Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/1646: Alte Leier gern gehört? (SB)



WBO ordnet vierten Kampf zwischen Abraham und Stieglitz an

Die World Boxing Organization (WBO) hat Arthur Abraham mit ihrer Entscheidung, der Weltmeister im Supermittelgewicht müsse seinen Titel binnen 90 Tagen gegen den Ranglistenersten Robert Stieglitz verteidigen, einen großen Gefallen getan. Auch der Magdeburger kann sich nicht beklagen, sind seine Aussichten doch nicht schlecht, sich den Gürtel wiederzuholen. Die beiden haben bereits dreimal gegeneinander gekämpft und dürfen nach Auffassung des Verbands in diesem Modus fortfahren, so daß jüngere und gefährlichere Kandidaten wie Gilberto Ramirez das Nachsehen haben.

Abraham kann insofern guten Mutes sein, als er Stieglitz zweimal nach Punkten besiegt hat. Er ist vermutlich auch bei ihrem nächsten Aufeinandertreffen nicht darauf angewiesen, unbedingt einen Niederschlag herbeiführen zu müssen. Stieglitz hatte sich in ihrem zweiten Duell vorzeitig durchgesetzt, indem er von Beginn an unerwartet heftig auf den Berliner losging und ihm eine Gesichtsverletzung zufügte, die letztlich zum Abbruch führte. Das war eine Konstellation, die sich kaum ein weiteres Mal gezielt herbeiführen läßt. Bei ihrem dritten Aufeinandertreffen setzte sich Abraham im März 2014 knapp nach Punkten durch (114:111, 115:110, 112:113) und ist seither WBO-Weltmeister. Der Berliner boxte fleißig mit und brachte die schwereren Treffer ins Ziel, worauf ihn zumindest zwei der drei Punktrichter in Front sahen. Sollte Abraham nicht in seine frühere Lethargie verfallen oder Stieglitz einen Niederschlag erzielen, was recht unwahrscheinlich ist, wird der Berliner den Gürtel auch bei ihrem nächsten Duell behalten.

Die beiden könnten nach diesem Muster fortfahren und zwischendurch gegen zwei bis drei relativ schwache Gegner antreten, um dann im jährlichen Rhythmus ihr nächstes Duell auszutragen. Selbst wenn der Berliner den Gürtel wieder an den Magdeburger verliert, ließe sich das überschaubare Wechselspiel fortsetzen, solange das deutsche Publikum dieser Dauerfehde nicht überdrüssig wird. Allerdings ist unterdessen Felix Sturm endgültig ins Supermittelgewicht aufgestiegen und damit der Dritte im Bunde. Er will sich bekanntlich endlich mit Abraham messen, so daß aus der Zweierkonstellation unter Umständen ein deutsches Trio werden könnte, daß sich gegenseitig den WBO-Gürtel zuspielt.

Niemand kann Abraham, Sturm und Stieglitz zwingen, gegen den WBC-Champion Anthony Dirrell, seinen älteren Bruder Andre Dirrell, der bald IBF-Weltmeister werden dürfte, den WBA-Superchampion Andre Ward oder den regulären WBA-Weltmeister Carl Froch anzutreten. Allerdings könnte die WBO natürlich künftig einen anderen Pflichtherausforderer nominieren, statt jeweils Abraham oder Stieglitz den führenden Rangenlistenplatz zu gewähren.

Die Rangliste der WBO ist ohnehin ein Problem für sich, was freilich mehr oder minder auch für die Rangfolgen der anderen Verbände gilt. Arthur Abraham hat zuletzt Paul Smith zweimal in Folge nach Punkten geschlagen, der erstaunlicherweise an Nummer vier geführt wurde. Nach seiner zweiten Niederlage erklärte der bei Matchroom unter Vertrag stehende Brite, er halte den Berliner für den zweitbesten Akteur im Supermittelgewicht nach Carl Froch. Diese Einschätzung ist schon deswegen verwunderlich, weil Abraham im Super-Six-Turnier gegen Andre Dirrell und Andre Ward verloren hat, die nach wie vor im Geschäft sind. Auch Anthony Dirrell ist ein Gegner, dem der WBO-Champion lieber aus dem Weg gehen sollte, und selbst James DeGale könnte ihn vor unlösbare Probleme stellen.

