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MELDUNG/1879: Langes Zögern führt ins Abseits (SB)



Ringt sich Amir Khan endlich zu einer Entscheidung durch?

Der in 35 Kämpfen ungeschlagene IBF-Weltmeister Kell Brook verteidigt seinen Titel im Weltergewicht im Februar oder März gegen den Pflichtherausforderer Kevin Bizier. Am 4. Juni möchte sein Promoter Eddie Hearn vor riesiger Kulisse im Londoner Wembley-Stadion einen Kampf gegen Amir Khan über die Bühne bringen, der beim britischen Publikum zweifellos auf allergrößtes Interesse stieße. Ein Sieg gegen Bizier vorausgesetzt, wäre Brook auf jeden Fall dazu bereit, was man von seinem Wunschgegner nicht behaupten kann. Das neue Jahr hat begonnen, ohne daß es zu ersten Verhandlungen gekommen wäre, weshalb Hearn der Sache mit einer wohldosierten Mischung aus Angebot und Kritik nachzuhelfen versucht.

Khan verschwende seine Zeit auf der Jagd nach Kämpfen gegen die Superstars Floyd Mayweather und Manny Pacquiao, die er schlichtweg nicht bekomme, statt gegen Kell Brook anzutreten. Während in den USA nicht mehr als eineinhalb Millionen Dollar für ihn zu holen seien, könne er bei einem Auftritt in Wembley das Vierfache verdienen. Es sei sehr enttäuschend, daß er offenbar nicht gegen Brook antreten wolle, wie er sich generell unter dem Vorwand, sein Fokus richte sich auf den US-amerikanischen Markt, anscheinend überhaupt nicht mehr für irgendeinen Gegner entscheiden könne, so Hearn.

Wie es scheint, widmet Amir Khan in jüngerer Zeit vielen verschiedenen Interessen seine Aufmerksamkeit, die nichts mit dem Boxen zu tun haben. Das geht aller Erfahrung nach nicht lange gut und hat mehr als einmal außergewöhnliche Talente ruiniert wie auch glanzvolle Karrieren zerstört. Im Falle des 29jährigen Briten pakistanischer Herkunft aus dem nordenglischen Bolton, der im Ruf eines gläubigen Muslimen steht, sind es sicher keine jener Exzesse, wie man sie mit Boxern assoziiert, die mit dem im Übermaß verdienten Geld nicht umgehen können. Was den ehemaligen Weltmeister zweier Verbände im Halbweltergewicht umtreibt, ist nicht im einzelnen bekannt, doch konnte man immerhin seine ans Obsessive grenzenden Versuche verfolgen, sich Mayweather und Pacquiao als Gegner zu empfehlen. Ob sie ihn erhört hätten, wäre er weniger aufdringlich zu Werke gegangen, steht dahin, doch gab seine Karriere in den letzten Jahren auch keinen Anlaß, in ihm einen sonderlich attraktiven Kontrahenten zu sehen.

Dem Vernehmen nach hatten sich insbesondere die Sender gegen ihn ausgesprochen, was nicht allein darauf zurückzuführen war, daß er als britischer Boxer einen schweren Stand beim US-Publikum hat, dessen Erinnerungsvermögen ungewöhnlich kurz ausgelegt zu sein scheint. Ein wesentlicher Hinderungsgrund war der Umstand, daß er seit seiner Niederlage gegen Danny Garcia im Jahr 2012 keine riskanten Kämpfe mehr bestritten hat. Statt dessen suchte er sich durchweg schwächere Gegner aus, die ihm teilweise körperlich klar unterlegen waren, weil sie aus niedrigeren Gewichtsklassen kamen. Namhaften Kontrahenten wie Keith Thurman, Errol Spence, Shawn Porter, Timothy Bradley, Danny Garcia und nun möglicherweise auch Kell Brook geht er aus dem Weg, da eine weitere Niederlage seinen Anspruch, sich auf die allergrößten Stars zu konzentrieren, endgültig ad absurdum führen würde.

Für einen Boxer mit seiner Bilanz von 31 Siegen und drei Niederlagen sind seine Ranglistenplätze bei den Verbänden WBC (1), WBA (2), WBO (3) und IBF (4) ausgezeichnet. Theoretisch stünden ihm viele Türen offen, Titelkämpfe anzustreben, könnte er sich denn dazu durchringen, den nächsten Gegner zu benennen. Eddie Hearn hat sich insofern einen gewissen Optimismus bewahrt, als Khans Alternativen eine nach der andern in der Versenkung verschwinden und am Ende womöglich nur noch Kell Brook als einzig attraktive Option übrigbleiben könnte.

Da Manny Pacquiao für seinen nächsten Auftritt am 9. April in Las Vegas den US-Amerikaner Timothy Bradley ausgesucht hat, ist Khan wiederum leer ausgegangen. Wenngleich nicht restlos auszuschließen ist, daß der Brite Gelegenheit bekommen könnte, gegen den Sieger anzutreten, stehen die Chancen dafür doch schlecht. Neben dem Sender HBO hält auch Promoter Bob Arum, bei dem Pacquiao und Bradley unter Vertrag stehen, wenig von einem Kampf gegen Khan, der sich seines Erachtens schlecht vermarkten ließe.

Da der Brite zuletzt im Mai 2015 gekämpft und sich dabei eher umstritten als überzeugend gegen Chris Algieri durchgesetzt hat, wird es für ihn höchste Zeit, in den Ring zurückzukehren. Nach einer langen Pause ist es für einen Boxer erfahrungsgemäß sehr schwer, überschüssiges Gewicht loszuwerden und sich wieder in Form zu bringen. Herausragende Akteure der Branche wie Gennadi Golowkin bestreiten regelmäßig drei bis vier Kämpfe pro Jahr und legen dabei stets eine tadellose körperliche Verfassung und Konditionsstärke an den Tag. Auch ist das Team des Kasachen dafür bekannt, terminliche Ankündigungen und getroffene Zusagen einzuhalten.

Hingegen ist nicht abzusehen, wann Amir Khan wieder einen Kampf bestreitet, welchen Gegner er sich dafür aussucht und ob er dabei das Risiko eingeht, ausnahmsweise einen ebenbürtigen Kontrahenten zu wählen. Im Grunde wäre in diesen Belangen sein Management gefragt, Vorschläge zu machen, Gespräche zu führen und nötigenfalls mit sanftem Druck nachzuhelfen, um die Karriere des zögernden Boxers wieder in Schwung zu bringen. Der Brite scheint jedoch längst alle maßgeblichen Entscheidungen selber zu treffen und dabei einen Kurs anzulegen, dessen Konsistenz in zunehmendem Maße zu wünschen übrigläßt. [1]


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/01/hearn-doubts-khan-wants-kell-brook-fight/#more-203741

4. Januar 2016


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