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MELDUNG/2029: Soll es noch schlimmer kommen? (SB)



Antonio Margarito setzt sich gegen Ramon Alvarez durch

Der frühere Weltmeister Antonio Margarito aus Mexiko hat in einem Kampf des Halbmittelgewichts, der in Rosarito ausgetragen wurde, seinen Landsmann Ramon Alvarez knapp nach Punkten besiegt (97:92, 97:92, 94:95). Während der 38jährige ehemalige Champion damit 40 Auftritte gewonnen und acht verloren hat, stehen für den 30 Jahre alten Bruder des Mittelgewichtsstars Saul "Canelo" Alvarez nunmehr 23 Siege, fünf Niederlagen sowie zwei Unentschieden zu Buche. Margarito hatte seine Karriere 2001 aufgrund einer schweren Augenverletzung für beendet erklärt, war aber nach fast fünfjähriger Unterbrechung im März mit einem Sieg über Jorge Paez in den Ring zurückgekehrt.

Alvarez ging in der zweiten Runde mit seinem Jab in die Offensive, um Margarito auf Abstand zu halten, während er zugleich des öfteren zum Körper des Gegners schlug. Solange es ihm gelang, aus der Distanz zu boxen, machte er dank seiner höheren Schlagfrequenz die bessere Figur. Zunächst konnte Alvarez auch mit Geraden und Uppercuts punkten, doch nach und nach kam der Kontrahent aus Tijuana mit seinen Kontern zum Zuge und trieb ihn des öfteren in die Seile.

Von der fünften Runde an gewann Margarito mit dem Jab die Oberhand, wobei er Konter des Gegners geschickt neutralisierte. Im folgenden Durchgang erhöhte er den Druck, womit er offensichtlich den Plan des Widersachers durchkreuzte, den Rhythmus des Kampfs zu bestimmen. Obgleich er der ältere von beiden war, ließ Margarito konditionell nicht nach, sondern erzielte in der achten Runde mit einer rechten Geraden sogar einen Niederschlag. Alvarez versuchte in den letzten beiden Durchgängen des auf zehn Runden angesetzten Kampfs, das Blatt noch einmal zu wenden, doch brachte er außer einem gefährlichen linken Haken, der Margarito erschütterte, keine entscheidende Aktion mehr zustande. [1]

An Ramon Alvarez, der angesichts des knappen Ergebnisses eine Revanche verlangte, scheint Margarito das Interesse verloren zu haben. Wie sein Gegner behauptete, hätten ihn die Punktrichter benachteiligt, zumal er bei dem angeblichen Niederschlag eher ausgerutscht als getroffen worden sei. Diese Einschätzung kann man jedoch nicht teilen, da Margarito in der fraglichen Situation zunächst drei wuchtige Treffer gelandet hatte. Als sich Alvarez daraufhin wegdrehte, um zu flüchten, schickte ihn der Gegner mit einem weiteren Schlag zu Boden.

Unmittelbar nach seinem Erfolg forderte der "Tijuana Tornado" einen Kampf gegen Saul "Canelo" Alvarez oder Miguel Cotto ein, womit er die Latte natürlich sehr hoch hängte. Während ihn die Fans noch überschwenglich feierten, unterstrich der 38jährige Rückkehrer, daß er nun bereit für bedeutende Kämpfe sei. Was "Canelo" und Cotto davon halten, muß sich natürlich erst noch zeigen, doch ist keineswegs auszuschließen, daß sie den Veteranen für eine recht namhafte und zugleich leichte Beute erachten.

Miguel Cotto hat geraume Zeit mit dem 42jährigen Juan Manuel Marquez über einen möglichen Kampf verhandelt, woraus man schließen kann, daß er durchaus ältere und körperlich eingeschränkte Kontrahenten in Erwägung zieht, solange sie nur einen relativ guten Namen haben. Marquez hat seit 2014 keinen Kampf bestritten, da seine Knieprobleme offenbar nicht mehr zu beheben sind.

