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MELDUNG/2233: Schwergewicht - lieber kleine Brötchen backen ... (SB)



Hughie Fury will sich an Sam Sexton schadlos halten

Der britische Schwergewichtler Hughie Fury, Cousin des früheren Weltmeisters Tyson Fury, zieht es nach der Niederlage gegen den WBO-Champion Joseph Parker vor, lieber kleine Brötchen zu backen. Er kämpft am 12. Mai in Bolton gegen seinen Landsmann Sam Sexton um den nationalen Titel, eine für seine Verhältnisse belanglose Trophäe. Während für Fury 20 Siege und eine Niederlage zu Buche stehen, hat sein Gegner 24 Auftritte gewonnen und drei verloren. Zu einem früheren Zeitpunkt hätte man angesichts dieser Konstellation wohl von einem vernünftigen Aufbaukampf gesprochen, der Furys Stärken herausgearbeitet und seine diversen Schwächen zum Zweck möglicher Abhilfe offengelegt hätte. Nach dem Scheitern am Champion aus Neuseeland im letzten September ist der Gang mit dem 33jährigen Sexton hingegen ein ausgesprochener Rückschritt, der in den Karriereplänen kaum weiterhilft. Statt dessen stünde doch eher die Frage an, welche namhaften Rivalen zu besiegen seien, um sich abermals in die Position eines Titelaspiranten hochzuarbeiten.

Der 23 Jahre alte Hughie Fury mußte sich Joseph Parker am 23. September nach Punkten geschlagen geben (118:110, 118:110, 114:114). Welchen Kampf der US-amerikanische Punktrichter an diesem Abend gesehen hatte, ist ungewiß, da selbst das Heimpublikum des Lokalmatadors der Auffassung war, daß der Gast aus Neuseeland einen komfortablen Vorsprung herausgeboxt habe. Der Herausforderer war ständig auf der Flucht, und wenn ihn Parker doch einmal stellte, umklammerte ihn Fury sofort, um ihn am Schlagen zu hindern. Diese Vorstellung gestaltete sich überaus enttäuschend, zumal man von einem Kandidaten, der dem Weltmeister den Gürtel abjagen möchte, eine beherzte Offensive erwarten würde. Auch der Champion riß keine Bäume aus, was jedoch in erster Linie daran lag, daß sich sein Kontrahent nie zum offenen Kampf stellte.

Obgleich der Herausforderer wenig auf die Beine gestellte hatte, sah er sich als Sieger, was auch sein Vater und Trainer Peter Fury und sein Cousin Tyson Fury in familiärer Eintracht so sahen oder es zumindest behaupteten. Glücklicherweise hatten die beiden Anverwandten keinen Einfluß auf die Punktwertung, da andernfalls ein krasses Fehlurteil dabei herausgekommen wäre. Sollte der jüngere Fury je wieder Gelegenheit bekommen, einen amtierenden Weltmeister vor die Fäuste zu bekommen, müßte er zur Abwechslung den Schlagabtausch riskieren, statt unentwegt zu laufen oder zu klammern. Der Eindruck, er habe einen Heidenrespekt vor Parker, verdichtete sich im Laufe des Kampfs zur Gewißheit, so daß man dem Briten allenfalls zwei oder drei Runden gutschreiben konnte. Was Fury in Ankündigung seines nächsten Kampfs von sich gibt, hört sich gar nicht lustig an: Er werde wie immer sein Bestes geben, Sexton den Gürtel abnehmen und sich dann auf die Jagd nach dem Titel des Weltmeisters machen, der eigentlich ihm gehöre. Er sei der ungekrönte Champion und lade alle ein, sich am 12. Mai davon zu überzeugen.

Sam Sexton hat sich zuletzt im Oktober 2017 in Edinburgh über zwölf Runden gegen den hochgewachsenen Gary Cornish durchgesetzt und damit einen durchaus beachtlichen Sieg eingefahren. Sein Gegner kämpfte zu passiv und schlug schlichtweg zu wenig, um von seinen körperlichen Vorteilen zu profitieren und genügend Punkte zu sammeln. Für Sexton war dies bereits der neunte Sieg in Folge seit seiner Niederlage gegen David Price, der ihn im Mai 2012 in der vierten Runde geschlagen auf die Bretter geschickt hatte. Davon abgesehen hat er nur gegen Dereck Chisora verloren, dem er allerdings zweimal unterlag. Damit sind auch schon die beiden namhaften Gegner genannt, da Sexton ansonsten gegen mindere Kandidaten aus dem heimischen Umfeld antrat. Seinen größten Erfolg fuhr er durch einen Sieg über Martin Rogan ein, der es im Dezember 2008 fertiggebracht hatte, Audley Harrison über zehn Runden nach Punkten zu besiegen.

Viel zu gewinnen gibt es für Hughie Fury bei diesem Auftritt nicht, wohl aber eine Menge zu verlieren. Sollte er auch vor diesem Gegner weglaufen und den Kampf verhindern, würde er sich zum Gespött machen und könnte die Boxhandschuhe im Grunde gleich an den Nagel hängen. Doch selbst wenn er die Oberhand behält, wird man ihm dies kaum als besondere Leistung anrechnen, da er unter Niveau antritt und deshalb nach allgemeiner Auffassung gewinnen muß. David Price hat Sam Sexton damals binnen vier Runden besiegt, weshalb selbst ein mühsamer Punktsieg Furys als Reinfall wahrgenommen würde. [1]

Da Hughie Fury ständig hinausposaunt hat, daß er es zum jüngsten Schwergewichtschampion aller Zeiten bringen werde, sollte man erwarten, daß er sich gefährlichere Kontrahenten als Sam Sexton aussucht. Möglicherweise schätzt sein Team die Qualitäten des gescheiterten Titelaspiranten aber auch viel realistischer ein, als es die vollmundige Propaganda vermuten ließe.


Fußnote:

[1] www.boxingnews24.com/2018/02/hughie-fury-faces-sam-sexton-may-12-british-heavyweight-title/#more-256789

15. Februar 2018


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