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BERICHT/019: Neue Urwildpferde für Hanau (Stadt Hanau)


Pressemitteilung von Donnerstag, 9. September 2010

Neue Urwildpferde für Hanau!

Fünf weitere Przewalski-Stuten finden Heimat auf Campo Pond


Knapp ein Jahr nachdem die ersten fünf Przewalski-Urwildpferde im Naturschutzgebiet Camp Pond im Hanauer Stadtteil Großauheim, ihre neue Heimat gefunden haben, hat die Herde jetzt Zuwachs von fünf neuen Stuten erhalten. Am Nachmittag des 8. Septembers rollten die beiden Pferdeanhänger auf das Gelände des Bundesforsts, um ihre kostbare Fracht abzuladen. Journalisten, Fotografen und Kamerateams sowie Vertreter der Stadt Hanau und des Bundesforsts beobachteten gespannt, wie die fünf Tiere die ersten Schritte in ihr großes neues Gehege machten. Noch etwas mitgenommen von der langen Fahrt stolperten die Przewalski-Stuten aus den Wagen, um nach einer kurzen Phase der Orientierung gemeinsam in die Weite des Geländes davon zu galoppieren.

Die Neuzugänge stammen aus verschiedenen Zoos in Bayern: Die beiden vierjährigen Stuten Ginger und Galinka kommen aus dem Tierpark Hellabrunn in München, Adina (1 Jahr) und ihre Mutter Abadia (10 Jahre) gehören dem Zoo Nürnberg und die zwei Jahre alte Pferdedame Ilonka stößt aus dem Nationalpark Bayerischer Wald hinzu.

Erst im August war eine neue Koppel mit 25 Hektar Grasland und Waldgebiet im Auftrag des Bundesforsts fertig gestellt worden. Die etwa gleich große Koppel auf der anderen Hälfte des Geländes beherbergt seit September 2009 ebenfalls fünf Stuten. Eine davon verließ die Herde nun aus aktuellem Anlass. Das Betreuerteam aus München nahm Ebola mit zurück in den Tierpark Hellabrunn, damit sie dort in einer Zuchtgruppe für Nachwuchs sorgen kann.

Ursprünglich war geplant auch in die Hanauer Herde einen Hengst zu integrieren, um mit der Nachzucht von Urwildpferden zu beginnen. Doch das für das internationale Artenschutzprogramm zuständige Expertengremium des EEP (Europäische Erhaltungszuchtprogramm für Przewalskipferde) beschloss nun die Zucht der seltenen Tiere bevorzugt in den Zoos unter tierärztlicher Aufsicht zu betreiben und das weitläufige und ursprüngliche Naturschutzgebiet Campo Pond zu nutzen, um die Urwildpferde auf eine mögliche Auswilderung in die Mongolei vorzubereiten. Bis auf Weiteres werden die neun Pferdedamen also unter sich bleiben.

Mehr Informationen über die Przewalski-Pferde und Termine für Führungen über den Fauna-Flora-Habitat Campo Pond gibt es auf www.umweltzentrum-hanau.de.



Fakten & Hintergründe


Die Przewalski-Pferde:

Das Przewalski-Pferd, benannt nach dem russischen Expeditionsreisenden Oberst Przewalski, ist die weltweit einzige genetisch reine Art des Wildpferdes, die in ihrer Wildform bis heute überlebt hat. Diese Tierart galt zwar bereits seit 1970 in freier Wildbahn als ausgestorben, aber glücklicherweise konnten im letzten Moment vor dem endgültigen Aussterben 13 zuchtfähige Wildpferde aus Zoos zusammengeführt werden. Durch gezielte Zucht haben diese "neuen Urväter und Urmütter" mittlerweile weltweit rund 1.600 Nachkommen gezeugt.

In mehreren Initiativen wird versucht Przewalski-Pferde wieder in der freien Wildbahn zu etablieren. Nach erfolgreicher Zucht wird ein Teil der Pferde wieder in ihrer ursprünglichen Herkunftsregion, in der Mongolei, China und Kasachstan ausgewildert, während die anderen Nachkommen dazu beitragen im Rahmen des Zuchtprogramms die Art zu erhalten und weiter zu vermehren.

Das Naturschutzgebiet Campo Pond

Campo Pond, die Heimat der Przewalski-Pferde, im Hanauer Stadtteil Großauheim, diente mehr als sechs Jahrzehnte lang als militärisches Trainingsgelände für die US-Armee. Panzer und andere schwere Militärfahrzeuge befuhren regelmäßig das Gelände, Camps wurden errichtet und der Bau von Pontonbrücken am Teich geprobt.

