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MELDUNG/2218: Vorhang auf zum zweiten Akt (SB)



Verhandlungen zwischen Golowkin und "Canelo" vor dem Abschluß

Wie der Präsident der Golden Boy Promotions, Eric Gomez, mitgeteilt hat, will Saul "Canelo" Alvarez Rache an Gennadi Golowkin nehmen und hat seinem Promoter daher grünes Licht für einen Rückkampf im Frühjahr 2018 gegeben. Daß Gomez von "Rache" spricht, macht im Grunde nur Sinn, wenn "Canelo" und Golden Boy endlich eingesehen haben und einräumen, daß der Mexikaner das erste Aufeinandertreffen mit dem Kasachen im September verloren hat. Das entspräche denn auch der mehrheitlichen Einschätzung der Fans und Experten, was der Kritik an der Wertung der Punktrichter in Las Vegas, die "Canelo" ein Unentschieden geschenkt hatten, den Wind anhaltenden Unmuts aus den Segeln nehmen könnte. Gomez zufolge sind die Gespräche mit Golowkins Team so weit gediehen, daß die Verträge wohl noch vor den Weihnachtstagen unterzeichnet werden können.

In finanzieller Hinsicht war die erste Begegnung der prominentesten Rivalen um die Vorherrschaft im Mittelgewicht ein voller Erfolg, konnte der übertragende Sender HBO am 16. September doch 1,5 Millionen Abnehmer im Pay-TV verbuchen. Unerfreulich war hingegen die Arbeit der Punktrichter, von denen nur einer mit 115:113 für Golowkin den Kampfverlauf angemessen eingeschätzt hatte. Hingegen liefen die beiden anderen Wertungen mit 114:114 und 118:110 zugunsten "Canelos" aus dem Ruder. [1]

Die gute Nachricht, daß die Revanche nahezu vereinbart sei, dürfte sich nicht zuletzt dem Umstand verdanken, daß mögliche Alternativen aus Sicht der Golden Boy Promotions erheblich geschrumpft sind. David Lemieux, dessen Co-Promoter Oscar de la Hoya ist, fällt nach seiner unerwarteten Niederlage gegen Billy Joe Saunders als Option unter den Tisch. Der WBO-Weltmeister Saunders hat seinen Titel erfolgreich verteidigt, aber zugleich mit seinem Auftritt in Laval, Quebec, die Chance verspielt, am 5. Mai gegen Saul "Canelo" Alvarez anzutreten. Eric Gomez zeigte sich überrascht, daß der 28jährige Brite bei seinem einstimmigen Punktsieg zwölf Runden lang weggelaufen sei. Er sprach von einer ärgerlichen Darbietung zu Lasten des Publikums, die ihn fatal an den Auftritt Erislandy Laras erinnere, den "Canelo" am 12. Juli 2014 knapp nach Punkten besiegt hatte. Der Mexikaner mußte dem Kubaner damals unentwegt hinterherlaufen und konnte nach Ansicht diverser Experten von Glück reden, dank eines wohlwollenden Kampfgerichts nicht verloren zu haben.

Wahrscheinlich realisierte Saunders nicht, daß er die Schlacht gegen Lemieux gewonnen, aber den Krieg um einen lukrativen Kampf gegen "Canelo" oder Golowkin verloren hat. Beide dürften zwar in der Lage sein, ihn zu besiegen, legen aber mit Sicherheit keinen Wert darauf, dem Gegner Runde für Runde nachzujagen und sich den Ärger des Publikums angesichts einer unerfreulichen Vorstellung einzuhandeln. Für sie genießt die Unterhaltung der Zuschauer höchste Priorität, weshalb sie Kontrahenten vorziehen, die sich ihnen zum Kampf stellen. Ob Saunders auch dann die Oberhand behalten hätte, wenn er dem gewaltig zuschlagenden Kanadier nicht ständig entwichen wäre, ist natürlich ungewiß. [2]

Zieht es der Brite nicht vor, den Gürtel gegen einen vergleichsweise ungefährlichen Herausforderer zu verteidigen, bleibt ihm wohl kaum etwas anderes übrig, als sich Daniel Jacobs zu stellen. Der New Yorker hat für seinen nächsten Auftritt am 28. April Saunders als Wunschgegner ins Gespräch gebracht und vermutlich bessere Aussichten als Lemieux, sich den WBO-Titel zu sichern. Jacobs ist für einen Mittelgewichtler sehr groß, kann wirkungsvoll schlagen und ist überdies recht beweglich auf den Füßen. Das dürfte eine fatale Mischung für den Briten sein, und sollte es tatsächlich zu diesem Kampf kommen, könnte sich das Kapitel Saunders schon erledigt haben, bevor Golowkin und "Canelo" Anfang Mai in den Ring steigen.

