Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/1648: Blendwerk eines britischen Riesen (SB)



Tyson Fury besiegt überforderten Christian Hammer

Tyson Fury hat sich in der Londoner O2 Arena wie erwartet gegen Christian Hammer durchgesetzt. Der britische Pflichtherausforderer des Verbands WBO im Schwergewicht behielt problemlos die Oberhand, da der gebürtige Rumäne aus dem Hamburger Team des Promoters Erol Ceylan körperlich und boxerisch überfordert war. Einziger Höhepunkt des Kampfs war ein Niederschlag in der fünften Runde, von dem sich Hammer jedoch wieder erholte. Ansonsten begnügte sich Fury weitgehend mit Jabs und Klammern, was angesichts seiner Größe von 2,06 m den Gegner vor unlösbare Probleme stellte. Dieser war wiederum zu langsam, um frei an den Briten heranzukommen und ihn mit einem Glückstreffer zu erwischen. Am Ende der achten Runde warf die Ecke des Rumänen das Handtuch zum Zeichen der Aufgabe. Tyson Fury ist damit in 24 Kämpfen ungeschlagen, für Hammer stehen nun 17 Siege und vier Niederlagen zu Buche. [1]

Fury, der körperlich nicht den Eindruck machte, als habe er intensiv für diesen Kampf trainiert, boxte mit hochgezogener Hose. Dies schränkte die zulässige Trefferfläche für den kleineren Gegner ein und gab zu Mutmaßungen Anlaß, der Brite wolle die sichtbaren Merkmale einer nicht allzu ernst genommenen Vorbereitung kaschieren. Er hatte sich Hammer als leichten Gegner ausgesucht, um seine Anwartschaft auf einen Titelkampf nicht zu gefährden, und erntete für seinen enttäuschenden Auftritt kritische Kommentare.

Der Brite hat in seiner Karriere noch keinen namhaften Kontrahenten besiegt, sieht man von Dereck Chisora ab, der sich aber auch schon Vitali Klitschko, Robert Helenius und David Haye geschlagen geben mußte. Der Londoner machte bei der Revanche gegen Fury einen ausgesprochen desolaten Eindruck und wirkte übertrainiert, so daß ihn der Riese mit seinem Jab stets auf Abstand halten konnte. Obgleich Chisora offensichtlich keine Gefahr darstellte, wagte es Fury gar nicht erst, auf eine frühzeitige Entscheidung zu drängen. Daß es um die Nehmerqualitäten des hochgewachsenen Briten nicht zum besten steht, unterstrich der ehemalige Cruisergewichtler Steve Cunningham, der Fury bei dessen Debüt in den USA auf die Bretter schickte, ehe er schließlich weniger durch gefährliche Treffer ausgeschaltet, als von der Masse des Briten niedergewalzt wurde.

Obgleich Tyson Fury im Angriff wie in der Defensive die Mittel fehlen, es mit Wladimir Klitschko aufzunehmen, verkündete er unmittelbar nach seinem Erfolg gegen Christian Hammer, er wolle sich zunächst den Ukrainer und anschließend den WBC-Weltmeister Deontay Wilder vorknöpfen. Klitschko bleibe seine erste Wahl, weil er selbst Pflichtherausforderer der WBO sei, der Ukrainer der beste Schwergewichtler und drittens leicht zu besiegen sei, so Fury. Er werde zwischendurch keine weiteren Aufbaukämpfe bestreiten, sondern Zug um Zug alle Titel in seinen Händen vereinigen.

Wladimir Klitschko trifft am 25. April im New Yorker Madison Square Garden auf den US-Amerikaner Bryant Jennings, der auf verlorenem Posten stehen dürfte. Danach könnte der Ukrainer bei der WBO eine Verschiebung des Kampfs gegen Fury beantragen, um sich zunächst einen anderen Gegner auszusuchen. Angesichts seiner nun schon neun Jahre währenden Regentschaft hätte er sicher gute Aussichten, beim Verband Gehör zu finden. Demgegenüber hat der 26jährige Brite wenig in die Waagschale zu werfen, was seinen Anspruch bekräftigen könnte.

Sollte der Kampf gegen Klitschko jedoch über die Bühne gehen, wird Fury umgehend zu spüren bekommen, daß er bislang in einer niedrigeren Liga als der Ukrainer aufgetreten ist. Verliert er mit Pauken und Trompeten, kann er Deontay Wilder vergessen, dem als Weltmeister genügend andere Türen offenstehen. Furys Promoter Mick Hennessy gibt sich indessen überzeugt, Klitschko zu einem Duell mit Fury nach England holen und dort im September mit diesem Spektakel ein großes Stadion füllen zu können. Daß sich der Weltmeister darauf einließe, vor dem Publikum des Herausforderers anzutreten und im unwahrscheinlichen Fall einer Punktwertung ein Fehlurteil zu seinen Lasten zu riskieren, ist eher nicht zu erwarten. [2]

Fury wird bei der Herausforderung Klitschkos die höchste Börse seiner Karriere kassieren, aber wohl auch seine erste Niederlage beziehen, worauf er sich hinten anstellen muß. Er hat sich gegen relativ schwache Gegner und nicht zuletzt mit einem großen Mundwerk in seine aktuelle Position manövriert, wozu der Verband WBO Schützenhilfe leistete. Befördert ihn der Ukrainer unsanft auf den Boden der Tatsachen zurück, bricht das Blendwerk des Briten, er habe das Zeug zum wahren Weltmeister aller Klassen, wie ein Kartenhaus in sich zusammen.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/02/fury-hammer-early-results-eubank-jr-beats-chudinov-in-ugly-fight/#more-188877

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/03/tyson-fury-i-want-wladimir-klitschko-next-then-deontay-wilder/#more-188887

2. März 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang