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MELDUNG/1999: Ein folgenschwerer Ausfall (SB)



Gilberto Ramirez sagt Kampf gegen Dominik Britsch ab

Gilberto Ramirez kann den Titel der WBO im Supermittelgewicht nicht wie geplant am 23. Juli im MGM Grand in Las Vegas gegen Dominik Britsch verteidigen. Der 25jährige Mexikaner zog sich beim Sparring eine Handverletzung zu, die bei der ärztlichen Untersuchung als Bänderriß am Knöchel des Mittelfingers diagnostiziert wurde und eine Operation erforderlich macht. Dieses Mißgeschick setzt den in 34 Kämpfen ungeschlagenen Weltmeister für mindestens fünf Monate außer Gefecht.

Ramirez hatte sich den Gürtel am 9. April in Las Vegas durch einen souveränen Sieg über Arthur Abraham gesichert. Der Berliner wollte sich bei seinem ersten Auftritt in der Spielerstadt in den USA einen Namen machen, doch scheiterte er aufgrund einer desolaten Vorstellung. Während der als Außenseiter gehandelte Herausforderer eine technisch und taktisch überzeugende Vorstellung gab, gelang es dem Berliner überhaupt nicht, den beweglichen Gegner zu stellen und ernsthaft zu treffen, so daß er keine einzige Runde gewann.

Nach diesem Coup träumte Ramirez von einem Höhenflug, und sein Promoter heizte die Phantasien mit der Perspektive eines Kampfs gegen Gennadi Golowkin an. Der 84jährige Bob Arum wollte den jungen Mexikaner in diesem Jahr noch zweimal kämpfen lassen und Anfang 2017 mit dem Kasachen in den Ring schicken, der das Mittelgewicht dominiert. Die Verletzung hat diese Pläne durchkreuzt, da Ramirez 2016 allenfalls eine freiwillige Titelverteidigung absolvieren kann. Dennoch gegen Golowkin anzutreten, sofern dieser überhaupt daran interessiert ist, einen Auftritt in der höheren Gewichtsklasse zu geben, wäre ein unvertretbares Risiko.

Auch für den 28 Jahre alten Dominik Britsch ist diese Wendung fatal. Der an Nummer elf der WBO-Rangliste geführte Herausforderer galt als krasser Außenseiter, da er noch keinen hochklassigen Kontrahenten besiegt hat. Er mußte sich den wenig bekannten Roberto Santos und Soufiene Ouerghi geschlagen geben, ohne dafür später Revanche zu nehmen. Seither hat er mit Slavisa Simeunovic, Aro Schwartz, Adnan Zilic und Suleyman Dag vier Aufbaugegner besiegt, deren Namen selbst Experten wenig sagen dürften. Daß er den Titelkampf gegen Ramirez überhaupt bekommen sollte, dürfte Teil einer Übereinkunft zwischen Bob Arum und Sauerland Event gewesen sein.

Der Berliner Promoter hatte sich die Austragungrechte am Kampf Arthur Abrahams und damit dessen Heimvorteil für eine ungenannte Summe von Top Rank abkaufen lassen. Man kann wohl davon ausgehen, daß auf die eine oder andere Weise vereinbart wurde, den Mexikaner im Falle seines Sieges gegen einen Akteur antreten zu lassen, der bei Sauerland unter Vertrag steht. Britsch hätte sich nicht nur die unverhoffte Gelegenheit geboten, einen Weltmeister herauszufordern. Er wäre sogar in Las Vegas aufgetreten und Teil des Pakets im Pay-TV geworden, wovon zahllose andere und wesentlich prominentere Boxer vergeblich träumen. Wenngleich nicht ausgeschlossen ist, daß Ramirez nach seiner Genesung den verschobenen Kampf gegen Britsch nachholt, könnte sich die Perspektive für den WBO-Champion und dessen Promoter zu diesem Zeitpunkt doch längst verschoben haben.

