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MELDUNG/2312: Mittelgewicht - Untergang im Trommelfeuer ... (SB)



Rob Brant entthront überraschend Ryota Murata

Ryota Murata hat den Titel des regulären WBA-Weltmeisters im Mittelgewicht überraschend verloren. Der 32jährige Japaner mußte sich im Park Theater in Las Vegas dem drei Jahre jüngeren Außenseiter Rob Brant aus Dallas klar nach Punkten geschlagen geben (118:110, 119:109, 119:109). Während der neue Champion seine Bilanz auf 24 Siege und eine Niederlage ausbauen konnte, stehen für Murata nun vierzehn gewonnene und zwei verlorene Auftritte zu Buche. Brant, der bislang an Nummer drei der WBA-Rangliste geführt wurde, ging mit einer taktischen Marschroute in den Kampf, die den favorisierten Titelverteidiger auf ganzer Linie überforderte.

Der US-Amerikaner schlug nicht nur in hoher Frequenz, sondern zugleich so wuchtig zu, daß der Japaner in diesem Trommelfeuer unterging. Wenngleich auch der Olympiasieger von 2012 mächtig Dampf in den Fäusten hat, was er angelegentlich unter Beweis stellte, kam er mit den unablässigen Kombinationen des jüngeren Herausforderers nicht zurecht, der ihn ständig und teilweise fast nach Belieben mit Treffern eindeckte. Wie die Statistik zeigt, hatte Brant 356 von 1262 Schlägen ins Ziel gebracht, während Murata lediglich 180 Treffer bei 774 Versuchen gelangen. Eine derartige Schlagfrequenz findet man für gewöhnlich nur in den leichteren Gewichtsklassen, für einen Akteur des Mittelgewichts ist sie außergewöhnlich. Der Japaner hielt zäh bis zum Schlußgong durch, doch mußte er auf dem Weg dahin so viele Treffer einstecken, daß ein frühzeitigeres Ende seiner Gesundheit zuträglicher gewesen wäre.

Der bei Top Rank unter Vertrag stehende Murata hatte im Mai 2017 knapp nach Punkten gegen Hassan N'Dam verloren. Schon damals zeichnete sich ab, daß der Japaner beträchtliche Probleme bekommt, sobald er auf einen technisch hochklassigen Gegner trifft. Dennoch vertraute Promoter Bob Arum seinem Mittelgewichtler und verschaffte ihm im Oktober eine Revanche gegen N'Dam, die Murata dank seiner Schlagwirkung in der siebten Runde für sich entscheiden konnte. Der allzu einseitige Verlauf des Kampfs gegen Rob Brant legt jedoch eine sorgsame Abwägung nahe, ob nicht in diesem Fall ein zweites Aufeinandertreffen zu riskant wäre. Wenngleich der inzwischen 86jährige Arum in den Jahrzehnten seiner Präsenz im Boxgeschäft zuviel erlebt und bewegt hat, als daß ihm die unverhoffte Niederlage Ryota Muratas den Schlaf rauben könnte, wird ihn die Zukunft des als Champion entthronten Japaners doch einige Überlegungen und Sondierungen kosten. [1]

Durch die unerwartete Niederlage Muratas dürfte auch dessen von Bob Arum für Januar 2019 ins Gespräch gebrachter Kampf gegen Gennadi Golowkin kein Thema mehr sein. Geplant war ein Auftritt in Tokio, der dort zweifellos enormes Interesse wachgerufen und für eine Riesenkulisse gesorgt hätte. Möglicherweise könnte der Japaner trotz seines Titelverlusts immer noch zahlreiche Landsleute mobilisieren, wenn er mit dem legendären Kasachen in den Ring stiege. Für Golowkin war Murata jedoch vor allem wegen des Titels von Belang, auch wenn es sich dabei nur um einen zweitrangigen Gürtel handelt. Superchampion des Verbands WBA ist Saul "Canelo" Alvarez, mit dem der Kasache gerne ein drittes Mal aufeinandertreffen möchte, um an neutralem Ort und vor verantwortungsbewußten Punktrichtern klarzustellen, daß er der bessere Boxer ist. Aber weil sich das so verhält, dürfte es um seine diesbezüglichen Aussichten nicht allzu gut bestellt sein. Unter diesen Umständen könnte der nachgeordnete WBA-Titel ein Hebel sein, den Verband zu veranlassen, einen Kampf gegen den Superchampion Alvarez anzuordnen. Die beiden Kämpfe gegen "Canelo" waren in finanzieller Hinsicht so einträglich, daß eine Reise nach Japan nur wegen des Geldes für Golowkin hingegen eher nicht von Bedeutung sein dürfte.

Der neue reguläre WBA-Weltmeister Rob Brant ist dem deutschen Publikum insofern bekannt, als der US-Amerikaner zum Auftakt der World Boxing Super Series im Supermittelgewicht im Oktober 2017 auf Jürgen Brähmer traf. Der damals 39jährige ehemalige Weltmeister behielt in seiner Heimatstadt Schwerin gegen den zuvor ungeschlagenen Texaner einstimmig nach Punkten die Oberhand. Brähmer hatte den WBA-Titel im Halbschwergewicht ein Jahr zuvor an den Waliser Nathan Cleverly verloren und war anschließend nach einem Jahrzehnt im höheren Limit ins Supermittelgewicht zurückgekehrt, um an den Kämpfen um die Muhammad Ali Trophy teilzunehmen.

Beide Akteure sahen am Ende recht lädiert aus, was aber um so mehr für den US-Amerikaner galt, der mit Brähmers körperlichen Vorteilen und dessen Erfahrung nicht zurechtkam. Wenngleich die beiden gleich groß waren, wirkte der normalerweise im Mittelgewicht kämpfende Kontrahent aus Dallas doch schmächtiger. Der in der Rechtsauslage boxende Schweriner spielte seine Erfahrung und technische Versiertheit aus, wobei der Gast aus den USA anfangs gut mithielt. Er schlug schneller als Brähmer, der sich jedoch für jeden Treffer des Gegners sofort revanchierte und ihn mit seinen Kontern und Kombinationen offensichtlich verwirrte. Auf diese Weise lektioniert zu werden mußte frustrierend für den wesentlich jüngeren Texaner gewesen sein.

In der zweiten Hälfte des Kampfes wirkte der US-Amerikaner zunehmend erschöpft, was insofern nicht überraschte, als sein bis dahin längster Auftritt im Ring über zehn Runden gegangen war. Brähmer ließ hingegen keine Konditionsschwäche erkennen und präsentierte sich in ausgezeichneter Verfassung. Leider mußte er das Halbfinale des Turniers verletzungsbedingt absagen, so daß ihm die Gelegenheit entging, sich mit Callum Smith zu messen. Der Brite setzte sich durch und gewann Ende September in Dschidda auch das Finale gegen George Groves, dem er dabei den WBA-Titel abnahm. Wie sich nun im Kampf Rob Brants gegen Ryota Murata zeigte, hat der US-Amerikaner seit der Niederlage gegen Brähmer dazugelernt und ist mit seinen körperlichen Voraussetzungen im Mittelgewicht sehr viel besser aufgehoben, wo er neben seiner Schnelligkeit auch eine beträchtliche Schlagwirkung aufbieten kann.


Fußnote:

[1] www.boxingnews24.com/2018/10/rob-brant-beats-ryota-murata/

22. Oktober 2018


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