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TIERHALTUNG/465: Ferkel - Alternativen zur Kastration erwünscht (PROVIEH)


PROVIEH Heft 3 - Oktober 2008
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Kampagne
Alternativen zur Kastration erwünscht
- Interview mit einem Schweinezüchter

Das Interview führte Stefan Johnigk


Mit Schweinefleisch lässt sich in Deutschland für immer mehr Landwirte immer weniger Geld verdienen - der Verdienst fließt in die Taschen weniger Großbetriebe. Angesichts der wie die Pilze aus dem Boden sprießenden industriellen Schweinemastfabriken erstaunt die jüngste Viehbestandserhebung des Statistischen Bundesamtes von August 2008. In fast allen Bundesländern bis auf Nordrhein-Westfalen und Sachsen gingen die Zahlen der gehaltenen Zuchtsauen, Jungschweine und Mastschweine gegenüber dem Vorjahr deutlich zurück. Das hinterlässt auch Spuren in der bäuerlichen Landwirtschaft. Innerhalb eines Jahres mussten 7200 überwiegend kleinere Schweineproduzenten aufgeben oder haben sich von diesem Betriebszweig getrennt. Mittlerweile halten nur noch 73.200 Landwirte in Deutschland Schweine. Einer von ihnen ist Joachim Stange-Busdorf im schleswig-holsteinischen Loop. PROVIEH sprach mit ihm über das Thema Ferkelkastration.


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PROVIEH: Herr Stange-Busdorf, Sie halten auf Ihrem Hof Schweine. Wie groß ist Ihr Tierbestand?

STANGE-BUSDORF: Ich halte rund 100 Zuchtsauen und produziere in eigener Mast ca. 1500 Schweine pro Jahr, weitere 600 Ferkel liefere ich an andere Mäster. Da das nicht ausreicht, um wirtschaftlich zu arbeiten, hält meine Frau noch eine Herde von 60 Milchkühen.

PROVIEH: Es ist in Deutschland üblich, Ferkel ohne Betäubung zu kastrieren. Was halten Sie davon?

STANGE-BUSDORF: Die Kastration ist nicht nur schmerzhaft für die Ferkel, sie birgt auch ein Infektionsrisiko. Nach der Kastration wollen die Ferkel sofort wieder bei der Sau saugen. Dann kann sich die Kastrationswunde schon mal entzünden. Früher wurden die Ferkel erst im Alter von 3-4 Wochen kastriert. Die waren danach einen Tag richtig krank. Außerdem kommt es vor, dass ein Hoden des Ferkels in der Bauchhöhle bleibt. Solche Binneneber müssen vom Tierarzt operiert werden. Auch bei Bruchferkeln (d. h. Tieren mit einem Leistenbruch) muss zur Kastration der Tierarzt ran und das kostet.

PROVIEH: Was halten Sie von einer Betäubungspflicht für die Ferkelkastration?

STANGE-BUSDORF: Eine Betäubung mag ja aus Tierschutzsicht ganz schön sein, ist aber für mich als Landwirt noch riskanter als die bisherige Praxis. Zum Beispiel ist die Dosierung einer Narkose schwierig, denn jedes Tier reagiert anders, je nachdem wie voll der Bauch ist oder wie schwer es ist. Nimmt das Tier dadurch Schaden oder stirbt, so ist das nicht nur für das Tier schlecht, sondern auch für mich. Und nimmt der Tierarzt die Betäubung vor, sind die Kosten zu hoch. Wenn eine Betäubungspflicht eingeführt wird, muss ich wohl aufgeben. Ich hatte große Hoffnungen in die Immunokastration gesetzt, wie man sie in Australien erfolgreich durchführt. Aber dazu ist es in Deutschland sehr still geworden.

PROVIEH: Warum verzichten Sie nicht einfach auf die Kastration und betreiben Ebermast?

STANGE-BUSDORF: Wenn ich ganz auf die Kastration verzichten könnte, wie PROVIEH sich das vorstellt, wäre das gut für die Tiere und für mich. Aber unter heutigen Bedingungen werde ich Tiere aus Ebermast nicht los. Wenn ich einen ausgewachsenen Binneneber zum Schlachthof bringe, wird der schon als minderwertig verworfen und ich erhalte nur einen Bruchteil dessen, was er wert ist. Und wenn von meinen Schweinen nur 4-7% wegen Ebergeruch ganz verworfen würden, könnte ich meinen Betrieb aufgeben. Im Alleingang geht da gar nichts.

PROVIEH: Fleisch mit Ebergeruch im Schlachthof auszusortieren und für Rohwaren zu verwenden ist technisch bereits umsetzbar. Wer sollte sich Ihrer Ansicht nach darum kümmern, dass Tiere aus Ebermast von den Abnehmern akzeptiert und auch für die Verwendung zugelassen werden?

STANGE-BUSDORF: Das sehe ich als Aufgabe des Zentralverbandes der Deutschen Schweineproduktion e.V., des Bauernverbandes und anderer Verbände, dafür eine Lösung zu finden. Die wirtschaftlichen Risiken für einen Umstieg auf Ebermast müssen fair geteilt werden. Und besonders die bäuerlichen Betriebe sind darauf angewiesen, dass eine Abnahme der Tiere aus Ebermast zu wirtschaftlichen Preisen beim Handel gesichert ist.

PROVIEH: Herr Stange-Busdorf, wir danken Ihnen herzlich für dieses Gespräch.


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Quelle:
PROVIEH Heft 3, Oktober, 2008, Seite 22-23
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.
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PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Dezember 2008