Auch Saul "Canelo" Alvarez könnte auf den Gedanken verfallen, sich im Dezember einen weiteren Auftritt zu verschaffen, den er von vornherein so gut wie gewonnen hat. Er hat sich mit Alfredo Angulo, James Kirkland und zuletzt dem Weltergewichtler Amir Khan durchweg körperlich unterlegene Kontrahenten vorgenommen, während er den gefährlichsten Rivalen wie insbesondere Gennadi Golowkin aus dem Weg geht. Angulo und Kirkland hatten vor sieben Jahren ihre beste Zeit, Khan war zu leicht und zu wenig robust, um sich durchzusetzen. Für seinen nächsten Kampf im September hat sich "Canelo" mit Liam Smith zwar den WBO-Weltmeister im Halbmittelgewicht, aber wiederum einen Gegner ausgesucht, den man als krassen Außenseiter einstufen muß. [2]

Von Beginn seiner Profikarriere im Jahr 1994 bis 2009 war Antonio Margarito ein herausragender und zunehmend gefürchteter Boxer, der es zum Weltmeister im Weltergewicht brachte. Er machte seinem Kampfnamen "Tijuana Tornado" alle Ehre, da er in hoher Frequenz mehr als hundert Schläge pro Runde abzufeuern pflegte. Dies erwies sich als erfolgreich, bis er 2009 auf Shane Mosley traf, der ihn schlagend und klammernd neutralisierte und vorzeitig besiegte. Der Mexikaner wirkte bei diesem Auftritt mental weggetreten, nachdem zuvor aufgedeckt worden war, daß man seine Bandagen mit einer Gipsmischung gehärtet hatte. Seither hängt ihm der Ruf betrügerischer Praktiken an, den er nie wieder vollständig losgeworden ist. [3]

Bei seiner Niederlage gegen Manny Pacquiao in einem Titelkampf des Halbmittelgewichts im Jahr 2010 zog sich Margarito schwere Verletzungen am rechten Auge zu, die eine Operation erforderlich machten und ihn dreizehn Monate außer Gefecht setzten. Dann traf er auf Miguel Cotto, der Revanche für eine frühere K.o.-Niederlage nahm, bei der möglicherweise ebenfalls manipulierte Bandagen im Spiel gewesen waren. Der Mexikaner mußte sich in der zehnten Runde geschlagen geben und erlitt erneut Verletzungen am Auge. Diese zwangen ihn dazu, seine Karriere 2011 zu beenden.

Bei seiner Rückkehr am 5. März war er mit einem sichtlich deformierten Auge und wesentlich langsamer als in der Vergangenheit nur noch ein Schatten besserer Tage. Er setzte sich zwar gegen Jorge Paez nach Punkten durch, mußte aber sogar einen Niederschlag hinnehmen. Auch der zweitklassige Ramon Alvarez konnte von Glück reden, daß Margaritos Schlagfrequenz und Trefferwirkung stark nachgelassen haben. [4]

Wenngleich Margaritos Können nach wie vor ausreicht, Kontrahenten wie Paez oder Alvarez zu besiegen, sind doch namhaftere Akteure wie "Canelo" oder Cotto viel zu gefährlich für ihn. Er würde nicht nur den Kampf, sondern möglicherweise auch sein rechtes Auge verlieren. Deshalb kann man in seinem Fall nur wünschen, daß er die erhofften bedeutenden Auftritte nicht bekommt und darüber seine Einsicht reift, die zweite Karriere bald wieder zu beenden, ehe seine Gesundheit noch gravierenderen Schaden nimmt.


Fußnoten:

[1] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/17298846/antonio-margarito-defeats-ramon-alvarez-split-decision

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/08/margarito-wants-canelo-cotto-next/#more-214866

[3] http://www.boxingnews24.com/2016/08/margarito-alvarez-results/#more-214860

[4] http://www.espn.com/blog/dan-rafael/post/_/id/16527/margarito-continues-comeback-against-canelos-brother

15. August 2016


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