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MELDUNG/2071: Leichtfüßig wie einst der junge Ali? (SB)



Wassyl Lomatschenko lektioniert Nicholas Walters

Bob Arum, der auf eine 50jährige Tätigkeit als Promoter und 2000 von ihm auf die Beine gestellte Profiveranstaltungen zurückblicken kann, beging das Jubiläum mit der Darbietung eines Boxers, von dem er in den höchsten Tönen schwärmt. Wassyl Lomatschenko, den er nach der zweiten Goldmedaille bei Olympischen Spielen 2012 in London unter Vertrag genommen hat, sei in technischer Hinsicht der beste Boxer, den er seit dem jungen Muhammad Ali gesehen habe. Der Chef von Top Rank weiß, wovon er spricht, hat er doch 27 Kämpfe Alis als Promoter organisiert wie auch zahlreiche andere legendäre Akteure wie Floyd Mayweather, Manny Pacquiao, Oscar de la Hoya, George Foreman, Sugar Ray Leonard, Thomas Hearns, Roberto Duran, Marvin Hagler und Alexis Arguello in den Ring gebracht.

Der von ihm hoch gelobte Ukrainer gilt vielen als bester Amateurboxer aller Zeiten, denn er hat 396 Auftritte gewonnen, nur einen einzigen verloren und sich für diese Niederlage später zweifach revanchiert. Der inzwischen 28jährige Lomatschenko tritt derzeit mit einer Bilanz von sieben Siegen und einer Niederlage im Superfedergewicht an, wo er seit seinem vorzeitigen Erfolg gegen Roman Martinez im Juni WBO-Weltmeister ist. Bei seiner ersten Titelverteidigung bekam es der Rechtsausleger in Las Vegas mit dem ungeschlagenen Nicholas Walters zu tun, einem ehemaligen WBA-Champion im Federgewicht, der mit einer Bilanz von 26 Siegen und einem Unentschieden im Cosmopolitan antrat.

Da beide vordem Weltmeister im Federgewicht gewesen waren, hatte man bei ihrem nach langer Vorlaufzeit endlich zustande gekommenen Aufeinandertreffen ein relativ ausgewogenes Duell zwischen dem exzellenten Techniker und seinem mit enormer Schlagwirkung ausgestatteten Widersacher erwartet, das jedoch ausblieb. Ungeachtet des namhaften Gegners lieferte Lomatschenko abermals ein Meisterstück seines Könnens ab, dominierte er Walters doch sieben Runden lang auf ganzer Linie, bis der Herausforderer überraschend aufgab.

Der Ukrainer faßte hinterher das Geschehen kurz und bündig mit den Worten zusammen, Walters sei zwar ein guter Boxer, aber einfach zu häufig stehengeblieben, was ihm den Sieg leichtgemacht habe. Lomatschenko erteilte voreiligen Erklärungen für seine Überlegenheit eine Absage indem er warnte, es reiche nicht aus, ihn lediglich als schnell oder stark zu beschreiben. Man müsse hingebungsvoll trainieren und im Ring hochfunktional agieren, damit alles zusammenwirken könne, was ihn als guten Boxer auszeichne.

Wie Walters anschließend berichtete, habe er nicht aufgegeben, weil er am Ende gewesen wäre, sondern eine Fortsetzung des ungleichen Kampfs einfach keinen Sinn mehr gemacht habe. Lomatschenko habe ihn in der siebten Runde mehrfach getroffen, während ihm selbst nichts anderes übriggeblieben sei, als sich klammernd über die Zeit zu retten. Tatsächlich hatte der Ukrainer den Kontrahenten durchweg mit seinem schnellen Jab und der linken Geraden fast nach Belieben getroffen, während Walters' Ansätze zu wuchtigen Schlägen schlichtweg kein Ziel fanden. Lomatschenko bewegte sich so behende, daß ihn der Gegner in keiner Phase stellen oder ernsthaft treffen konnte.

Bob Arum zeigte sich keineswegs überrascht vom souveränen Auftritt seines Boxers, dessen größter Fan er seit ihrer ersten Begegnung sei. Lomatschenko sei schlichtweg großartig, und wer diesen Sport schätze, müsse den Ukrainer einfach bewundern. Er habe ein einzigartiges Talent, das ihn von allen anderen Akteuren abhebe. Wassyl Lomatschenko hatte einen Rekord eingestellt, als er bereits in seinem dritten Profikampf Weltmeister geworden war. Dem fügte er im Sommer eine weitere und diesmal allein von ihm erreichte Bestmarke hinzu, da bis dahin noch niemand schon im siebten Kampf Champion in der zweiten Gewichtsklasse geworden war.

