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MELDUNG/1700: Spielball fremder Vermarktungsstrategien (SB)



Manny Pacquiao wirkt seltsam verloren

Nachdem Floyd Mayweather den im Vorfeld mit zahllosen Superlativen überfrachteten, in der Ausführung jedoch enttäuschend einseitigen Kampf gegen Manny Pacquiao unangefochten gewonnen hatte, richtete er sich in einer ersten Stellungnahme ans Publikum. Er dankte seinem gesamten Team und würdigte den Philippiner als außergewöhnlichen Kämpfer, worauf sich Max Kellerman vom Sender HBO dem Verlierer zuwandte. Zur großen Überraschung aller Zuhörer und entgegen seiner langjährigen Gepflogenheit dankte Pacquiao weder Gott noch seinen Betreuern, wie er auch Mayweather und dessen souveräne Vorstellung keines Wortes würdigte. Statt dessen erklärte er, den Kampf seines Erachtens gewonnen und dafür mehr als genug getan zu haben.

Ob dieser Einschätzung sichtlich konsterniert, hakte Kellerman mit der Aussage nach, daß wohl jeder in der Arena Mayweather als klaren Sieger sehe. Dem widersprach der Philippiner mit den Worten, Floyd Mayweather schlage längst nicht so gefährlich wie Margarito oder Cotto und habe ihn kein einziges Mal ernsthaft getroffen, während er dem Amerikaner diverse wirksame Schläge versetzt habe. Dabei wirkte Pacquiao keineswegs erregt oder tief enttäuscht, so daß man seine schlichtweg nicht nachvollziehbare Interpretation des Kampfverlaufs kaum einem emotionalen Ausnahmezustand zuschreiben konnte, wie er angesichts des an ein Debakel grenzenden Scheiterns durchaus verständlich gewesen wäre.

Auf der Pressekonferenz nach einem Kampf setzen sich die beiden Teams üblicherweise zusammen, begraben das Kriegsbeil und erweisen sich gegenseitig Respekt. Selbst wenn die Kontrahenten ihren Streit nicht nur zu Werbezwecken simuliert haben, sondern einander tatsächlich hassen, versuchen sie in aller Regel, zumindest für diese kurze Frist nicht den überheblichen Sieger oder schlechten Verlierer zu geben. In diesem Fall bestand Pacquiaos Team jedoch darauf, zuerst allein an die Reihe zu kommen, und führte eine Schulterverletzung des Philippiners ins Feld, die sich dieser zwei Wochen zuvor zugezogen habe.

Wenngleich ein solcher Sachverhalt natürlich nicht auszuschließen ist, war die Verletzung jedenfalls auf den dafür vorgesehenen Wegen nicht angemeldet und offenbar auch von keinem Beobachter als Einschränkung wahrgenommen worden. Daher warf diese Einlassung zwangsläufig die Frage auf, ob es sich nicht um eine mehr oder minder konstruierte Pseudoerklärung nach der Niederlage handelte. Vollends befremdlich gestaltete sich das Szenario, als Pacquiaos Team beim Eintreffen Mayweathers überrascht wirkte, das Gespräch einstellte und den Raum verließ.

Augenscheinlich wußten Mayweather und seine Leute nicht, daß die Pressekonferenz bereits ohne sie begonnen hatte, worauf sie sich um so verwunderter zeigten, als das andere Lager umgehend das Weite suchte. Nachdem schon der einseitige Kampfverlauf wenig Handhabe für eine Revanche bietet, wie sie Pacquiaos Trainer Freddie Roach ins Gespräch brachte, dürfte die bereits beim Abspann wieder offen zutage tretende Feindseligkeit eine Wiederholung endgültig ausschließen. Man hatte Monate gebraucht, um in unendlich zähen Verhandlungen erstmals eine befristete Zusammenarbeit zwischen Mayweather Promotions und Top Rank herbeizuführen. Wie die erneut ausbrechenden Animositäten zweifelsfrei belegten, wird es zu keiner Neuauflage kommen. [1]

Man kann nur Mutmaßungen darüber anstellen, was Manny Pacquiao inmitten dieser Turbulenzen zu seinem befremdlich anmutenden Auftreten bewogen haben mochte. Während seine Präsenz in den sozialen Medien seit November 2014 regelrecht übergequollen war, herrscht dort seit dem Kampf in Las Vegas Funkstille. Das spricht nicht gerade für einen Boxer, der tatsächlich der Überzeugung ist, in diesem Duell der Bessere gewesen zu sein. Der Philippiner erweckt den Eindruck, zum Spielball konkurrierender Interessen und Vermarktungsstrategien geworden zu sein, die ihm längst über den Kopf gewachsen sind.

Das wirft nicht zuletzt die Frage auf, welchen Anteil Freddie Roach am Scheitern seines Schützlings hat. Als der Kampf immer einseitiger zugunsten Mayweathers verlief, kam kein Impuls aus der Ecke Pacquiaos, dieser mißlichen Lage durch eine taktische Alternative Rechnung zu tragen. Dabei war Roach im Vorfeld nicht müde geworden, geradezu marktschreierisch die Debatte an sich zu reißen und mit einer geheimen Strategie zu prahlen, die seinem Boxer unweigerlich zum Sieg verhelfen werde. Als es dann jedoch eng wurde, schien dem Trainer nichts anderes einzufallen, als auf der eingefahrenen Schiene zu bleiben.

Offenbar verfügte Freddie Roach über keinen Plan B, wie man Mayweather womöglich beikommen könnte. Möglicherweise ging er aber ohnehin davon aus, daß der Philippiner nur noch so und nicht anders boxen könne. Vielleicht ist ihre langjährige Zusammenarbeit längst an ihre Grenzen gestoßen und wird keine nennenswerte Innovation mehr hervorbringen. Da Pacquiao bekanntermaßen loyal ist und sich keinesfalls von Roach trennen wird, bleibt es bloße Spekulation, ob andere namhafte Trainer wie Virgil Hunter oder Robert Garcia eher in der Lage wären, der Karriere des Philippiners neuen Schub zu verleihen. Hunter hatte regelrecht Wunder gewirkt, als er den bei Roach in eine Sackgasse geratenen Amir Khan übernahm. Daß sich dieses Beispiel auf Pacquiao übertragen ließe, ist freilich nicht mehr als eine bloße Annahme. [2]

Deutlich wurde jedenfalls, daß Floyd Mayweather mit 39 Jahren sein überragendes Können perfektioniert und einen der souveränsten Auftritte seit langem geboten hat. Selbst als ihn sein Vater und Trainer in den Pausen aufforderte, noch mehr für den Kampf zu tun und häufiger zu schlagen, blieb der Boxer seiner anfänglichen Strategie treu. Er beschränkte sich auf das Erforderliche und manövrierte seinen Gegner mit enormer Präzision aus, während er höchst effektiv fast in jeder Phase mehr Treffer ins Ziel brachte als Pacquiao. Während dem drei Jahre jüngeren Philippiner nichts anderes übrigblieb, als Runde für Runde das zu wiederholen, was ihn in die Niederlage führte, brachte Mayweather genau jene Varianten ins Spiel, die seinen Gegner limitiert und hilflos wirken ließen.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/05/aftermath-mayweather-vs-pacquiao/#more-192465

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/05/roach-had-no-plan-b-should-pacquiao-dump-him/#more-192431

4. Mai 2015


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