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MELDUNG/1643: Zaghafter Riese auf der Suche nach Selbstvertrauen (SB)



David Price zögert lange gegen Irineu Beato Costa Junior

Im Vorprogramm der erfolgreichen Titelverteidigung Arthur Abrahams gegen Paul Smith in der Berliner O2 World stieg auch der Schwergewichtler David Price in den Ring. Der 31jährige Brite traf auf einen drei Jahre älteren Brasilianer mit dem klangvollen Namen Irineu Beato Costa Junior, den Sauerland Event als nicht allzu gefährlichen Aufbaugegner verpflichtet hatte. Geraume Zeit boxte der 2,03 m große Price jedoch übervorsichtig und beschränkte sich auf den Jab samt sporadischen Aktionen mit der rechten Schlaghand, als fürchte er unablässig, in einen Konter zu laufen. Daraus resultierte ein unansehnlicher Kampf, der die Zuschauer langweilte und keinen Anlaß gab, dem Briten nennenswerte Fortschritte in seiner Entwicklung zu attestieren.

Erst als sich immer deutlicher abzeichnete, daß der träge agierende Brasilianer absolut keine Gefahr darstellte, wurde der Favorit mutiger. In der sechsten Runde ging er endlich zur Sache und erzielte prompt drei Niederschläge, bis Costa Juniors Ecke schließlich das Handtuch zum Zeichen der Aufgabe warf. Während der Liverpooler dank dieses durchwachsenen Erfolgs seine Bilanz auf 19 Siege und zwei Niederlagen verbesserte, stehen für seinen brasilianischen Gegner nun 16 gewonnene und drei verlorene Auftritte zu Buche.

In der Nachlese dieser Darbietung gingen die Meinungen weit auseinander, wie die Leistung des Briten einzuschätzen sei. Price selbst, der aktuell bei der IBF an Nummer zehn und bei der WBO an zwölfter Stelle der Rangliste geführt wird, gab die eher irritierende Erklärung zum besten, er habe in seiner Karriere bereits zweimal verloren und daher nichts mehr zu verlieren, was ihn so gefährlich mache. Jetzt wolle er sich mit seinen Landsleuten Anthony Joshua und Tyson Fury messen.

Promoter Kalle Sauerland überhäufte seinen Boxer via Twitter gar mit Komplimenten und sprach von einer großartigen Vorstellung, die ihn sehr glücklich mache. Price habe den Kampf nach seinem eigenen Tempo diktiert und das Ende selbst bestimmt. Seine Schlagwirkung sei im Schwergewicht unübertroffen. Die interessengeleitete Sichtweise hochzuhängen, ist eine Sache, dabei Deontay Wilder und Wladimir Klitschko, Lucas Browne, Joseph Parker und eine Reihe weiterer Akteure mit Dampf in den Fäusten zu übersehen, eine andere. [1]

Wesentlich skeptischer äußerte sich der britische Promoter Eddie Hearn, der Anthony Joshua unter Vertrag hat. Ihn habe der Auftritt nicht gerade beeindruckt, da Price offenbar immer noch auf der Suche nach seinem früheren Selbstvertrauen sei. Obgleich seine beiden Niederlagen gegen Tony Thompson inzwischen lange zurücklägen, scheine er eine regressive Entwicklung zu durchlaufen. Wenngleich Price derzeit viele neue Dinge lerne, müßte er doch eigentlich die Gelegenheit nutzen und vor einer so großen Kulisse klare Zeichen setzen. Was er jedoch in Berlin geboten habe, sei wenig dazu angetan, Joshua und Fury in Angst und Schrecken zu versetzen, so Hearn.

David Price sei ein guter Schwergewichtler, der durchaus das Potential habe, enorme Schlagwirkung zu entfalten. Andererseits sei wohl jedem klar, daß Anthony Joshua den Brasilianer gleich in der ersten Runde zur Strecke gebracht hätte. Würde man auf der Stelle eine Umfrage durchführen, wer als Sieger aus einem Kampf zwischen Joshua und Price hervorginge, läge das Ergebnis wohl auf der Hand. Er selbst sei erklärtermaßen ein Bewunderer des jungen Olympiasiegers, doch gehe er davon aus, daß viele Fans seine Einschätzung teilten.

Wenngleich Anthony Joshua erst zehn Profikämpfe bestritten und noch viel zu lernen habe, rücke ein Kampf gegen Price für ihn in greifbare Nähe. Er kehre am 4. April in den Ring zurück und hole am 25. April das verschobene Duell mit Kevin Johnson nach. Sei das geschafft, schließe er einen Kampf der beiden hochgewachsenen Athleten nicht aus, der ein spektakuläres Szenario abgäbe, so der Promoter. Er könne sich schlichtweg nicht vorstellen, wie sich Price aus der Affäre ziehen sollte, sobald Joshua mit seiner Schnelligkeit und Wucht die Schläge auf ihn niederregnen läßt.

Ungeachtet dieser Stellungnahme ist doch eher unwahrscheinlich, daß Eddie Hearn seinen aufstrebenden Jungstar dem Risiko aussetzt, von David Price entzaubert zu werden. Dieser scheint sich zwar von dem Debakel, das ihm Tony Thompson bereitet hat, noch immer nicht erholt zu haben, kann aber im Zweifelsfall doch zur Brechstange wuchtiger Schläge greifen, die ein recht leicht zu treffendes Ziel wie Joshua kaum verfehlen dürften. Zudem kursiert das Gerücht, Price habe diesen Rivalen schon einmal beim Sparring durch den Ring gejagt, und Dillian Whyte machte kürzlich mit der Geschichte von sich reden, er habe Joshua zu Amateurzeiten nach Strich und Faden vermöbelt.

Wenngleich man nicht alles glauben darf, was andere mit Blick auf den frischen Ruhm Anthony Joshuas von sich geben, um sich selbst ins Gespräch zu bringen, sind doch manche Einwände kaum von der Hand zu weisen. Viele Experten und Fans neigen zu der Einschätzung, daß dem Briten auf dem Weg zum Olympiasieg bei den Sommerspielen 2012 in London die Siege über den Italiener Roberto Cammarelle und den Kubaner Erislandy Savon mehr oder weniger von den Punktrichtern geschenkt worden waren. Im Profilager hat Joshua alle zehn Kämpfe frühzeitig durch K.o. gewonnen, doch macht ihn sein muskelbepackter Oberkörper so steif, daß er weder behende ausweichen noch flüssig zuschlagen kann. Vielmehr schiebt er seine Fäuste nach vorn, was lediglich reicht, um relativ schwache oder gealterte Gegner mit seiner athletischen Physis in die Niederlage zu zwingen. Eddie Hearn weiß daher nur zu gut, was er Anthony Joshua derzeit zumuten kann und wovor er ihn tunlichst bewahren sollte. David Price dürfte trotz seiner zwiespältigen Vorstellung gegen Costa Junior eher zur zweiten Kategorie gehören. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/02/abraham-vs-smith-2-early-results/#more-188550

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/02/hearn-slams-david-price-thinks-joshua-beats-him/#more-188611

25. Februar 2015


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