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MELDUNG/1737: Ohne Lobby auf verlorenem Posten (SB)



Sam Soliman im Kampf gegen Dominic Wade massiv benachteiligt

Der australische Mittelgewichtler Sam Soliman hatte seit seinem Profidebüt im Jahr 1997 seinen Lebensunterhalt als Lastwagenfahrer bestritten und nur nebenbei im Ring gestanden. Als sich Felix Sturm diese vermeintlich leichte Beute Anfang 2013 als Gegner aussuchte, wurde er eines Besseren belehrt, mußte er sich doch überraschend geschlagen geben. Da der Kölner dies als Fauxpas verbuchte, gedachte er den Ausrutscher bei der ersten Verteidigung des gegen den invaliden Briten Darren Barker gewonnenen IBF-Titels leichterdings wettzumachen. So traf er am 31. Mai 2014 in Krefeld erneut auf den Australier, der jedoch abermals sein weithin unterschätztes Können in die Waagschale warf und sich den Gürtel sicherte.

Soliman hatte nicht weniger als 57 Kämpfe bestritten, bis er sich endlich Weltmeister nennen durfte. Zum Ausklang seiner Karriere verfügte er nun über die finanziellen Mittel, sich ausschließlich aufs Boxen zu konzentrieren. Er wollte seine letzten Auftritte auf internationaler Bühne genießen und dabei noch einmal ordentlich verdienen. Für seine erste Titelverteidigung am 4. Oktober 2014 in Biloxi, Mississippi, wählte der 40jährige Australier den vier Jahre jüngeren US-Amerikaner Jermain Taylor aus, der zu den Veteranen der Gewichtsklasse und den herausragenden Akteuren der letzten 15 Jahre gehörte.

Auf dem Höhepunkt seiner Karriere hatte Taylor mit zwei aufeinanderfolgenden Siegen über Bernard Hopkins im Juli und Dezember 2005 dessen Regentschaft im Mittelgewicht beendet. Taylors Karriere befand sich zwischen 2007 und 2009 jedoch im freien Fall, als er vier Niederlagen in fünf Kämpfen einstecken mußte. Nachdem eine Gehirnblutung bei ihm festgestellt worden war und er deswegen längere Zeit nicht mehr geboxt hatte, konnte er zuletzt vier Kämpfe in Folge gewinnen und wurde in der IBF-Rangliste an Nummer 15 geführt.

Offensichtlich hatte Taylors noch immer klangvoller Name samt einer stattlichen Börse für Soliman den Ausschlag gegeben, dem US-Amerikaner diese unverhoffte Titelchance zu gewähren. Als die beiden aufeinandertrafen, verlief der Kampf zunächst ausgeglichen. In der sechsten Runde zog sich der fast 41jährige Australier jedoch eine Knieverletzung zu, die seine Beweglichkeit derart einschränkte, daß er in den folgenden Runden insgesamt viermal niedergeschlagen wurde. Viele andere Boxer hätten in einer so aussichtslosen Lage aufgegeben, doch Soliman hielt bis zum Ende durch. Er mußte sich jedoch nach Punkten geschlagen geben.

Nach dieser unglücklichen Niederlage hoffte der Australier auf eine Revanche und erinnerte daran, daß er Taylor eine Chance gegeben habe, obgleich dieser lediglich an Nummer 15 der IBF-Rangliste stand. Er habe großen Respekt vor Jermain Taylor und bitte dessen Team, ihm im Gegenzug dieselbe Ehre zu erweisen und im Frühjahr einen Rückkampf zu bestreiten. Der US-Amerikaner zog jedoch einen anderen Herausforderer vor, wobei dieser Kampf abgesagt werden mußte, da Taylor in eine Schießerei verwickelt war, deren strafrechtliche Folgen de facto das Ende seiner Karriere erzwangen.

Vor wenigen Tagen wollte der inzwischen an Nummer fünf der IBF-Rangliste geführte Sam Soliman die Gelegenheit wahrnehmen, seinen Anspruch auf die Herausforderung des neuen Weltmeisters David Lemieux aus Kanada zu unterstreichen. Er traf in Shelton, Washington, in einem Kampf über zehn Runden auf Dominic Wade, der beim Verband IBF auf Platz vierzehn des Rankings notiert war. Was das Publikum zu sehen bekam, klassifizierten Kommentatoren zutreffend als Raub im wahrsten Sinne des Wortes, da der überlegene Australier massiv benachteiligt wurde. Der namhafte Ringrichter Jack Reiss leistete sich den wohl schwärzesten Tag seiner Karriere, was die Frage aufwarf, wie sich ein derart renommierter Referee solche Fehlentscheidungen leisten konnte.

