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MELDUNG/2025: Pokern um ein Geschenk des Himmels (SB)



David Haye will 2017 erneut Weltmeister werden

Schenkt man David Hayes prognostischen Entwürfen Glauben, wird er im nächsten Jahr zum zweiten Mal in seiner Karriere Weltmeister im Schwergewicht. Allerdings ist sich der inzwischen 35jährige Brite keineswegs sicher, welchen der aktuellen Titelträger er vom Thron zu stoßen gedenkt. Er habe die Qual der Wahl unter drei amtierenden Champions und sehe sich mit einer Situation konfrontiert, wie man sie seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt habe. Dies bestärke ihn in der Überzeugung, daß er sich 2017 einen Gürtel umlegen könne, sei es der Anthony Joshuas, Deontay Wilders oder jener des Siegers der Revanche zwischen Tyson Fury und Wladimir Klitschko. [1]

Joshua (IBF) will im Spätherbst seinen Titel freiwillig verteidigen, bevor er dann Anfang nächsten Jahres auf den Pflichtherausforderer Joseph Parker aus Neuseeland trifft. Wilder (WBC) kuriert derzeit die Verletzungen an Hand und Bizeps aus, die er sich im Kampf gegen Chris Arreola zugezogen hatte, worauf eine operative Behandlung erforderlich war. Fury (WBA, WBO, IBO) bestreitet am 29. Oktober in Manchester die verschobene Revanche gegen Klitschko. Am unübersichtlichsten ist die Situation bei der WBA, wenngleich diese ein Turnier im Schwergewicht plant, aus dem am Ende ein einziger Weltmeister hervorgehen soll.

Als Superchampion dieses Verbands firmiert Tyson Fury, während der Titel des regulären Weltmeisters derzeit vakant ist. Diese nachrangige Trophäe hatten in den zurückliegenden zehn Jahren Nikolai Walujew, Ruslan Tschagajew, Alexander Powetkin, David Haye und kurzzeitig Lucas Browne in Besitz. Nachdem letzterer durch den Dopingtest gefallen war, ging der Gürtel zurück an Tschagajew. Dieser stellte sich jedoch dem Pflichtherausforderer Fres Oquendo nicht, sondern beendet offenbar seine Karriere. An der Spitze der WBA-Rangliste steht Luis Ortiz, gefolgt von Wladimir Klitschko, Alexander Ustinow, Fres Oquendo, David Haye und Shannon Briggs.

Ortiz und Ustinow planten einen Kampf, der am 17. September in Las Vegas stattfinden sollte. Inzwischen sind die Verhandlungen jedoch an unvereinbaren Börsenvorstellungen gescheitert. Oquendo hat nach seiner knappen Niederlage gegen Tschagajew im Juli 2014 den Anspruch gerichtlich eingeklagt, als nächster eine Titelchance zu bekommen, jedoch seither nicht mehr im Ring gestanden. Haye wollte sich eigentlich im Herbst mit Shannon Briggs messen, worüber sich die beiden geeinigt zu haben schienen. Der US-Amerikaner trat im Vorprogramm des Briten auf, der ihm dafür eine feste Zusage gegeben hatte, im September gegen ihn anzutreten, was er auf einer gemeinsamen Pressekonferenz wiederholte.

Seither ist jedoch kein Wort mehr über diesen Kampf zu hören, der normalerweise längst offiziell angekündigt und beworben sein müßte. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß sich Haye bedeckt hält, solange die Frage ungeklärt ist, wie der reguläre Titel der WBA neu vergeben wird. Offenbar will er sein Pulver nicht an Shannon Briggs verschießen, sofern ihm dadurch die Chance durch die Lappen geht, um den Gürtel zu kämpfen. Nun hängt der weitere Fortgang davon ab, wann sich der Verband endlich zu einer Entscheidung durchringt und wie diese ausfällt. [2]

David Haye war Weltmeister zweier Verbände im Cruisergewicht, bis er 2008 ins Schwergewicht aufstieg. Vor fünf Jahren mußte er sich Wladimir Klitschko in einem hochdotierten Kampf klar nach Punkten geschlagen geben. Einige Zeit später vereinbarte er ein Duell mit Tyson Fury, das er jedoch verschieben und letzten Endes wegen einer Schulterverletzung absagen mußte, die eine Operation unabdingbar machte. Man wähnte Haye längst auf dem sportlichen Altenteil, als er nach einer langen Unterbrechung von vier Jahren doch wieder in den Ring zurückkehrte. Seither hat er mit Mark de Mori und Arnold Gjergjaj zwei weithin unbekannte Gegner vorzeitig besiegt.