Walters, der zuvor elf Monate nicht mehr im Ring gestanden hatte, mußte wohl auch dieser langen Pause Tribut zollen. Ihm war im Juni 2015 der Titel im Federgewicht aberkannt worden, nachdem er beim Wiegen vor dem Kampf gegen Miguel Marriaga über dem Limit gelegen hatte. Danach stieg er ins Superfedergewicht auf, wo er sich im Dezember 2015 mit einem umstrittenen Unentschieden von Jason Sosa trennte, bei dem ihn die meisten Beobachter für den klar überlegenen Boxer hielten. Das Angebot für einen Kampf gegen Lomatschenko im Juni war ihm nicht hoch genug, worauf sich seine Hartnäckigkeit zumindest in finanzieller Hinsicht auszahlte, da er nun mit 550.000 Dollar die höchste Börse seiner Karriere einstreichen konnte, während der Ukrainer erstmals eine Million erhielt. Was die sportlichen Belange betraf, schlug die lange Wartezeit eher negativ für Walters zu Buche. Wie der 30jährige Jamaikaner anführte, habe er unterdessen Gewicht zugelegt, während Lomatschenko aktiv geblieben sei. In ihrem Kampf habe der Ukrainer dann deutlich klarer getroffen und erheblich mehr Punkte gemacht.

Lomatschenko würde sich im nächsten Schritt gern mit dem Mexikaner Francisco Vargas messen, um ihm den WBC-Titel abzunehmen. Bob Arum hält das zwar im Prinzip für eine wünschenswerte Option, geht aber nicht davon aus, daß Promoter Oscar de la Hoya das Risiko eingehen würde, seinen Champion auch nur in die Nähe Lomatschenkos zu lassen. Daher zieht Arum eine Revanche gegen Orlando Salido vor, der den Ukrainer im Jahr 2014 in dessen zweitem Profikampf knapp nach Punkten bezwungen hatte. Er habe bereits mit Salidos Team über einen möglichen Rückkampf im Frühjahr 2017 gesprochen. Habe Lomatschenko diese offene Rechnung beglichen, könnte man möglicherweise in England gegen Terry Flanagan kämpfen und ihm den Titel im Leichtgewicht abjagen. Auch bei dessen Promoter Frank Warren habe er bereits sondiert, so Arum.

Darüber hinaus will Bob Arum einen Kampf gegen Manny Pacquiao nicht ausschließen, der ebenfalls bei ihm unter Vertrag steht und sich bei einer vereinbarten Gewichtsgrenze mit dem Ukrainer messen könnte. Zumindest wäre das ein denkbarer Weg für Wassyl Lomatschenko, wie erhofft zum besten Boxer aller Gewichtsklassen aufzusteigen. [1] Ob der inzwischen 38 Jahre alte Philippiner geneigt wäre, mit dem Ukrainer in den Ring zu steigen, wird sich zeigen. Sehr wahrscheinlich ist das aber nicht, da Pacquiao ungern gegen Kontrahenten antritt, denen er ständig nachlaufen muß, um sie zu stellen. Genau das träfe aber auf Lomatschenko zu, der sehr beweglich boxt und schnell auf den Füßen ist.

Da der Philippiner seine Karriere in absehbarer Zeit beenden wird und Arum schon seit geraumer Zeit Ausschau nach einem Nachfolger hält, der ähnlich erfolgreich und populär werden könnte, wäre eine Stabübergabe von Pacquiao zu Lomatschenko gewiß ein Option, über die der Promoter längst nachgedacht hat. Noch liegen die beiden drei Gewichtsklassen auseinander, wobei der Ukrainer auf Dauer ohnehin mindestens ins Halbweltergewicht aufsteigen müßte, um die Tür zum Pay-TV dauerhaft aufzustoßen. Die Auftritte leichterer Akteure, wie überragend auch immer sie kämpfen mögen, lassen sich nicht annähernd so lukrativ vermarkten.

Zudem wäre noch Terence Crawford zu nennen, gegen den Lomatschenko antreten könnte, um sich einem breiteren Publikum bekannt zu machen. Da Crawford im Unterschied zu Pacquiao jedoch noch eine lange Karriere vor sich hat, dürfte Bob Arum kaum zulassen, daß eine seiner beiden größten Optionen auf künftige Erträge die andere aus dem Rennen wirft. [2] Doch das ist alles Zukunftsmusik, die fürs erste gegenüber der bloßen Aussicht verblaßt, noch viele gelungene Auftritte Wassyl Lomatschenkos zu sehen.


Fußnoten:

[1] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/18145591/junior-lightweight-titlist-vasyl-lomachenko-beats-nicholas-walters

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/11/vasyl-lomachenko-vs-nicholas-walters-results/#more-222063

29. November 2016


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