In der vierten Runde schubste Wade seinen Gegner zu Boden, was eine sofort eingespielte Zeitlupenaufnahme eindeutig bestätigte. Reiss wertete diese Aktion jedoch als regulären Niederschlag. Damit nicht genug, brachte der US-Amerikaner den Kontrahenten später zweimal mit einem regelrechten Body Slam zu Fall, wie man ihn aus dem Wrestling kennt, ohne für diese grobe Unsportlichkeit mit einem Punktabzug bestraft zu werden. Überdies durfte Wade unablässig klammern, sobald ihm Soliman zu nahe kam, ohne daß dies auch nur ein einziges Mal geahndet wurde.

Man fühlte sich dabei an die Kampfesweise Adrien Broners gegen Shawn Porter vor einer Woche erinnert, wobei der entscheidende Unterschied in dem letztendlichen Punktabzug für Broner bestand, der sich am Ende geschlagen geben mußte. Da spätestens seit der dritten Runde klar war, daß Wade den Gegner jedesmal umklammerte, sobald dieser auf der Innenbahn angriff, hätte Reiss dieser Vorgehensweise Rechnung tragen müssen. Wenngleich man dem Ringrichter eine Fehlentscheidung wie den fälschlich gewerteten Niederschlag als Irrtum im Eifer des Gefechts zugestehen muß, ist die Häufung unterlassener Maßnahmen zu Lasten Solimans schlichtweg unerklärlich, will man dem Referee nicht klammheimliche Parteinahme unterstellen.

Leider unterließ es der Australier, sich aus der Umklammerung zu befreien, indem er dem Gegner im Gewühl weitere Schläge versetzte. Wade bot an diesem Abend jedenfalls eine schwache Vorstellung, denn er drang immer wieder auf Soliman ein, ohne zu schlagen. Statt dessen blieb er wie eine Statue stehen und wartete auf eine Gelegenheit zu kontern, die sich ihm jedoch nur selten bot. Wade schlug mit dem Jab wahllos Löcher in die Luft und traf auch sonst eher selten, so daß man ihm allenfalls die vierte und achte Runde gutschreiben konnte, während der Australier ansonsten durchweg die bessere Figur machte.

Um so erstaunlicher fiel die Punktwertung aus, die nur in einem Fall 96:93 zugunsten Solimans lautete. Ein zweiter Punktrichter hatte 95:94 für Wade notiert, während sich Robert Hoyle mit einem lächerlichen 97:92 für den US-Amerikaner selbst disqualifizierte. So mußte sich der betrogene Australier mit 2:1 Wertungen geschlagen geben und hat nunmehr 44 Kämpfe gewonnen sowie dreizehn verloren.

In einer anschließenden Stellungnahme zeigte sich Soliman nur insofern zufrieden, als von der letztjährigen Knieverletzung nichts mehr zu spüren gewesen sei. Wade habe ihn kein einziges Mal ernsthaft getroffen und wisse sicher selbst, daß er den Kampf im Grunde verloren habe. Die Wertung des Niederschlags in der vierten Runde sei eine klare Fehlentscheidung gewesen, da er keinen Treffer abbekommen habe, sondern zu Boden gestoßen worden sei, so der ehemalige Champion aus Melbourne.

Hätte Jack Reiss seine Aufgabe an diesem Abend auch nur annähernd so angemessen erfüllt, wie man das von ihm seit Jahren gewohnt ist, wäre Sam Soliman als verdienter Sieger aus dem Kampf hervorgegangen. Nun steht der Verband IBF in der Pflicht, Konsequenzen zu ziehen und mindestens eine Revanche anzuordnen. Den Australier mangels Lobby ins Abseits zu drängen und Dominic Wade in der Rangliste aufsteigen zu lassen oder ihm gar eine Titelchance einzuräumen, spräche dem Anspruch der IBF Hohn, irregulären Entscheidungen und Manipulationen in der Branche Einhalt zu gebieten.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/06/soliman-robbed-in-wade-fight/#more-195406

29. Juni 2015


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