Dennoch wird er bei den Verbänden IBF (3), WBO (4), WBA (5) und WBC (6) schon wieder an aussichtsreichen Positionen der Rangliste geführt. Er arbeite an seinem nächsten Kampf, der gehaltvoll und aufregend werden solle, damit die Zuschauer auf ihre Kosten kämen, so Haye. Für britische Schwergewichtler sei dies eine gute Zeit. An wen genau er hinsichtlich seines kommenden Auftritts denkt, ließ der ehemalige Champion offen, was den Eindruck verstärkt, daß er es selbst nicht weiß. Noch ist das Thema Shannon Briggs nicht ganz vom Tisch, wobei der US-Amerikaner ein recht bekannter, aber keineswegs hochklassiger Gegner wäre.

Gefährlicher wären da schon der Kanadier Bermane Stiverne oder der Bulgare Kubrat Pulew, bei denen Haye jedoch in seiner derzeitigen Aufbauphase ein hohes Risiko eingehen würde. Sein Dilemma besteht vorerst darin, daß er relativ schwache Gegner braucht, um sich unbehelligt in Schwung zu bringen und zu glänzen. Mit solchen Siegen wird er jedoch kaum den erhofften Titelkampf bekommen, da er sich dafür wohl an die Spitze der Rangliste vorarbeiten muß. Freiwillig wird kaum ein Champion seinen Gürtel gegen Haye verteidigen, der aus der Vergangenheit den Ruf mitbringt, mit seinen gewaltigen Schwingern als "Hayemaker" alles niederzumähen. Wenngleich bei den beiden Auftritten seit seinem Comeback offenblieb, ob er einen Gang über die volle Distanz konditionell bewältigt hätte, neigt die Konkurrenz nicht dazu, ihn sträflich zu unterschätzen.

Promoter Eddie Hearn, der für seinen Weltmeister Anthony Joshua noch einen passenden Herausforderer sucht, hält sich bislang eher bedeckt, was David Haye betrifft. Um mit dem Rückkehrer Geld zu verdienen, muß dieser zunächst namhaftere Gegner besiegen und sich ins Gespräch bringen. Grundsätzlich steht Haye vor dem Problem, daß Anthony Joshua, Deontay Wilder, Tyson Fury und Wladimir Klitschko alle um die zwei Meter messen oder sogar noch größer sind. Um seine körperliche Unterlegenheit zu kompensieren, müßte er Mittel aufbieten, an denen es ihm schon in seiner besten Zeit mangelte, wie die damalige Niederlage gegen Klitschko gezeigt hat. Daß der Ukrainer nachgelassen hat und Fury bei seinem Titelgewinn kaum besser war, hilft Haye insofern nicht weiter, als er selber erst wieder Fahrt aufnehmen muß.

Realistisch gesehen ist der vakante Titel des regulären WBA-Weltmeisters die einzige Trophäe, die sich Haye in absehbarer Zeit sichern könnte. Der Kubaner Luis Ortiz will unangefochtener Champion werden, Klitschko an Fury Revanche nehmen. Ustinow könnte versuchen, Ortiz doch noch vor die Fäuste zu bekommen, um darüber Pflichtherausforderer eines namhaften Weltmeisters zu werden. Daß der Verband den Entschluß fassen könnte, Haye gegen Oquendo oder Briggs um den Titel kämpfen zu lassen, ist unter diesen Umständen nicht restlos auszuschließen, und um dieses Glücksgeschenk scheint der Brite derzeit zu pokern.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/08/david-haye-expects-world-champion-2017/#more-214652

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/08/wba-heavyweight-situation/#more-214414

10. August 2016


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