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TIERHALTUNG/442: Milchproduktion - Raubbau an der Kuh (tierrechte)


tierrechte 2.08 - Nr. 44, Mai 2008
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.

Milchproduktion - Raubbau an der Kuh

Von Cristeta Brause


Kühe könnten über 20 Jahre alt werden, doch fast die Hälfte der sogenannten Milchkühe erreicht heutzutage nicht einmal das vierte Lebensjahr. Die Ursachen hierfür sind meist Krankheiten und Schäden, die direkt oder indirekt mit der Milchproduktion zu tun haben. Denn die hohe Milchleistung geht mit einer enormen körperlichen Ausbeutung der Kuh einher.


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Vor 60 Jahren gab eine Kuh ungefähr 700 Liter pro Jahr. Schon dies ist bereits eine große Stoffwechselleistung. Heute werden jedoch 'Hochleistungskühen' in der Hauptphase der Laktation (*) Tagesmilchleistungen von bis zu 50 Litern und mehr abverlangt. Um ihr Kalb zu ernähren, müsste eine Kuh allerdings nur etwa acht Liter Milch am Tag produzieren. Und während die durchschnittliche Jahresmilchleistung pro Kuh in der Bundesrepublik 1995 schon bei 5350 Litern lag, wurden aktuell für das Jahr 2007 sogar 7000 Liter gemeldet (angeführt vom Land Sachsen mit 8586 Litern). Einzeltierleistungen liegen längst schon bei über 10.000 und im Extremfall bei bis zu 14.000 Litern Milch.


Was bedeutet Milchleistung für die Kuh?

Diese noch immer nicht abgeschlossene Entwicklung erweist sich vor dem Hintergrund folgender Ausführungen als höchst problematisch:

Der Blutzuckerspiegel einer Kuh ist normalerweise relativ niedrig. Kuhmilch enthält jedoch konstant 4,8 Prozent Milchzucker (Laktose), den das Tier nur aus dem ohnehin schon spärlich vorhandenen Blutzucker (Glukose) herstellen kann. Für die Produktion von etwa 50 Liter Milch muss die Kuh also 2,4 Kilogramm Milchzucker bilden. Hierfür werden bis zu 85 Prozent der mit dem Futter aufgenommenen sowie im Organismus produzierten Glukose benötigt. Das Euter der Kuh ist auch in der Lage, die für die Milchzuckerbildung benötigte Glukose aus dem Blut ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse des Gesamtorganismus des Tieres aufzunehmen. Bei der Zucht auf eine hohe Milchleistung wird speziell auf diese Eigenschaft des Kuheuters hin gezüchtet ('aggressives Euter').

Besonders prekär ist die Situation für die Kuh direkt nach dem Kalben. Denn bis kurz zuvor ist ihr Stoffwechsel auf einem relativ niedrigen Niveau, da sie etwa sechs bis acht Wochen vor der Geburt des Kalbes nicht mehr gemolken wird. Plötzlich von einem Tag auf den anderen produziert sie 20 Liter Milch mit fast fünf Prozent Milchzucker.

Für derartige Hochleistungen beträgt der tägliche Energiebedarf der Kuh schnell ein Vielfaches des Erhaltungsbedarfes, und ab einer täglichen Milchleistung von 30 Litern übersteigt die Energieabgabe über die Milch die Energieaufnahme über das Futter. Die Kuh kann also über das Futter kaum so viel Energie zu sich nehmen, wie sie über die Milch wieder abgibt. Zusätzlich verkompliziert wird die Sachlage durch die stark reduzierte Futteraufnahme der Kuh nach dem Kalben. Es entsteht eine Energielücke, die der Körper durch Mobilisierung von Energiereserven in der Form von Körperfett oder auch Muskeleiweiß zu schließen versucht.


Stoffwechselkrank durch hohe Milchleistung

Durch den massiven Fettabbau entstehen vermehrt bestimmte Substanzen, sogenannte Ketonkörper, die zu der bedeutendsten Stoffwechselkrankheit, der 'Ketose', führen. Diese geht mit ausgeprägten Krankheitssymptomen einher, wie z. B. Leberdegeneration und Verdauungsstörungen.

Neben dem Milchzucker ist auch der Kalziumgehalt der Kuhmilch konstant. Bei hoher Milchleistung kann die erforderliche Kalziummenge, die die Kuh bereitstellen muss, schnell bis zum sechsfachen des Erhaltungsbedarfes betragen. Diese Mengen können nicht so schnell aus natürlichen Speichern des Körpers mobilisiert werden, und es wird das im Blutkreislauf befindliche Kalzium in die Milch abgegeben. Wird dabei der normale Blutkalziumspiegel unterschritten, kommt es zur Hemmung der kalziumabhängigen Funktionen des Organismus. Dies kann zu lebensbedrohlichen Lähmungserscheinungen, zum 'Festliegen' führen. Diese als 'Milchfieber' bezeichnete Stoffwechselstörung ist häufig bei 'Milchkühen' anzutreffen und muss behandelt werden (Kalziuminfusion).

