines britischen Gegners auszusetzen. Andererseits hat die IBF verfügt, daß die Börse zu gleichen Teilen an DeGale und Dirrell gehen müsse, weshalb sich ein Auftritt in England angesichts des enormen Publikumsinteresses sicher in finanzieller Hinsicht auszahlen würde. Und da Dirrell wesentlich stärker als der Brite einzuschätzen ist, kann man ihm ohne weiteres zutrauen, dieses Duell an jedem beliebigen Austragungsort klar zu seinen Gunsten zu entscheiden.

Sollte der US-Amerikaner jedoch diese Option ausschlagen, käme dies Hearn und DeGale um so mehr zupaß. Dann könnte man beispielsweise einen vergleichsweise unerfahrenen Gegner wie Callum Smith auswählen und sich den vakanten Titel höchstwahrscheinlich sichern. Um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, er schrecke vor Andre Dirrell zurück, versichert DeGale, er habe keinerlei Probleme damit, sich dem US-Amerikaner zu stellen, zumal dieser ebenfalls in der Rechtsauslage kämpfe. Wer wie er zu den besten Akteuren der Gewichtsklasse zähle, steige mit jedem Gegner in den Ring, trotzt der Brite zumindest verbal allen Anfechtungen. [3]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/02/froch-vacates-ibf-title/#more-187816

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/02/froch-chooses-to-give-up-ibf-strap-rather-than-face-degale/#more-187824

[3] http://www.boxingnews24.com/2015/02/hearn-hoping-to-bring-andre-dirrell-to-uk-for-degale-fight/#more-187823

4. Februar 2015


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