Erislandy Lara ist zweifellos ein hervorragender Boxer und war Saul Alvarez in technischer Hinsicht klar überlegen. Er manövrierte den Mexikaner ständig aus, punktete mit schnellen Schlägen und zog sich sofort wieder zurück, so daß "Canelo" nur selten von der überlegenen Wucht seiner Treffer profitierte. Die Mehrzahl der Zuschauer ist jedoch nicht willens, diese Kampfesweise zu würdigen, und zieht einen offenen Schlagabtausch bei weitem vor. Läufer wie Lara machen sich bei prominenten Gegnern, Sendern und Publikum unbeliebt. Bezeichnenderweise hat der Kubaner seit der knappen Niederlage gegen "Canelo" vor drei Jahren keinen bedeutenden Kampf mehr bekommen, da weder der Mexikaner an einer Revanche noch Golowkin interessiert war, sich mit ihm zu messen.

Daß Billy Joe Saunders daraus eine Lehre ziehen kann, ist recht unwahrscheinlich. Er hat gegen David Lemieux für seine Verhältnisse optimal gekämpft und fast alle Runden gewonnen. Selbst wenn er in der Lage wäre, seine Kampfesweise noch einmal umzustellen, würde er damit seine Stärken preisgeben. Davon abgesehen ist er derart von sich überzeugt, daß er vermutlich schon aus diesem Grund keinerlei Veranlassung sieht, etwas wesentliches an seinem aktuellen Erfolgsrezept zu ändern. Da er offenbar allen Ernstes davon überzeugt ist, Golowkin genauso besiegen zu können wie Lemieux, bleibt ihm nur zu hoffen, daß der Kasache seinen langgehegten Plan nicht aufgibt, sich auch noch den letzten Titel im Mittelgewicht zu sichern. Angst jagt ihm Saunders mit Sicherheit keine ein, zumal er es noch immer besser als als der Rest seiner Konkurrenten versteht, einem entweichenden Gegner den Weg abzuschneiden, ihn mit schweren Treffern zu zermürben und schließlich auf die Bretter zu schicken oder zur Aufgabe zu zwingen.

Was aber "Canelo" betrifft, wäre im Falle einer Absage an Golowkin und Saunders zunächst nur Daniel Jacobs als namhafter Gegner übriggeblieben, der ihm zweifellos enorme Probleme bereiten würde. Erweitert man den Kreis möglicher Kontrahenten des Mexikaners, böten sich Jermall Charlo und Sergej Dereviantschenko an, die beide außerordentlich kampfstark und gefährlich zu Werke gehen. Unter den genannten Umständen drängte sich Saul Alvarez die Entscheidung geradezu auf, den weithin geforderten Rückkampf gegen Gennadi Golowkin sofort auszutragen und nicht auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Solange die beiden nicht ein zweites Mal aufeinandergetroffen sind, wird "Canelo" der Makel anhaften, von den Punktrichtern vor der Niederlage gegen den Kasachen gerettet worden zu sein. Behält der Mexikaner bei der Revanche die Oberhand, hätte er sich rehabilitiert und freie Hand, um des finanziellen Ertrages willen über einen dritten Kampf nachzudenken. Gewinnt Golowkin, wäre dies ein herber Rückschlag für "Canelo", aber nicht der Weltuntergang. Er könnte sich zumindest zugute halten, dem gefährlichen Rivalen nicht aus dem Weg gegangen zu sein, und wäre angesichts seiner riesigen mexikanischen Fangemeinde nach wie vor so populär, daß er seine Karriere erfolgreich fortsetzen könnte. Saul Alvarez boxt so attraktiv, daß er immer sein Publikum haben wird.

Wo der Kampf zwischen Gennadi Golowkin und Saul "Canelo" Alvarez ausgetragen wird, steht noch nicht fest. Die Golden Boy Promotions würden auch die Revanche am liebsten in Las Vegas über die Bühne bringen, wo ihr Boxer einen klaren Heimvorteil genießt, wie das Urteil der Kampfrichter im September zeigte. Der Mexikaner hat schon viele Male in der Spielerstadt geboxt und eine Menge Publikum an den Ring wie auch in die Casinos gelockt. Der Kasache ist aufgrund seiner höchst unerfreulichen Erfahrung bei ihrem ersten Kampf natürlich wenig geneigt, sich am selben Schauplatz erneut der Gefahr auszusetzen, im Falle eines Gangs über volle zwölf Runden abermals von den Punktrichtern benachteiligt zu werden. Deshalb würden es Golowkin und sein Promoter Tom Loeffler vorziehen, die Revanche entweder im New Yorker Madison Square Garden oder im AT&T Stadium in Arlington, Texas, zu veranstalten. Die Frage des Ortes dürfte jedenfalls in den Verhandlungen eine maßgebliche Rolle spielen, denn wie Billy Joe Saunders dieser Tage nicht gerade originell, aber zutreffend warnte, könne Golowkin kaum nach Punkten gegen "Canelo" gewinnen, er müsse ihn schon auf die Bretter schicken. Daß sich die Punktrichter aus welchen Gründen auch immer zugunsten des populären Mexikaners beeinflussen lassen, ist in Las Vegas jedenfalls wahrscheinlicher als an der Ostküste.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/12/canelo-wants-revenge-golovkin-says-gomez/#more-251122

[2] http://www.boxingnews24.com/2017/12/canelos-promoter-calls-saunders-runner-prefers-ggg-fight/#more-251127

22. Dezember 2017


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