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MELDUNG/1752: Bloß nicht diese Wachablösung! (SB)



Tyson Fury redet sich vorsichtshalber stark

Der britische Schwergewichtler Tyson Fury ist mit einer Größe von 2,06 m zumindest in dieser Hinsicht unter den derzeit aktiven und namhaften Boxern unübertroffen. Zudem läßt er nichts unversucht, gleichermaßen eine Spitzenstellung für sich zu reklamieren, was die Ausmaße seines Mundwerks betrifft. Wenngleich der in 24 Kämpfen ungeschlagene Brite allenthalben beteuert, er stehe felsenfest zu seinem Wort, würde das natürlich voraussetzen, daß er jederzeit im Bilde ist, was er so von sich gibt. Gerade das bezweifeln seine Kritiker im Boxsport, auf YouTube und in den sozialen Medien, die er daraufhin mit um so gewagteren Ausbrüchen traktiert.

Auch seine jüngste Äußerung ruft zwangsläufig Einwände auf den Plan. Wie Fury nämlich per Twitter erklärt, werde er im Falle einer Niederlage gegen Wladimir Klitschko die Boxhandschuhe an den Nagel hängen, da der Weltmeister schließlich schon 39 Jahre alt sei. Fragte man den Briten, welche hochklassigen Gegner er denn besiegt hat, müßte er passen. Um dasselbe von dem Ukrainer zu behaupten, müßte man unterschlagen, daß er im Laufe der Jahre alles und jeden bezwungen hat. Daß die Mittel, derer er sich dabei bedient, zumeist nicht gerade aufregend sind, steht auf einem anderen Blatt.

Als er in Moskau auf Alexander Powetkin traf, klammerte er den kleineren Russen, wann immer ihm dieser zu nahe kam. Powetkin gehörte zweifellos zu den gefährlichsten Herausforderern, mußte sich aber klar geschlagen geben. Auch Kubrat Pulew zeigte gute Ansätze, war aber offen für den linken Haken Klitschkos, der ihn auf die Bretter schickte. David Haye überstand zwar volle zwölf Runden, war dabei aber ständig auf der Flucht.

Tyson Fury ist weder so versiert wie Powetkin oder Pulew noch so beweglich wie Haye. Er kann allerdings im Kampf die Auslage wechseln, doch gilt das auch für eine Reihe anderer Boxer wie etwa Manny Pacquiao oder Jose Zepeda, bei denen dieses Manöver wesentlich effektiver aussieht. Ob Fury mit einem solchen Wechsel tatsächlich den Weltmeister oder eher sich selbst verwirrt, müßte sich erst noch erweisen.

Wenngleich von imposanter Statur, wurde Fury in der Vergangenheit des öfteren von wesentlich kleineren und leichteren Gegnern schwer angeschlagen oder gar kurzfristig zu Boden geschickt. Steve Cunningham, der zudem aus dem Cruisergewicht kommt und dort eher zu Hause ist, hätte fast vorzeitig gegen den Briten gewonnen, als dieser seinen Einstand in den USA gab. Sollte Klitschko den Briten mit seinem gefährlichen linken Haken oder einer wuchtigen Rechten zielgenau treffen, könnte es schnell um den Herausforderer geschehen sein.

Wahrscheinlich wird der Ukrainer wie üblich auf Nummer Sicher gehen und den Herausforderer mit seinem Jab auf Abstand halten, bis sich die Gelegenheit für einen Schlag mit der Rechten bietet. Das sah zuletzt gegen Bryant Jennings nicht nur langweilig, sondern auch recht unbeholfen aus, da Klitschko sehr passiv wirkte und relativ selten schlug. Allerdings war der US-Amerikaner vor allem darauf bedacht, sich durch Pendeln aus der Schußlinie zu bringen, so daß er dem Champion nur selten ein passables Ziel bot.

Daher steht zu befürchten, daß ein langweiliger Titelkampf dabei herauskommt, in dem keiner von beiden das Risiko eingeht, auf den Brettern zu landen. Dafür könnte das Vorspiel um so unterhaltsamer ausfallen, da Fury alles daransetzen wird, zumindest im Wortgefecht zu punkten und Klitschko vielleicht doch aus der Reserve zu locken. [1] Natürlich wird der Brite auch dann seine Karriere fortsetzen, wenn er dem Ukrainer unterliegt. Das ist schließlich schon so vielen anderen Schwergewichtlern passiert, daß die Königsklasse leergefegt sein müßte, hätte jeder die vollmundig von Fury angekündigten Konsequenzen gezogen.

Daß die Ära Wladimir Klitschkos trotz ihrer Länge nicht die glanzvollste ist, wird wohl kaum jemand bestreiten. Das kann man natürlich nicht allein dem Ukrainer anlasten, der die Kunst vervollkommnet hat, vor allem nicht getroffen zu werden. Da ihn seit Jahren niemand widerlegen konnte, ist das Argument abgewirtschaftet, er gehe irgendeinem gefährlichen Rivalen aus dem Weg. Eher schon hat der Weltmeister das Problem, für seine Herausforderer Werbung zu machen, damit ihm das Publikum nicht auf Dauer abhanden kommt.

Sollte es schließlich einem Kontrahenten gelingen, Wladimir Klitschkos lange Regentschaft im Ring zu beenden, so kann man sich nur wünschen, daß dies Deontay Wilder und nicht Tyson Fury ist. Wenngleich auch dem Briten die Chance zu gönnen ist, sein Glück zu versuchen und dabei ordentlich zu verdienen, käme das Schwergewicht vom Regen in die Traufe, stünde plötzlich ein Boxer mit derart limitierten Qualitäten und fragwürdigen Zugangsvoraussetzungen an der Spitze dreier Verbände.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/07/tyson-fury-if-i-cant-beat-wladimir-who-is-old-in-boxing-terms-at-39-i-wont-carry-on/#more-196274

17. Juli 2015


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