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MELDUNG/1837: Kurzarbeit in Liverpool (SB)



Callum Smith fackelt nicht lange mit Rocky Fielding

In einem vom britischen Publikum mit Spannung erwarteten Duell zweier aufstrebender Supermittelgewichtler in Liverpool hat sich Callum Smith unerwartet rasch gegen Rocky Fielding durchgesetzt. Der an Nummer eins der WBC-Rangliste geführte Smith schickte seinen Gegner bereits in der ersten Runde dreimal auf die Bretter, worauf Ringrichter Phil Edwards den Kampf nach 2:45 Minuten für beendet erklärte. Während sich der nun in 18 Auftritten ungeschlagene Sieger den vakanten nationalen Titel sicherte, mußte Fielding nach 21 gewonnenen Kämpfen die erste Niederlage hinnehmen.

Nachdem Rocky Fielding nach einem rechten Konter gegen die Schläfe frühzeitig zu Boden gegangen war, versuchte er in der Folge nicht etwa zu klammern oder sich dem Gegner zu entziehen, sondern ging erneut auf ihn los, um ihn aus der Nahdistanz zu treffen. Dabei handelte er sich durch einen linken Haken einen zweiten Niederschlag ein. Auch dies bewog ihn nicht, seine Vorgehensweise zu ändern, worauf er wenig später nach einer weiteren Linken an den Seilen erneut auf dem Boden landete. Er kam zwar auch diesmal wieder hoch, doch zählte ihn der Referee aus. [1]

Die Kontrahenten hatten einander wie angekündigt einen heftigen Schlagabtausch geliefert, bei dem Smith dank seiner überlegenen Trefferwirkung nicht überraschend die Oberhand behielt. Fielding wäre wohl besser beraten gewesen, der direkten Konfrontation aus dem Weg zu gehen und seine Qualitäten aus der Distanz ins Spiel zu bringen. Vermutlich hatte er sich von der aufgeheizten Atmosphäre im Vorfeld ihres Duells dazu hinreißen lassen, Fuß an Fuß zu kämpfen, um dem Gegner keinesfalls die Initiative zu überlassen. So endete das Kräftemessen der beiden ambitionierten Supermittelgewichtler aus Liverpool, kaum daß es begonnen hatte.

Durch seinen Sieg sorgte Callum Smith für das Novum, daß seine Familie vier britische Meister hervorgebracht hat, da auch seine Brüder Liam, Stephen und Paul einen solchen Gürtel in ihrer jeweiligen Gewichtsklasse gewonnen haben. Wie er im anschließenden Interview erzählte, hätten ihn seine Brüder vor einigen Wochen gefragt, von welchem Kampfverlauf er ausgehe. Damals habe er ihnen geantwortet, daß er das Publikum mit dem ersten Treffer in Aufruhr versetzen und nach vier schnellen Anfangsrunden zunehmend die Oberhand gewinnen werde. Er müßte jedoch lügen, wollte er behaupten, mit einem Sieg gleich in der ersten Runde gerechnet zu haben. Er sei sehr stolz, britischer Meister geworden und gemeinsam mit seinen drei Brüdern Geschichte geschrieben zu haben.

Er könne natürlich nicht sagen, wie ihr Duell aus Perspektive der Zuschauer ausgesehen habe. Für ihn sei es jedenfalls sehr aufregend und ein guter Kampf gewesen, wobei es letzten Endes keine Rolle spiele, daß er keine volle Runde gedauert habe. Auch wenn es vermutlich etwas überheblich geklungen habe, als er sich im Vorfeld als den besseren Boxer bezeichnete, habe er doch die Chance genutzt, dies unter Beweis zu stellen. Er kämpfe noch keine drei Jahre im Profilager und habe weiterhin viel zu lernen. Dennoch habe er bislang alles richtig gemacht und sei zuversichtlich, 2016 Weltmeister zu werden.

Er zolle Rocky Fielding Respekt, der sich zum Schlagabtausch gestellt und damit den Erwartungen des Publikums entsprochen habe. Niemand solle diesen Boxer nach der ersten Niederlage abschreiben, zumal er nicht etwa gegen einen Außenseiter, sondern einen starken Kontrahenten verloren habe. Wie das Beispiel seines eigenen Bruders Stephen zeige, könne man angemessene Lehren aus einem solchen Rückschlag ziehen und stärker zurückkommen. Er sei überzeugt, daß dies auch Rocky mit harter Arbeit gelingen werde.

Fielding erklärte unumwunden, er ziehe den Hut vor Callum, der ein guter Boxer sei. Er habe ihn mit einem Jab erwischt und geglaubt, den Rhythmus gefunden zu haben, als ihm der Gegner mit einem ersten Volltreffer zuvorgekommen sei. Es hätte seines Erachtens auch umgekehrt laufen können, doch könne beim Boxen eben ein einziger gelungener Schlag alles entscheiden. Wenngleich er nun einen neuen Anlauf nehmen müsse, wolle er nicht zurückweichen, sondern auch im nächsten Kampf einen Gegner aus der Weltrangliste vor die Fäuste bekommen.

Promoter Eddie Hearn lobte seinen siegreichen Boxer überschwenglich und attestierte ihm eine furchterregende Schlagwirkung. Er werde persönlich am Jahreskonvent des WBC teilnehmen und dort auf einen Titelkampf gegen Badou Jack drängen. Man habe an diesem Abend in Liverpool den Weltmeister des Jahres 2016 gesehen. Viel wird davon abhängen, ob der Verband Callum Smith zum Pflichtherausforderer des Champions macht, der kürzlich den Briten George Groves einstimmig nach Punkten besiegt hat. [2]

Wie stark Smith tatsächlich einzuschätzen ist, läßt sich nach dem allzu kurzen Kampf gegen Rocky Fielding nicht mit Sicherheit sagen. Vermutlich wäre es ein sehr riskantes Unterfangen für ihn, sich mit dem wesentlich erfahreneren Badou Jack zu messen. Das gilt um so mehr für potentielle Gegner wie die Brüder Anthony und Andre Dirrell oder Andre Ward, sofern dieser nicht endgültig ins Halbschwergewicht aufsteigt. Da James DeGale den Titel des IBF-Weltmeisters in Kürze gegen den in Kanada lebenden Rumänen Lucian Bute verteidigt und Martin Murray den WBO-Weltmeister Arthur Abraham herausfordert, sind die britischen Boxer im Supermittelgewicht weiterhin gut vertreten.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/11/burns-stops-king-live-results/#more-201574

[2] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/14076051/brutal-callum-smith-stops-rocky-fielding-claim-british-title

10. November 2015


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