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MELDUNG/1687: Sohn der Legende endgültig entzaubert (SB)



Julio Cesar Chavez jun. verliert vorzeitig gegen Andrzej Fonfara

Bei der Rückkehr nach der längsten Pause seiner Karriere mußte Julio Cesar Chavez jun. eine schwere Niederlage hinnehmen, die seine Pläne zunichte macht, sich an prominenter Stelle zu positionieren. Im Kampf gegen Andrzej Fonfara in Carson, Kalifornien, landete er in der neunten Runde auf den Brettern und trat nicht mehr zum folgenden Durchgang an. Während für den 29jährigen früheren WBC-Weltmeister im Mittelgewicht damit 48 Siege, zwei Niederlagen und ein Unentschieden zu Buche stehen, verbesserte der in Chicago lebende Pole seine Bilanz auf 27 gewonnene und drei verlorene Auftritte. Wie sich herausstellte, kam die vereinbarte Gewichtsgrenze von 172 US-Pfund Fonfara zustatten, der im Halbschwergewicht zu Hause ist. Hingegen hatte sich der offiziell im Supermittelgewicht boxende Mexikaner mit der Wahl dieses vermeintlich handhabbaren Gegners verkalkuliert.

Chavez hatte zuletzt Anfang März 2014 im Ring gestanden, als er den körperlich klar unterlegenen Mittelgewichtler Bryan Vera auch bei der Revanche besiegte. Zwar hielt er sich dabei besser als bei seinem höchst umstrittenen Punktsieg in ihrem ersten Kampf, doch stellte sich schon damals die Frage, wie er sich gegen namhafte Kontrahenten in höheren Gewichtsklassen durchsetzen wollte. Sein Vorteil im Mittelgewicht hatte vor allem darin bestanden, daß er beim offiziellen Wiegen ganz knapp im Limit blieb und in den Stunden bis zum Kampfbeginn durch Rehydration derart viel Gewicht zulegte, daß er dem Gegner von vornherein überlegen war. [1]

Im Kampf gegen den 27jährigen Fonfara wirkte der Mexikaner träge auf den Füßen und langsam bei seinen Schlägen, die zudem keine erkennbare Wirkung beim Gegner erkennen ließen. Offensichtlich fehlt es Chavez im Halbschwergewicht sowohl an Physis als auch an Schnelligkeit, um einen halbwegs anspruchsvollen Kontrahenten unter Druck zu setzen. Der Pole gab bereits in der ersten Runde die Marschrichtung vor, indem er Chavez mit seiner über die Deckung geschlagenen Rechten fast nach Belieben traf und den Mexikaner in der Nahdistanz dank seiner körperlichen Überlegenheit neutralisierte.

Wenngleich der Mexikaner bemüht war, sich in der ihm eigenen Kampfesweise mit Schlägen zum Körper und Uppercuts Respekt zu verschaffen, verfehlte dies seine Wirkung. Er schlug zu wenig, erzielte dabei keine Wirkung und ging mit gesenktem Kopf auf den Gegner los, der ihn dabei Runde um Runde problemlos traf. Zwar wurde Fonfara im siebten Durchgang ein Punkt abgezogen, nachdem er mit der Schulter voran auf den Mexikaner eingedrungen war, doch brach das seine Dominanz nicht. Chavez, der im gesamten Kampf nur neun Jabs geschlagen hatte, lag in der Statistik von Compubox am Ende weit im Hintertreffen, da ihn Fonfara doppelt so oft getroffen hatte wie er den Polen, von der Wirkung der Schläge ganz abgesehen.

In der neunten Runde schickte Fonfara den Mexikaner schließlich mit einem linken Haken erstmals in dessen Karriere auf die Bretter. Chavez kam nur mühsam wieder auf die Beine und wirkte bis zum Ende der Runde so angeschlagen, daß er gut beraten war, in der Pause aufzugeben. Er blutete aus der Nase, beide Augenpartien waren angeschwollen und sein Gesicht wies die Spuren zahlreicher Treffer auf. Zudem sagte er seinem Trainer Joe Goossen, er könne nicht weiterkämpfen, da er sich am Bein verletzt habe.

Wie Julio Cesar Chavez nach seiner klaren Niederlage einräumte, sei es seine Strategie gewesen, den Gegner mit Körpertreffern mürbe zu machen. Er habe sich gut gefühlt, doch sei Fonfara ein ausgezeichneter Boxer und einfach zu schwer gewesen, um auf diese Weise Wirkung zu erzielen. Obgleich der Mexikaner zum Zeitpunkt seiner Aufgabe bei allen drei Punktrichtern weit im Rückstand gelegen hatte, behauptete er, nach eigener Einschätzung auf der Siegerstraße gewesen zu sein, und forderte eine Revanche bei 170 Pfund. [2]

Darauf ging Andrzej Fonfara jedoch mit keinem Wort ein, zumal auch nicht abzusehen ist, daß ein Rückkampf einen anderen Verlauf nehmen könnte als die für Chavez desaströse erste Begegnung mit dem von ihm offenbar unterschätzten Gegner. Der Pole zog mit den Worten Bilanz, Chavez sei bekanntermaßen ein zäher Gegner, der nicht so leicht das Handtuch werfe, und in guter körperlicher Verfassung angetreten. Er selbst habe jedoch bereits in der ersten Runde erkannt, daß er diesen Kampf gewinnen würde. Der Mexikaner habe ihn einmal mit voller Wucht getroffen, worauf ihm klar geworden sei, daß Chavez ihm selbst mit seinen härtesten Schlagen nicht gefährlich werden könne. Daraufhin habe er relativ offen geboxt, den nach vorn gebeugten Gegner immer wieder problemlos am Kopf erwischt und die Körpertreffer gut weggesteckt, mit denen Chavez im Vorfeld des Kampfs so gedroht hatte.

Das Debakel des Mexikaners bestätigte die skeptische Einschätzung seiner Qualitäten, die in den letzten Jahren des öfteren laut geworden war. Den WBC-Titel im Mittelgewicht hatte er seinerzeit gegen Sebastian Zbik auf vergleichsweise leichte Weise gewonnen, im September 2012 jedoch an den Argentinier Sergio Martinez verloren, der ihn klar dominierte. Nach dem Kampf wurde der Mexikaner positiv auf Marihuana getestet und daraufhin für neun Monate gesperrt. In den Jahren 2013 und 2014 bestritt er nur jeweils einen Kampf, wobei in beiden Fällen Bryan Vera sein Gegner war. Wie sich gegen Fonfara wiederum bestätigt hat, ist Chavez schlichtweg zu langsam für das Supermittelgewicht und zu schwach für das Halbschwergewicht, um sich in einer der beiden Klassen gegen die führenden Akteure durchzusetzen, zu denen man Andrzej Fonfara bislang nicht einmal gezählt hatte.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/04/chavez-jr-vs-fonfara-early-results/#more-191107

[2] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/12719914/andrzej-fonfara-sends-julio-cesar-chavez-jr-first-ever-knockout-gets-tko-catchweight-bout

19. April 2015


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