Eine hohe Milchleistung kann sogar zu Problemen an den Klauen der Kühe führen. Denn für die Produktion von einem Liter Milch müssen 500 Liter Blut durch das Euter fließen! Dadurch kann es in anderen Körperregionen zu einer Minderdurchblutung kommen. Zu diesen nun weniger durchbluteten Regionen des Körpers gehören maßgeblich die Klauen der Kuh. Die Qualität des Klauenhorns leidet unter der schlechten Nährstoffversorgung, was die Entstehung von Klauenerkrankungen begünstigt.


Nicht artgerechtes Milchleistungsfutter

Das Vormagensystem des Wiederkäuers ist darauf spezialisiert, rohfaserhaltige Pflanzennahrung, wie Gras und Heu, mit Hilfe von Mikroorganismen (sogenannte Pansenflora) zu spalten und dadurch dem Organismus Energie zuzuführen. Bei einer Futterumstellung auf energiereichere, jedoch nicht wiederkäuergerechte Nahrung mit entsprechend geringerem Rohfaseranteil besteht die Gefahr einer lebensbedrohlichen Pansenübersäuerung. Um 'Milchkühen' dennoch mehr Energie zuführen zu können, werden neu entwickelte energiereiche Spezialfuttermittel auf den Markt gebracht, die beispielsweise den Pansen geschützt passieren können, um letztlich als Glukose im Darm verfügbar zu sein. Doch durch die Verabreichung solcher 'Milchleistungs-' bzw. 'Kraftfutter' auf der Basis von Getreide, Rüben, Mais oder Soja wird die Kuh nicht nur gegen ihre Wiederkäuer-Natur behandelt, sondern auch zeitgleich unnötigerweise zum Nahrungskonkurrenten des Menschen gemacht.


Fazit

Zweifelsfrei ist das 'Milchkuh'-Dasein art- und tierwidrig, und allein die hier angeführten Teilaspekte geben Anlass genug, den eigenen Konsum von Milch und Milchprodukten kritisch zu überdenken.


Dr. Cristeta Brause ist Tierärztin und erste Vorsitzende der Menschen für Tierrechte - Tierversuchsgegner Hessen.

Anmerkung:
(*) Milchbildungsperiode zwischen Geburt des Kalbes und Trockenstehphase - also bis die Kuh etwa sechs bis acht Wochen vor der Geburt des nächsten Kalbes nicht mehr gemolken wird. Die Laktationsdauer beträgt heute etwa 305 Tage.


Mögliche Schädigungen des Kuh-Euters durch den maschinellen Milchentzug
Wunden an den Zitzen
Störungen der Blutzirkulation
'Blutmelken'
Entzündungen der Milchgänge
Verhornungen der Zitzenhaut
Entzündungen der Zitzenschleimhaut oder des gesamten Zitzengewebes
Verlegung des Zitzenhohlraums durch Narbenbildung
Ausstülpung der Zitzenschleimhaut aus dem Strichkanal (dem Kanal in der Zitze)
Strichkanalverletzungen
Absterbendes Gewebe an der Zitzenspitze ('Black pox')


Euterentzündung

Bei einer Euterentzündung (Mastitis) handelt es sich um eine Entzündung der Milchdrüsen und Milchgänge. Häufig sind Krankheitserreger wie Bakterien, Pilze und Algen beteiligt. Diese gelangen durch die Öffnungen der Zitze ins Euter.

Es ist davon auszugehen, dass jede 'Milchkuh' eine Mastitis hat! In den meisten Fällen handelt es sich allerdings um die 'subklinische Form' ohne erkennbare Symptome, wobei gleichzeitig vermehrt Keime in der Milch auftreten können. Jederzeit kann die Euterentzündung in die 'klinische' Form übergehen, die relativ harmlos bis hoch schmerzhaft sein und zu einer lebensbedrohlichen, fieberhaften Allgemeininfektion führen kann.

Die Infektion der Milchdrüse wird durch die hohe Milchleistung selbst sowie den maschinellen Milchentzug begünstigt. Außerdem können auch mangelnde Melkhygiene, Euterverletzungen sowie gegenseitiges Besaugen oder Selbstaussaugen des Euters zu einer Mastitis führen oder sie verstärken. Beim Besaugen oder Selbstaussaugen handelt es sich um eine Verhaltensstörung einiger 'Milchkühe', die ja selbst als Kälber von 'Milchkühen' nicht bei der Mutter trinken durften.


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Quelle:
tierrechte - Nr. 44, Mai 2008, S. 10-11
Infodienst der Menschen für Tierrechte -
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Roermonder Straße 4a, 52072 Aachen
Telefon: 0241/15 72 14, Fax: 0241/15 56 42
E-Mail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juni 2008