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MELDUNG/1994: Die Pflichten des Amtes (SB)



IBF setzt Anthony Joshua eine Frist

Der Verband IBF hat dem britischen Schwergewichtler Anthony Joshua eine Frist bis spätestens 9. Januar 2017 für die Pflichtverteidigung seines Titels gegen Joseph Parker aus Neuseeland gesetzt. Da die IBF in dieser Hinsicht erfahrungsgemäß einen strikten Kurs angelegt hat, droht dem Champion der Verlust des Gürtels am grünen Tisch, sollte er den Termin nicht einhalten. In Anbetracht dieser Auflage bleibt dem Weltmeister nicht mehr allzu viel Zeit, den Gürtel zuvor noch einmal freiwillig zu verteidigen, wie dies sein Promoter Eddie Hearn plant.

Der 24jährige Parker könnte sich als ein recht harter Prüfstein für den zwei Jahre älteren Joshua erweisen, zumal er ebenfalls ungeschlagen ist und mit 19 gewonnenen Kämpfen sogar noch zwei Siege mehr vorzuweisen hat. Zumindest traut man dem Neuseeländer zu, im Gegensatz zu den meisten bisherigen Kontrahenten des Briten ernsthaft zurückzuschlagen und sich nicht von ihm überrollen zu lassen. Er ist zwar etwas kleiner und leichter als Joshua, doch scheint der körperliche Unterschied nicht so groß zu sein, daß Parker von vornherein im Nachteil wäre. Er bestreitet am 21. Juli in Neuseeland einen Aufbaukampf gegen Solomon Haumono, für den 24 Siege, zwei Niederlagen und zwei Unentschieden zu Buche stehen. Danach werden wohl noch zwei weitere Auftritte folgen, bis es dann Anfang 2017 gegen Joshua geht.

Der IBF-Weltmeister hat bei seiner ersten freiwilligen Titelverteidigung am vergangenen Wochenende in der Londoner O2 Arena den enttäuschenden Herausforderer Dominic Breazeale in der siebten Runde besiegt. Hearn und Joshua hatten diesen Gegner ausgesucht, weil er ebenfalls bei den Olympischen Spielen 2012 in den Ring gestiegen war, 17 Kämpfe gewonnen hatte und aus den USA kam. Letzteres war von Bedeutung, weil der Champion kürzlich einen Vertrag über mehrere Kämpfe mit dem US-Sender Showtime abgeschlossen hat. Will Joshua in den USA auftreten, muß er sich dem dortigen Publikum vorstellen, was auf diesem Wege gebahnt werden soll.

Der Plan hatte insofern einen Haken, als auch Breazeale dem US-Publikum nicht gerade geläufig ist. Wer sich ein wenig auskennt wußte zudem, daß Dominic Breazeale im vergangenen Jahr nur mit viel Glück gegen den Aufbaugegner Fred Kassi gewonnen hatte. Ob Showtime im Rahmen der Zusammenarbeit mit Matchroom Sports ein Vetorecht hinsichtlich der Gegner Joshuas hat oder zumindest die Übertragung aussetzen könnte, wenn die Option zu unattraktiv erscheint, ist nicht bekannt. Jedenfalls war davon keine Rede, was natürlich nicht ausschließt, daß man sich beim Sender darüber durchaus Gedanken macht.

Das Problem war nicht die Niederlage des Herausforderers, sondern dessen geringe Gegenwehr. Statt die Ankündigung wahrzumachen, er werde wie ein Löwe kämpfen, zog sich Breazeale immer mehr zurück, um nicht getroffen zu werden. Joshua hatte ihm frühzeitig die Initiative abgenommen, da er schlichtweg etwas schneller schlug und dem Gegner auf diese Weise ständig zuvorkam. Das irritierte diverse Experten am Ring, die sich in der Einschätzung einig waren, das man jeden Schlag Joshuas schon im Ansatz erkennen könne. Als der US-Amerikaner dennoch nicht Schritt halten konnte, zeichnete sich in aller Deutlichkeit ab, daß auch dieser Gegner kaum mehr als weiteres Kanonenfutter für den jungen Briten war. [1]