Arthur Abraham hatte seine beste Zeit im Mittelgewicht, wo er lange ungeschlagener IBF-Weltmeister war. Als ihm die Gewichtsabnahme vor seinen Auftritten immer schwerer fiel, zeigte er deutliche Schwächen im Ring, da ihn das rigorose Abkochen offenbar Substanz kostete und auf die Kondition ging. Da er unter diesen Umständen seinen Titel absehbar verloren hätte, war der Aufstieg ins Supermittelgewicht die einzig praktikable Option. Die Hoffnung, er werde sich auch im höheren Limit durchsetzen und bald wieder einen Titel sichern, erfüllte sich nicht. Im Super-Six-Turnier gewann er zwar zum Auftakt in Berlin gegen Jermain Taylor, der den Zenit seines Könnens längst überschritten hatte. Dann folgten jedoch Niederlagen gegen Andre Dirrell, Carl Froch und Andre Ward, bei denen der Berliner teilweise regelrecht vorgeführt wurde.

Inzwischen hat sich Abraham wieder gefangen, jedoch nie mehr auf dem Niveau geboxt wie seinerzeit als IBF-Weltmeister im Mittelgewicht. Heute legt er bei seinen Auftritten Zwischenspurts ein, macht aber so gut wie nie ganze Runden oder sogar mehrere Durchgänge nacheinander unablässig Druck. Trainer Ulli Wegner hat ihn schließlich dahin gebracht, daß er seine Gegner ausreichend beschäftigt, um nicht nach Punkten in Rückstand zu geraten. Für Kontrahenten von Weltklasse dürfte das jedoch schon aus konditionellen Gründen kaum ausreichen, weshalb Abraham genauso wie Stieglitz und Sturm am besten auf einer gesonderten deutschen Schiene fährt, wo er mit den Hochgeschwindigkeitszügen jüngerer Bauart nicht ins Gehege kommt. [1]

*

Anthony Dirrell hat sich Badou Jack ausgesucht

Anthony Dirrell verteidigt den WBC-Titel im Supermittelgewicht am 24. April im Rahmen der Serie "Premier Boxing Champions" freiwillig gegen Badou Jack. Während für den ungeschlagenen Champion 27 Siege und ein Unentschieden zu Buche stehen, hat der Herausforderer bislang 18 Auftritte gewonnen sowie je einen verloren und unentschieden beendet. Übertragender Fernsehsender ist in diesem Fall Spike TV, mit dem der Manager und Berater Al Haymon ebenso zusammenarbeitet wie mit Showtime, NBC und CBS.

Der Austragungsort steht bislang noch nicht fest, doch könnte die Wahl auf Chicago oder Detroit fallen, da Dirrell in Flint, Michigan, zu Hause ist und auf diese Weise der Unterstützung seitens seiner loyalen Fangemeinde um so sicherer wäre. Er hat bei seinem letzten Auftritt im August 2014 Sakio Bika in der zwölften Runde besiegt und ihm den WBC-Titel abgenommen. Badou Jack wird häufig unterschätzt, seit er im Februar 2014 bereits in der ersten Runde gegen Derek Edwards verloren hat. Das lag jedoch weniger an einem schwachen Kinn, als vielmehr einem Überraschungstreffer, den er nicht kommen sah. Daraufhin war er so angeschlagen, daß Edwards ihm den Rest geben konnte.

Hat Anthony Dirrell diese Hürde genommen, muß er gegen den Pflichtherausforderer George Groves antreten, für den 21 Siege und zwei vorzeitige Niederlagen gegen seinen Landsmann Carl Froch notiert sind. Der Brite wird aller Voraussicht nach ein weiterer relativ leichter Gegner für Dirrell sein, der sich auf diese Weise recht problemlos durch das Jahr 2014 boxen dürfte.

Der bei Sauerland Event unter Vertrag stehende George Groves ist zweifellos talentiert und verfügt über eine beträchtliche Schlagwirkung in beiden Fäusten, läßt aber Konditionsschwächen und zweifelhafte Nehmerqulitäten erkennen. Zudem scheinen ihm die beiden K.o.-Niederlagen in den Prestigekämpfen gegen Froch jene Zuversicht geraubt zu haben, die ihn zuvor als Gipfelstürmer auszeichnete, der zwar den Mund gern voll nahm, aber im Ring auch beeindruckende Taten folgen ließ. Heute ist er ein guter Boxer für sechs Runden, doch anschließend ein ausgesprochener Wackelkandidat, sofern er auf einen hochklassigen Gegner trifft. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/02/wbo-orders-abraham-to-face-stieglitz-again/#more-188773

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/02/anthony-dirrell-vs-badou-jack-to-headline-premier-boxing-champions-card-on-april-24th-on-spike-tv/#more-188764

28. Februar 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang