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INTERVIEW/005: Fortschrittsfluch Tierversuch - Verwertungslogistik (SB)


Interview mit der Tierversuchsgegnerin Ehrengard Becken-Landwehrs auf der Demonstration LPT schliessen! am 29. Juni 2013 in Hamburg Neugraben



Wer Tierversuche ablehnt und sich dafür starkmacht, daß sie ganz und gar abgeschafft werden, kommt nicht umhin, die gesamte Infrastruktur der Tierverbrauchsforschung in den Blick zu nehmen. Dazu gehören Aufzuchtanlagen, wie sie beispielsweise das Unternehmen LPT (Laboratory of Pharmacology and Toxicology) im niedersächsischen Mienenbüttel betreibt, ebenso wie der Lufttransport von Tieren für die Experimente. Nach Angaben der Internetseite stopvivisection.blogsport.de [1] werden weltweit jährlich Zehntausende von Primaten in Afrika oder Asien gefangen bzw. gezüchtet und in Forschungslaboren Europas und der USA ausgebeutet und getötet.

Seit Jahren protestiert eine wachsende Tierrechtsbewegung nicht nur gegen die Experimente selbst, sondern auch gegen die Fluggesellschaften, die Tiere transportieren. Mit einigem Erfolg. Weltweit gibt es nur noch wenige Unternehmen, die sogenannte Versuchstiere befördern. Andere dagegen nutzen die Marktlücke. Darum lag es nahe, daß Stefan Zillner vom Organisationsteam einer Großdemonstration, die am 29. Juni 2013 zum LPT-Hauptquartier in Hamburg Neugraben führte, in seiner Ansprache erklärte:

"Ein ganz wichtiger Akteur in diesem 'Spiel' sind auch Fluggesellschaften, so weit weg, wie das erstmal scheinen mag. Aber besonders Tiere wie Affen müssen per Flugzeug aus ihren Herkunftsländern nach Europa gebracht werden. Auch LPT macht Affenversuche. Und fast alle Affen, die in deutschen Labors sterben, stammen aus Mauritius. Ein wichtiges weiteres Land ist China. Diese beiden sind die führenden Länder, was die Zucht von Affen anbelangt. Und die wenigen Airlines, die es noch gibt, die Tiere - egal, ob Affen oder andere Tiere - für Versuchszwecke transportieren, sind genauso mitverantwortlich für das, was in Tierversuchslaboren passiert. Weltweit gibt es gerade eine Kampagne gegen Air France KLM. Die LPT schliessen!-Kampagne solidarisiert sich natürlich auch mit der Kampagne für ein Ende der sogenannten Versuchstiertransporte durch Air France KLM!"
Protestbanner gegen Fluggesellschaft am Nebentor des LPT - Foto: © 2013 by Schattenblick

Unmißverständliche Botschaft an LPT
Foto: © 2013 by Schattenblick

Obwohl die niederländische Fluggesellschaft KLM seit längerem den Transport von Tieren für Forschungsversuche ablehnt, richtet sich die Kampagne auch gegen sie, da sie zu Air France gehört. Bei der Kundgebung vor dem LPT hatte der Schattenblick die Gelegenheit, der Tierversuchsgegnerin Ehrengard Becken-Landwehrs einige Fragen zum Hintergrund der Aktion gegen Air France KLM zu stellen.

Schattenblick: Sie halten hier ein Banner mit der Aufschrift einer Fluggesellschaft hoch. Könnten Sie einmal kurz erklären, worum es sich bei dieser Initiative handelt?

Ehrengard Becken-Landwehrs: Gegen diese Fluggesellschaft wurde bereits in verschiedenen deutschen Städten wie München, Frankfurt, Hamburg, Berlin und Düsseldorf, wo ich herkomme, demonstriert. Wir stehen auf den Flughäfen gegen Air France KLM, weil die Fluggesellschaft Affentransporte für Forschungslabore macht. Dagegen wenden wir uns. Bei den Experimenten werden die Affen gequält. Doch sie sind uns sehr ähnlich oder umgekehrt: Wir sind den Affen sehr ähnlich, denn sie sind ja unsere Vorfahren. Ich habe prinzipiell etwas gegen Tierversuche. Das ist unfaßbar, was in diesen Laboren passiert.

SB: Sind Sie einer bestimmten Bürgerinitiative angeschlossen?

EBL: Nein.

SB: Und wie haben sich die Mitglieder der Kampagne kennengelernt, wie treffen sie sich?

EBL: Über das Internet, und zwar hauptsächlich über Facebook. Ich bin zwar kein großer Freund davon, aber was die Durchführung von Aktionen anbelangt, erfährt man sehr viel. Außerdem bin ich Mitglied der Organisation Ärzte gegen Tierversuche, auch wenn ich keine Ärztin bin. Darüber erhält man ebenfalls viele Informationen, so auch über die Demonstration heute.

