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MELDUNG/1661: Der Nebel lichtet sich (SB)



Konstellation im Halbschwergewicht nimmt Kontur an

Bei der Titelverteidigung Sergej Kowaljows gegen Jean Pascal im Halbschwergewicht kam der übertragende Sender HBO auf seine Kosten. Durchschnittlich 1,152 Millionen und in der Spitze 1,2 Millionen Zuschauer verfolgten live, wie der Superchampion der WBA sowie Weltmeister der IBF und WBO den Kanadier durch technischen K.o. in der achten Runde besiegte. Wenngleich auch der Herausforderer zumindest beim kanadischen Publikum populär ist, zeichnete sich doch die wachsende Beliebtheit des ungeschlagenen Russen in den USA deutlich ab. Ähnlich wie Gennadi Golowkin im Mittelgewicht pflegt auch Kowaljow seine Gegner reihenweise auf die Bretter zu schicken, was bei den Fans gut ankommt. [1]

Pascal, der noch nie in seiner Karriere auf dem Boden gelegen, geschweige den vorzeitig verlorenen hatte und selbst bereits Weltmeister gewesen war, gab sein Bestes, um über die Runden zu kommen. Ein erster Niederschlag kurz vor Ende der vierten Runde als Warnsignal und ein abschließendes Trommelfeuer im achten Durchgang machten seine Hoffnung zunichte. Wenngleich er stehend aus dem Kampf genommen wurde und heftig gegen den Abbruch protestierte, hatte der Ringrichter doch eine weise Entscheidung getroffen. Der Herausforderer hatte schon zuvor einen schwer angeschlagenen Eindruck gemacht und wäre mit Sicherheit wenig später auf den Brettern gelandet, hätte ihn der Referee weiterkämpfen lassen. Zudem lag Pascal zu diesem Zeitpunkt nach Punkten bereits deutlich im Rückstand, während der Champion das Geschehen diktierte.

Zu der von Pascal geforderten sofortigen Revanche mit Kowaljow wird es nicht kommen, was jedoch einen Rückkampf im nächsten Jahr nicht ausschließt. Der Weltmeister muß seine Titel zunächst gegen den Franzosen Nadjib Mohammedi verteidigen, der Pflichtherausforderer beim Verband IBF ist. Da ihn der Russe bereits zweimal übergangen hat, führt kein Weg mehr an dieser Zwischenetappe vorbei. Sollte sich diese Aufgabe für den Weltmeister als lösbar erweisen, wovon auszugehen ist, könnte er gegen Ende des Jahres mit Adonis Stevenson in den Ring steigen, der den Gürtel des Verbands WBC in seinem Besitz hat.

Das World Boxing Council hat mit seiner langjährigen Praxis gebrochen, die Weltmeister anderer Verbände aus der eigenen Rangliste zu nehmen. Dieser Schritt ist nur zu begrüßen, da auf diese Weise etliche hochklassige Kämpfe möglich werden, die bislang eher unwahrscheinlich waren. Kowaljow wurde durch seinen Sieg über Pascal neuer Pflichtherausforderer beim WBC, so daß ihm Stevenson nicht mehr aus dem Weg gehen kann. Daß der Kanadier den Gürtel statt dessen niederlegt, ist kaum anzunehmen, da ein solcher Schritt einem enormen Ansehensverlust gleichkäme. Stevenson sieht sich ohnehin schon geraume Zeit der Kritik ausgesetzt, er wechsle im Zweifelsfall wie im vergangenen Jahr eher den Sender, als mit dem Russen in den Ring zu steigen.

Die meisten Kommentatoren halten Kowaljow spätestens seit seinem souverän herausgeboxten Sieg über Bernard Hopkins im November 2014 für den führenden Akteur im Halbschwergewicht, was Stevenson vehement bestreitet. Daher kann er kaum umhin, seinen Anspruch im Ring geltend zu machen. Wie er Hopkins wissen ließ, der den Kampf in Montreal für den Sender HBO kommentierte, werde er sich mit dem Russen messen. Dies bestätigte auch sein Promoter Yvon Michel, der nur noch abwarten will, bis das WBC eine Frist für die Austragung gesetzt hat.

Da ein Kampf dieser Größenordnung eine lange Vorbereitung erfordere, werde er sich umgehend an den Verband wenden, um den zeitlichen Rahmen abzustecken, so Michel. Lediglich eine Niederlage Stevensons gegen Sakio Bika am 4. April oder ein Scheitern Kowaljows an Nadjib Mohammedi könnte der Realisierung des Vorhabens im Wege stehen. Sein Ziel sei es jedenfalls, das Duell mit dem Russen im Herbst in Quebec über die Bühne zu bringen.

Der 30 Jahre alte Mohammedi sollte keine Gefahr für Kowaljow darstellen. Er ist relativ langsam, leicht zu treffen und verfügt über keine sonderlich ausgeprägte Schlagwirkung. Im Dezember 2010 unterlag der Franzose dem Waliser Nathan Cleverly einstimmig nach Punkten und im Oktober 2011 mußte er sich Dimitri Suchotski bereits in der zweiten Runde geschlagen geben.

Dem 37jährigen Stevenson steht mit Bika eine weitaus schwierigere Aufgabe ins Haus. Sollte es ihm nicht gelingen, den zähen Herausforderer frühzeitig auf die Bretter zu schicken, erwartet ihn ein kräftezehrender Gang über zwölf Runden mit einem Gegner, der keinen Schritt zurückweicht. Der Kanadier hat mit Dimitri Suchotski, Andrzej Fonfara, Tony Bellew, Tavoris Cloud, Chad Dawson und Darnell Boone Kontrahenten besiegt, die entweder nicht der allerersten Kategorie angehören oder den Zenit ihrer Laufbahn bereits überschritten hatten. Sakio Bika dürfte in der Tat der widerstandsfähigste Gegner sei, mit dem es Stevenson in seiner Karriere zu tun bekommen hat.

Bika könnte also zum Spielverderber werden, zumal ihm der WBC-Titel und in der Folge ein Vereinigungskampf gegen Sergej Kowaljow winkt. Schneller könnte er nicht zu Ruhm und ansehnlichen Börsen kommen, so daß mangelnde Motivation sein geringstes Problem sein dürfte. Da im Halbschwergewicht mit Sergej Kowaljow, Adonis Stevenson, Bernard Hopkins, Jean Pascal und möglicherweise Sakio Bika nur eine Handvoll hochklassiger Kandidaten das Feld beherrscht, sind auf absehbare Zeit diverse Kombinationen unter Beteiligung dieser Akteure denkbar, die sich einträglich vermarkten ließen. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/03/kovalev-vs-pascal-brings-in-1-2-mil-viewers-on-hbo/#more-189477

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/03/kovalev-likely-to-face-nadjib-mohammedi-next/#more-189458

19. März 2015


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