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MELDUNG/2128: Nicht länger ein unbeschriebenes Blatt (SB)



Julius Indongo dominiert Ricky Burns auf ganzer Linie

Julius Indongo, IBF-Weltmeister im Halbweltergewicht, hat durch einen einstimmigen Punktsieg über den bisherigen WBA-Champion Ricky Burns in Glasgow die Titel der beiden Verbände zusammengeführt. Dabei kann man die Wertung (120:108, 118:110, 116:112) zugunsten des Gastes aus Namibia, der erst zum zweiten Mal im Ausland antrat, durchaus als Geschenk an den schottischen Lokalmatador bezeichnen, der in keiner Phase des Kampfs einen überlegenen Eindruck erweckte. Während Indongo damit in 22 Auftritten ungeschlagen ist, stehen für seinen wesentlich erfahreneren Gegner nunmehr 41 Siege, sechs Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche.

Burns, der als erster Boxer seines Landes Weltmeister in drei verschiedenen Gewichtsklassen geworden war, befand sich zum Leidwesen seines Heimpublikums durchweg in der Defensive. Wagte er aber doch einmal einen Angriff, mußte er dies postwendend mit gefährlichen Kontern des Namibiers bezahlen, der an diesem Abend eine glänzende Vorstellung gab. Der Rechtsausleger boxte technisch versierter, deckte sich besser und schlug insbesondere schneller und härter als der Schotte zu, dem schlichtweg die Mittel fehlten, dem offenbar unterschätzten Kontrahenten Paroli zu bieten. Daß der bis dahin in Europa und den USA wenig bekannte Indongo im letzten Dezember in Moskau keine volle Minute gebraucht hatte, um den Russen Eduard Trojanowskij zu besiegen und den IBF-Gürtel zu erobern, hatten Ricky Burns und insbesondere sein Promoter Eddie Hearn vermutlich nicht als akutes Gefahrensignal interpretiert.

Der IBF-Weltmeister schlug einen wirksamen Jab, mit dem er sich den Schotten zumeist vom Leib hielt, und einen gewaltigen linken Haken, den Burns von der ersten Runde an immer wieder zu spüren bekam. Erst in der siebten Runde, als der Namibier zu ermüden schien, kam Burns mit einigen erfolgreichen Kombinationen besser zur Geltung. Das war jedoch nicht die von den Zuschauern sehnlich erhoffte Wende, sondern lediglich ein Strohfeuer, da Indongo bereits im folgenden Durchgang wieder klar dominierte. Der Schotte landete in den letzten beiden Runden insgesamt dreimal auf den Brettern, was jedoch in keinem Fall als Niederschlag gewertet wurde, obgleich er zuvor durchaus getroffen worden war. Ricky Burns hatte den vakanten WBA-Titel im Mai 2016 durch einen Sieg über Michele di Rocco gewonnen. Nach weniger als einem Jahr sind nun seine Träume geplatzt, sich einen zweiten Gürtel zu sichern und womöglich zum führenden Akteur im Halbweltergewicht aufzusteigen. [1]

Im Grunde hätte der Kampf schon früher abgebrochen werden können, da Burns einfach nicht die notwendigen Qualitäten ins Feld führen konnte, um dem Namibier gefährlich zu werden. Er mußte schwere Treffer einstecken und rannte teilweise regelrecht davon, ohne dem Gegner entkommen zu können, der ihm gekonnt den Weg abschnitt. Indongo hatte augenscheinlich die früheren Auftritte des Schotten intensiv studiert und daraus eine hervorragende Taktik entwickelt. Da Burns seinen Kopf sehr geschickt bewegt, ist er dort relativ schwer zu treffen. Der Namibier verlegte sich jedoch immer wieder auf wuchtige Schläge zum Körper, die wesentlich leichter ihr Ziel fanden und den Gegner zermürbten. Nach der achten Runde flüsterte Burns' Trainer seinem Schützling etwas ins Ohr, wobei es vermutlich um die Frage der Aufgabe ging. Der Schotte hielt jedoch bis zum Ende tapfer durch, obgleich ihn sein Gegner des öfteren mit schwersten Treffern traktierte.

Wie Burns hinterher unumwunden einräumte, habe der bessere Boxer gewonnen. Indongo sei ein höchst unbequemer Gegner, der seine Reichweitenvorteile ausgespielt und ihn immer wieder erwischt habe. Da der Namibier jedoch nur geringfügig längere Arme als der Schotte hat, reicht dieser Erklärungsversuch keinesfalls aus, die desaströse Niederlage zu begründen. Julius Indongo war bislang zu Unrecht ein relativ unbeschriebenes Blatt und hat die Fehleinschätzung seines Könnens mit einer souveränen Demonstration bestraft. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/19167714/julius-indongo-beats-ricky-burns-unify-ibf-wba-junior-welterweight-titles

[2] http://www.boxingnews24.com/2017/04/julius-indongo-vs-ricky-burns-results/#more-232469

18. April 2017


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