SB: Sind Sie eigens aus Düsseldorf angereist, um gegen LPT zu protestieren?

EBL: Ja!

SB: Liegt der Schwerpunkt Ihrer Proteste auf dem Transport von Tieren für Tierversuche?

EBL: Nein, auch gegen Tierversuche allgemein, das hängt ja zusammen.

SB: Haben Sie schon häufiger an einer Demonstration gegen Tierversuche teilgenommen?

EBL: Ja, gestern in Brüssel gegen das Delfinarium. [2] Das ist auch so ein Punkt, der mich in Wut versetzt. Wer diese Tiere schon mal in Freiheit erlebt hat und dann sieht, wie Wale in solchen Betonbecken gehalten werden - da kriege ich das Kotzen, auf Deutsch gesagt. Morgen fahre ich nach Duisburg zu einer Demonstration, das ist ja nicht so weit von Düsseldorf. [3]

SB: Wie schätzen Sie das ein, hatten Sie schon in irgendeiner Weise Erfolg mit Ihren Protestaktionen?

EBL: Zumindest ist in der Europäischen Union durchgekommen, daß keine Tierversuche gemacht werden dürfen, wenn es alternative Methoden gibt. Aber die [zeigt auf das LPT-Gelände hinter sich] scheren sich da einen Teufel drum. Und andere Labore scheren sich ebenfalls einen Teufel drum. Da geht es um viel Geld, es stecken Millionensummen in dem Geschäft, nicht nur mit Tierversuchen. Für mich ist das eine Mafia.

SB: Aber die Ersatzmethoden für Tierversuche liegen dann auch in den Händen der Unternehmen, die heute die Tierversuche durchführen, oder nicht?

EBL: Dafür kriegen sie jedoch nicht soviel Geld. Außerdem sind die Ergebnisse aus Tierversuchen gar nicht auf Menschen übertragbar.

SB: Von Seiten des Gesetzgebers her sind allerdings Tierversuche vorgeschrieben.

EBL: Ja, aber nur, wenn es um chemische Substanzen geht. Seit dem 11. März sind in Tierversuchen getestete Substanzen für Kosmetik in der Europäischen Union verboten. Aber wenn in diesen kosmetischen Produkten chemische Substanzen enthalten sind - und das ist häufig der Fall -, sind weiterhin Tierversuche vorgeschrieben. China ist Hauptlieferant von Tieren, und es gibt auch eine chinesische Luftlinie, die Tiere transportiert. Zudem stammen viele Tiere von Mauritius.

Gegen Tierversuche sind die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, Rettet den Regenwald und Wildlife International. Aber auch Organisationen wie Menschen gegen Tierversuche und hier in Hamburg noch Menschen für Tiere sowie ALF - Animal Liberation Front. Diese Organisation ist inzwischen nicht mehr so radikal wie früher, weil sie sich sehr viel Ärger eingehandelt hat. Da hört es auch bei mir auf. Denn wenn ich Tiere freilasse, muß ich für sie sorgen; ich finde, eigentlich sollten sie nur dann freigelassen werden.

Es gibt einen super Spruch von Mahatma Ghandi: Die Größe und den moralischen Fortschritt eines Landes kann man daran messen, wie es mit seinen Tieren umgeht. Und gucken Sie sich Deutschland an: Wie geht es mit den Menschen um? Wie geht es mit den Tieren um? Mein persönlicher Leitspruch, den ich vor Jahren mal gelesen habe, lautet: Die Indianer sagen, wie du mit Tieren und Pflanzen umgehst, so gehst du auch mit den Menschen um.

SB: Vielen Dank für die Stellungnahme.

Interviewpartnerin hält Banner gegen Flugtransporte von 'Versuchstieren' - Foto: © 2013 by Schattenblick

Entschlossene Streiterin gegen Tierversuche
Foto: © 2013 by Schattenblick

Einen Bericht zu der Demonstration und ein Interview mit Martina Kunze von der Kampagne LPT schliessen! finden Sie unter:

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BERICHT/003: Fortschrittsfluch Tierversuch - Laborstopp in Hamburg und anderswo (SB)
http://schattenblick.com/infopool/tiere/report/trbe0003.html

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INTERVIEW/004: Fortschrittsfluch Tierversuch - Seht, die Tiere brauchen Rechte (SB)
http://schattenblick.com/infopool/tiere/report/trin0004.html


Fußnoten:

[1] Stopvivisection.blogsport.de ist der deutsche Ableger der englischsprachigen Internetseite www.gatewaytohell.net.

[2] Näheres zu der Protestaktion in Brüssel bei:
http://freedolphinsbelgium.wordpress.com/2013/04/18/for-delphinarium-free-europe/

[3] Näheres zu der Protestaktion in Duisburg bei:
http://www.rp-online.de/niederrhein-nord/duisburg/nachrichten/bikini-protest-im-kaefig-gegen-delfinhaltung-1.3364580


8. Juli 2013