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BERICHT/025: Arbeitspferd und Fuhrmann - Partnerschaft mit Respekt und Vertrauen füreinander (PROVIEH)


PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 4/2014
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Arbeitspferd und Fuhrmann - Partnerschaft mit Respekt und Vertrauen füreinander

Von Volker Kwade


In letzter Zeit sieht man wieder öfter Arbeitspferde, die in der Landwirtschaft auf kleineren Flächen eingesetzt werden. Fast 60 Jahre waren sie gänzlich von den Feldern verschwunden, verdrängt vom technischen Fortschritt mit Bearbeitungs- und Erntegeräten, deren Einsatz die Landwirtschaft immer industrieller werden ließ.


Arbeitspferde sind nicht "rückwärtsgewandt"

Dass einige Landwirte heute wieder auf das Arbeitspferd setzen, hat selten etwas mit romantischen Gefühlen oder Idealismus zu tun, sondern in den meisten Fällen mit handfesten wirtschaftlichen Beweggründen. Die Feldbewirtschaftung mit einem Arbeitspferd erhält nachhaltig die Bodenstruktur, fördert die Humusbildung, ist somit bodenaufbauend, mindert die Erosionsgefahr, erhöht Qualität und Quantität der angebauten Frucht und ist damit in allen Belangen der Arbeit mit einem Traktor überlegen. Dies alles wird durch eine wissenschaftliche Studie der Universität Kiel handfest belegt [1].

Noch wird der Einsatz von Arbeitspferden nicht von allen Menschen als positiv angesehen und bewertet. Das "arme Pferd" vor dem Pflug quäle sich ab und leide. Aufgrund seiner anatomischen und physiologischen Natur sei es weder als Reit- noch als Zugtier vorgesehen. Darf man also überhaupt mit Pferden arbeiten, ohne dass diese auf lange Sicht Schaden nehmen? Ja, so heißt die klare Antwort. Voraussetzung ist allerdings eine gute Kenntnis von Bau, Stoffwechsel und natürlichen Verhaltensweisen von Pferden, und diese Kenntnis hat höchste Priorität beim Training eines Pferdes und seinem Einsatz bei der Arbeit auf dem Feld. Deshalb ist es geradezu essentiell, dass sich Fuhrmänner und Pferdebauern mit dem Verhalten und der Biomechanik ihrer Pferde sorgfältig auseinandersetzen, um die Zugarbeit für die Pferde so schonend und dennoch so wirksam wie möglich zu gestalten.


Die Arbeit mit dem Pferd

Jedes Pferde-Mensch-Team hat sein eigenes, individuelles Gepräge. Deshalb gibt es keine pauschalen Lösungen für die Arbeit mit Pferden. Vielmehr müssen jedes Mal das Ausbildungskonzept und die Ausrüstung (Zaumzeug, Geschirr, Hufbeschlag etc.) auf das jeweilige Team abgestimmt werden. In jeder individuellen Ausbildung steht die Bodenarbeit das Grundgerüst für alle aufbauenden Ausbildungsschritte dar. Es gilt, das Pferd ohne physischen und psychischen Druck zu motivieren, gerne dem Menschen zu folgen. Hervorragende und dauerhafte Leistungen sind über Druck nicht erreichbar. Ein großer Vorteil der Bodenarbeit liegt darin, dass das Training eines Pferdes schon im Fohlenalter beginnen kann. Zunächst wird auf eine körperliche Belastung verzichtet, aber im täglichen Umgang kann das Pferd an die Arbeit gewöhnt werden, bis sie schließlich zu seinem "normalen Umfeld" gehört. Mit vier Jahren kann man langsam anfangen das Pferd körperlich zu belasten, aber erst mit sechs Jahren ist es voll entwickelt und damit körperlich ausgereift.

Um trotz der Zugarbeit den Bewegungs- und Stützapparat des Pferdes gesund und leistungsfähig zu erhalten, ist ein korrekt sitzendes Geschirr ein absolutes Muss. Für die Feldarbeit eignet sich besonders das Kumtgeschirr. Es wird hinten um den Hals gelegt und ist besonders gut für den schweren Zug, weil die vorderen Muskelpartien und das Schultergelenk in ihrer Bewegung kaum gestört werden und das Pferd sich mit seiner gesamten Körpermasse optimal gegen die Last stemmen kann.

Besondere Aufmerksamkeit muss der Art der zu verrichtenden Arbeit geschenkt werden. Es braucht Erfahrung und Wissen, um Zugwiderstände für das Pferd richtig einzuschätzen. Denn es liegen Welten zwischen der Bearbeitung eines leichten Sandbodens und eines schweren lehmigen Bodens. Generell kann gesagt werden, dass die Zugkapazität des Pferdes über einen längeren Zeitraum von drei bis vier Stunden nicht mehr als 10 bis 15 Prozent seines Körpergewichts betragen sollte bei einer Geschwindigkeit von 2,5 bis 4 Kilometer pro Stunde. Der Fuhrmann muss seine Pferde genau kennen und beobachten, wann die ersten Ermüdungszeichen auftreten und das Pferd rechtzeitig eine Ruhepause braucht, um leistungsfähig zu bleiben. Wenn Fuhrmann und Arbeitspferd eine Einheit bilden, die auf gegenseitigen Respekt und Vertrauen basiert, dann ist damit der Grundstein für ein langes, gesundes und zufriedenes Pferdearbeitsleben gelegt.


Anmerkung:

[1] www.hof-hollergraben.de/files/Humussphaere_2012.pdf

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Quelle:
PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 4/2014, Seite 26-27
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juli 2015

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