Als die Amerikaner Ende 2008 aus Hanau abzogen, ging Campo Pond, genau wie alle anderen amerikanischen Liegenschaften, in das Eigentum des Bundes über, der durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) von der Sparte Bundesforst vertreten wird. Campo Pond ist daher Konversionsgelände und nimmt mit 101 Hektar einen beachtlichen Teil der insgesamt 340 Hektar Konversionsflächen in Hanau ein.

Auf dem über viele Jahrzehnte durch Drahtzäune abgeschlossenen Campo Pond haben zahlreiche besonders geschützte Pflanzen- und Tierarten überlebt. Besonders durch die stete Befahrung mit schweren Fahrzeugen ist dort ein einzigartiges entstanden. Unterschiedliche Lebensräume, wie Sand-Magerrasen, Steppenvegetation und nicht forstwirtschaftlich genutzten Wälder bieten Rehen, Kaninchen, Füchsen, Fledermäusen und diversen Amphibienarten ein Zuhause.

Rund 70 Hektar des Geländes wurden auf Grund des besonders seltenen "Sand-Magerrasen", vom Hessischen Naturschutz-Ministerium als FFH-Gebiet (FFH=Fauna-Flora-Habitat) ausgewiesen und sind somit durch EU-Verordnung geschützt. Der gute ökologische Zustand muss gemäß FFH-Richtlinie gehalten werden. Die Verantwortung zum Erhalt und Pflege des FFH-Gebiets obliegt dem Land Hessen in Abstimmung mit dem Eigentümer Bundesforst. Das Land Hessen muss alle sechs Jahre den Zustand der Flächen dokumentieren und zur EU nach Brüssel melden.

Um den FFH-Status zu erhalten, entstand die Idee Przewalski-Pferde als Landschaftspfleger anzusiedeln. Sie pflegen das Fauna-Flora-Habitat "Campo Pond", in dem sie neue Baumtriebe abknabbern ("verbeißen") und das Gelände von Unterholz freihalten. Damit tragen sie zur Offenhaltung des wertvollen Sand-Magerrasens bei. Durch das große Engagement und die finanzielle Unterstützung des Bundesforsts war es möglich das Przewalski-Artenschutzprojekt nach Hanau zu holen.

Die Beteiligten

Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben/Sparte Bundesforst stellt als Grundstückseigentümer das Gelände für das Wildpferde-Projekt zur Verfügung und ist der offizielle Tierhalter. Zudem hat der Bundesforst die beiden Koppeln für die Tiere errichten lassen und komplett vorfinanziert. Der Bundesforst trägt zusätzlich die Kosten für den Transport der Tiere und die tierärztliche Versorgung durch den Zoo Frankfurt.

Der Tierpark Hellabrunn, der Zoo Nürnberg und der Nationalpark Bayerischer Wald stellen die Pferde dem Bundesforst im Rahmen des internationalen Zuchtprogramms EEP kostenlos zur Verfügung, damit sie sich hier m FFH-Gebiet Campo Pond in Hanau in einer möglichst artgerechten Umgebung fortpflanzen können.

Die Stadt Hanau ist der Gastgeber der Tiere und unterstützt dieses herausragende Projekt mit allen Kräften. So beriet und überwachte die Untere Naturschutzbehörde der Stadt Hanau fachlich die Vorbereitungsarbeiten, die nötig waren, um die Tiere anzusiedeln. Die Stadt Hanau gewährleistet zudem die Betreuung der Pferde, indem sie die Biologin Dr. Marion Beil einstellte, die täglich nach den Tieren schaut und sich um ihr Wohlergehen kümmert.

EEP

Das Europäische Erhaltungszuchtprogramm für Przewalskipferde (EEP) wird derzeit von Dr. Waltraut Zimmermann vom Zoo Köln geleitet. (Prof. Wiesner ist mittlerweile im Ruhestand). Die Mitglieder sind Biologen und Veterinäre der einzelnen Przewalski-Züchter (Zoos + Freilandhaltungen) in ganz Europa. Das EEP-Gremium bestimmt, aus welchen Tieren und an welchem Ort neue Zuchtgruppen gebildet werden und an welcher Stelle die nachgezüchteten Tiere wieder ausgewildert werden. Der Zoo Frankfurt sorgt für die tierärztliche Versorgung. Die Kosten dafür trägt der Bundesforst.

Die Deutsche Bahn beabsichtigt das Wildpferdeprojekt durch Ökopunkte (naturschutzrechtliche Kompensationsmittel) mitzufinanzieren. Die Ökopunkte, die für bares Geld stehen, will die Bahn als Ausgleich dafür einzahlen, dass sie an anderer Stelle Flächen versiegelt, um eine neue ICE-Trasse zu legen.


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Quelle:
Pressemitteilung von Donnerstag, 9. September 2010
Kontaktdaten: Stadt Hanau, Pressestelle
Am Markt 14-18, 63450 Hanau
E-Mail: Pressestelle@hanau.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. September 2010