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MELDUNG/1995: Russe entzaubert blau-weiß-roten Patriotismus (SB)



Denis Schafikow demontiert Jamel "Semper Fi" Herring

Das Vorhaben des ehemaligen Marineinfantristen und Irakveteranen Jamel "Semper Fi" Herring, seine Siegesserie gegen den erfahrenen Russen Denis Schafikow fortzusetzen und im Vorfeld des 4. Juli in eine patriotische Jubelfeier münden zu lassen, endete mit einem Debakel. Bei ihrem Kampf im Leichtgewicht, der in Reading, Pennsylvania, ausgetragen wurde, gewann der als Außenseiter gehandelte Schafikow nicht nur fast alle Runden, sondern behielt schließlich durch technischen K.o. im zehnten Durchgang die Oberhand. Der 31jährige Russe, in der IBF-Rangliste an Nummer neun und beim WBC an vierzehnter Stelle geführt, baute seine Bilanz auf 37 Siege, zwei Niederlagen sowie ein Unentschieden aus. Für den ein Jahr jüngeren Herring stehen nun 15 gewonnene Kämpfe und ein verlorener Auftritt zu Buche. [1]

Obwohl Jamel Herring deutlich größer als sein Gegner war und über entsprechende Reichweitenvorteile verfügte, zeichnete sich frühzeitig ab, daß der Russe schneller schlug und dabei eine enorme Wirkung entfaltete. Nur in der ersten Runde hielt der US-Amerikaner noch recht gut mit, indem er fleißig mit dem Jab arbeitete und sich ständig umherbewegte, um den Schlägen Schafikows zu entgehen. Bald hatte sich der Außenseiter jedoch warmgeboxt und ging fortan beherzt und überlegen zur Sache. Wenngleich Herring weiterhin versuchte, den Kontrahenten mit Jabs und Kombinationen fernzuhalten, duckte sich dieser geschickt ab und marschierte problemlos durch die harmlosen Schläge des Favoriten, um ihn mit schweren Treffern an Kopf und Körper zu traktieren.

In der zweiten Runde landete Herring nach einem schweren Treffer in den Seilen, die seinen Sturz verhinderten, worauf Ringrichter Gary Rosato die Aktion zu Recht als Niederschlag wertete. Schafikow versetzte dem Gegner des öfteren heftige Uppercuts aus der Halbdistanz und traf ihn in der fünften Runde mit einer Linken am Kopf, worauf Herring sichtlich angeschlagen war und zehn weitere Schläge über sich ergehen lassen mußte, ohne Gegenwehr zu leisten. Daß er dennoch nicht zu Boden ging, zeugte von einem enormen Durchhaltevermögen, das freilich seine einzige herausragende Qualität in diesem ungleichen Kampf war. Im siebten Durchgang trug er eine Rißwunde neben dem rechten Auge davon und sah sich auf der Verliererstraße, da er von der zweiten Runde an die Punkte abgegeben hatte.

Um das Blatt zu wenden, bedurfte es einer spektakulären Aktion, die Herring jedoch vergeblich herbeizuführen versuchte. Wenngleich er nun die größtmögliche Wucht in seine Schläge legte, reichte diese nicht aus, um Schafikow wenigstens zu bremsen, geschweige denn ernsthaft in Schwierigkeiten zu bringen. In der neunten Runde schwankte Herring nach einem wuchtigen Treffer und konnte sich nicht mehr schützen, während ihm der Russe Schlag um Schlag versetzte. Der US-Amerikaner schüttelte zwar immer wieder den Kopf, als könne ihm Schafikow nichts anhaben, doch zeugten seine weichen Knie davon, daß er sich mit letzter Kraft auf den Beinen hielt.

In der Pause blieb Herring in der Ecke stehen, während sein Trainer ihn mit Nachdruck anspornte, sich in der nächsten Runde besser zu behaupten, da er ihn andernfalls aus dem Kampf nehmen werde. Kaum war der Durchgang eingeläutet, als Schafikow zwei wuchtige Linke zum Kopf des US-Amerikaners durchbrachte, worauf dessen Trainer auch schon das Handtuch zum Zeichen der Aufgabe schwenkte. Daraufhin erklärte der Referee den Kampf nach 36 Sekunden der zehnten Runde für beendet.

Denis Schafikow hat von 40 Profikämpfen nur zwei verloren, wobei es in beiden Fällen um einen Titel ging. Im Jahr 2014 mußte er sich dem IBF-Weltmeister Miguel Vazqez nach Punkten geschlagen geben, dem er wesentlich größere Probleme bereitete, als dies in der Wertung zum Ausdruck kam. Im Dezember 2015 unterlag der Russe im Kampf um den vakanten IBF-Titel dem Kubaner Rances Barthelemy ebenfalls einstimmig nach Punkten. Wie Schafikow nach seinem unangefochtenen Sieg über Herring erklärte, strebe er nun einen dritten Anlauf auf die Weltmeisterschaft an. [2]

Jamel Herring machte trotz seiner klaren Niederlage keine schlechte Figur, zumal er ungeachtet seiner Unterlegenheit durchhielt, bis seine Ecke vernünftigerweise eingriff. Er hatte zuvor seine wesentlichsten Erfolge gegen Yakabu Amidu und Luis Eduardo Florez erzielt, die nicht annähernd so gefährlich wir Denis Schafikow waren. Herring fehlte es schlichtweg an Erfahrung, um dem Veteranen Paroli zu bieten, der mehr als doppelt so viele Kämpfe bestritten hatte, dabei aber nur ein Jahr älter war. Daß der 30jährige US-Amerikaner seine Schlagwirkung noch entscheidend steigern kann, ist höchst unwahrscheinlich. Da er jedoch erst 16 Profikämpfe bestritten hat, sollte es durchaus möglich sein, seine mobile Kampfesweise auszubauen und die technischen Fertigkeiten zu verbessern.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/16717182/denis-shafikov-defeats-unbeaten-jamel-herring-tko

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/07/denis-shafikov-vs-jamel-herring-results/#more-212850

4. Juli 2016


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