Dem Vernehmen nach bestreitet Joshua am 8. November seine zweite Titelverteidigung, für die noch ein Gegner gefunden werden muß. Die Weltmeister Tyson Fury und Deontay Wilder kommen im laufenden Jahr nicht mehr in Betracht, Joseph Parker könnte theoretisch vorgezogen werden, was aber kaum geschehen wird. Damit bliebe zum einen David Haye, der wahrscheinlich zugreifen würde, machte man ihm ein entsprechendes Angebot. Allerdings sind die Meinungen geteilt, ob Joshua rasch gegen seinen Landsmann antreten sollte, ehe dieser womöglich die Form früherer Tage wiedererlangt, oder ihn im Gegenteil lieber solange meiden sollte, bis er sich selbst weiter verbessert hat.

In Frage käme für den 8. November aber auch eine Revanche mit Dillian Whyte, den Joshua im Dezember 2015 in der O2 Arena in der siebten Runde besiegt hat. Dies war neben 17 Siegen die bislang einzige Niederlage des britischen Rivalen. Whyte brachte den Kontrahenten in der zweiten Runde schwer in Bedrängnis, doch verschlimmerte sich dabei eine Verletzung an seiner linken Schulter. Diese hinderte ihn daran, Joshua entscheidend nachzusetzen, und machte in der Folge eine Operation erforderlich.

Im Vorprogramm der Titelverteidigung Anthony Joshuas gegen Dominic Breazeale vor Wochenfrist kehrte Dillian Whyte nach sechs Monaten Pause erfolgreich in den Ring zurück. Der 28jährige besiegte den Kroaten Ivica Bacurin nach zwei Niederschlägen in der sechsten Runde, da der Kampf abgebrochen wurde. Allerdings hatte der Schwergewichtler aus Brixton zunächst beträchtliche Probleme, den beweglichen Gegner zu stellen, der sich ihm immer wieder entzog oder sofort klammerte, wenn es eng wurde. Wenngleich Bacurin mehrfach vom Ringrichter verwarnt wurde, nahm er immer wieder zum Festhalten Zuflucht, um Whyte am Schlagen zu hindern. [2]

Dieser hinterließ insgesamt gesehen keinen guten Eindruck, was zum einen an seinem beträchtlichen Gewicht gelegen habe dürfte. Vor allem aber machte er von der Linken nur sehr eingeschränkt Gebrauch, die er ausschließlich als Jab einsetzte. Hingegen sah man seinen linken Haken überhaupt nicht, der früher seine gefährlichste Waffe war. Wenngleich offenblieb, ob der Londoner lediglich seine Schulter schonte, oder nicht in der Lage war, den Arm in vollem Umfang einzusetzen, stimmte dieses Bild doch bedenklich. Für einen Gegner wie den Kroaten reichte die Rechte aus, mit der Whyte die beiden Niederschläge erzielte. Um an der Spitze mitzuhalten, genügt das jedoch mit Sicherheit nicht, weshalb eine längere Aufbauphase unabdingbar ist.

Sein nächster Auftritt soll bereits am 30. Juli in Leeds über die Bühne gehen, ein passender Gegner wird noch gesucht. Whyte wäre gut beraten, vorerst von möglichen Kämpfen gegen Dave Allen oder Dereck Chisora abzusehen. Natürlich könnte Joshua auf die Idee kommen, im November erneut gegen seinen Rivalen anzutreten, ehe dieser wieder uneingeschränkt kämpfen kann. Damit ließe sich die Gefahr abwenden, daß dieser im zweiten Anlauf zu Ende bringt, woran er im ersten durch seine Verletzung gehindert wurde. Whyte sollte sich keinesfalls darauf einlassen, um einer hohen Börse willen um den Titel zu kämpfen, sofern er seine boxerischen Mittel und Möglichkeiten nicht im vollen Umfang wiederhergestellt hat. Noch ist ungewiß, ob er seine vordem vielversprechende Karriere je wieder auf dem früheren Niveau fortsetzen kann. [3]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/06/joshua-january-9-face-joseph-parker/#more-212776

[2] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/16515740/george-groves-outpoints-martin-murray-set-another-world-title-shot

[3] http://www.boxingnews24.com/2016/06/dillian-whyte-vs-ivica-bacurin-results/#more-212547

2. Juli 2016


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