Bob Arum hat nach dem Ausfall des Mexikaners vorerst andere Sorgen. Dessen Titelverteidigung sollte im Vorprogramm eines hochkarätigen Kampfs über die Bühne gehen, bei dem mit WBO-Weltmeister Terence Crawford und WBC-Champion Wiktor Postol die anerkannt besten Akteure des Halbweltergewichts aufeinandertreffen. Diese außergewöhnliche Konstellation war nicht zuletzt deshalb möglich, weil beide Akteure bei Top Rank unter Vertrag stehen. So sportlich herausragend dieses Duell ist, gilt es in finanzieller Hinsicht doch keineswegs als Selbstgänger, da Crawford und Postol erstmals im Bezahlfernsehen auftreten. [1] Boxen steht in den USA zumeist im Schatten beliebterer Sportarten wie Football, Basketball oder Baseball, ja selbst des Wrestling und der Mixed Martial Arts. Das breitere Publikum kennt nur wenige namhafte Boxer, so daß die Akteure mit guten Quoten im Pay-TV sehr dünn gesät sind.

Aus diesem Grund wollte Arum das Angebot mit einem zweiten Titelkampf unter Beteiligung des Mexikaners aufwerten, für dessen Auftritt sich erfahrungsgemäß eine große Fangemeinde mobilisieren läßt. Wenngleich sich Ramirez auch in dieser Hinsicht nicht mit Saul "Canelo" Alvarez vergleichen kann, sind seine begeisterungsfähigen Landsleute doch eine relativ sichere Bank, will man die Zuschauerzahlen nach oben treiben. Bob Arum bleiben indessen nur wenige Tage Zeit, einen Plan B zu entwerfen und in die Tat umzusetzen, zumal die Szene nun mit Argusaugen verfolgen dürfte, wen er als Ersatz aufbietet. Gelingt es ihm nicht, eine attraktive Alternative zu präsentieren, wird dies nicht unkommentiert bleiben und zusätzlich dazu beitragen, die Buchungen der Veranstaltung in den Keller rutschen zu lassen.

Wenngleich Bob Arum in der Vergangenheit zumeist darauf beharrt hat, daß die Fans einen Kampf nicht wegen des Vorprogramms buchen, könnte diese These in Kürze widerlegt werden. Da Crawford und Postol nicht sonderlich populär sind, dürfte ein zusätzlicher Anreiz durchaus geeignet sind, die Vermarktung zu beflügeln. Der Promoter hält zu Recht große Stücke auf Terrence Crawford, der einer der besten Konterboxer der gesamten Branche ist. Dennoch hat der WBO-Weltmeister nur in seiner Heimatstadt Omaha, Nebraska, eine treue Anhängerschaft, die bei seinen Auftritten die größte Halle füllt. Da Omaha jedoch nur 434.000 Einwohner hat, ist der Zulauf von vornherein beschränkt. [2]

Obgleich Arum vermutlich davon ausgegangen war, daß Ramirez die Zuschauer bringt und der in den USA gänzlich unbekannte Britsch diesbezüglich keine Rolle spielt, könnte sich diese Einschätzung zumindest tendenziell ändern, sofern die Verkaufszahlen des Kampfs zwischen Crawford und Postol hinter den Erwartungen zurückbleiben. In diesem Fall würde der Promoter zweifellos darüber nachdenken, einen zugkräftigeren Gegner für Gilberto Ramirez aufzutreiben, wenn dieser gegen Ende des Jahres in den Ring zurückkehrt. Das US-amerikanische Boxpublikum hat bekanntlich ein ausgesprochen kurzes Gedächtnis und könnte bis dahin das Interesse an dem Mexikaner weitgehend verloren haben.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/07/gilberto-ramirez-miss-five-months-hand-injury/#more-212964

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/07/gilberto-ramirez-suffers-hand-injury-unable-fight-july-23/#more-212955

8. Juli 2016


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