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TIERHALTUNG/582: Vertreter des Ökogeflügelbereiches debattieren über Schwierigkeiten (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 364 - März 2013
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

"Nicht die Fehler der Konventionellen machen"

Vertreter des Ökogeflügelbereiches debattieren über Schwierigkeiten



Nach zahlreichen kritischen Medienberichten über die Zustände in großen Bio-Legehennen-Betrieben lud der Verbund Ökologische Praxisforschung (Naturland, Bioland, demeter, FiBL, SÖL) zu einem "Krisen-Treffen" am Rand der Berliner Grünen Woche ein. Die Nutztier-Ethologin Christiane Keppler nannte folgende Missstände in etlichen Bio-Ställen: unzureichende "Wintergärten", schlechter Gefiederzustand, Schäden an Brustbein und Fussballen, Verletzungen, Infektionen, Befall mit Milben und Spulwürmern. Sie machte die Bedeutung eines natürlich gewachsenen Bodens deutlich. Bei einer reizarmen Umgebung blieben den Tieren nur andere Tiere zum Picken. Dies sei nicht aggressiv motiviert, sondern durch eine Verhaltensstörung beim Futter- und Suchverhalten. Eine Rolle spielten auch die Futterstruktur (Mineralstoffe, Aminosäuren Methionin und Cystein), Rasse und Herkunft, Haltung und Management in Aufzucht- und Legeperiode und auch in der Umstellungsphase dazwischen. Georg Eckert von der Bio-Kontrollstelle ABCert bemängelte fehlende Aussagen der EU-Öko-Verordnung zur Regelkontrolle. Schwer zu kontrollieren sei, wenn neben regulär bestellten 2.000 Hennen noch zusätzliche 500 "schwarz nachbestellte" Tiere eingestallt würden. Die Kontrollen durch "ausgewählte Kontrolleure für Großbetriebe" umfassten aber auch den Warenfluss (zum Bestand passende Zahl verkaufter Eier) und Auslauf. Bisher sei dabei der Tierzustand vernachlässigt worden, weil schwer quantifizierbar und konfliktträchtig gegenüber den Haltern als Auftraggebern der Kontrollstellen.


Konsequenz gefordert

Laut Axel Wirth (FiBL) leben in Deutschland 64 % der Hennen in Bodenhaltung, 14 % im Freiland und 7% im rasch wachsenden Segment der Ökohaltung. Die Vermarktung der hiesigen Bio-Eier erfolge knapp zur Hälfte von Discountern, zu einem knappen Drittel von Vollsortimentern, zu einem geringen Teil vom Naturkost-Fachhandeln und zu knapp einem Fünftel in Kleinvermarktung. Auf der Seite der Erzeugung gibt es 24 Betriebe mit 30-50.000 Hennen, 91 Betriebe mit 10-30.000 und 75 Betriebe mit 3-10.000 Tieren. Naturland-Bauer Josef Bauer vemarktet die Eier aus seinen zwei 2.700er-Herden direkt. Er konstatiert mit Sorge, dass die Herdengrößen - auch wegen der Futterkosten-Degression - steigen und die Richtlinien immer weiter ausgereizt würden. Sein Fazit: Man dürfe nicht die gleichen Fehler wie im konventionellen Sektor machen. Auch Reinhild Benning (BUND) warnte vor einer industriellen Landwirtschaft auch im Ökosektor. In diesem Zusammenhang kritisierte sie auch die Fernsehauftritte des Bauernverbands Ökobeauftragten von Bassewitz, der kaum Problembewußtsein zeigt. Sie forderte grundlegende Änderungen, eine andere Genetik, bessere Kontrollen, eine frühere Abstimmung hinsichtlich der Probleme, eine futterflächengebundene Haltung. Man müsse den Lebensmitteleinzelhandel stärker fordern und dürfe keine Integrationen mit Vertrags- oder Lohnmast mehr zulassen. Steffen Dreesmann, Öko-Referent des niedersächsischen Agrarministeriums, thematisierte sehr deutlich seine Unzufriedenheit damit, dass die Bio-Branche nicht selber auf die Beseitigung offensichtlicher Missstände dränge. Um wirklich vom Tier her zu denken, brauche man keine Öko-Verordnung - dann ergäben sich z.B. Größe und Gestaltung des Auslaufs von selbst. Er forderte mehr unangekündigte Kontrollen. Dies gelte auch für den Lebensmittelhandel und seine Importe.

In der Podiumsdiskussion gestand Naturland-Geschäftsführer Steffen Reese ein, man habe nach den früheren Erfahrungen mit dem Bio-Eier-Konzern Tiemann nicht mit solchen Fernsehbildern, wie die jüngsten der Tierschutzorganisation PETA, gerechnet und werde nach einer "Tierwohl-Checkliste" stärker kontrollieren. Da man aber eine Umstellung der Landwirtschaft auf 100 % Öko anstrebe, gehe das nicht nur mit bäuerlichen Betrieben. Laut Bioland-Präsident Jan Plagge sind solche Bilder, wie die von PETA gefilmten, in den kleiner strukturierten Bioland-Ställen nicht möglich. Man werde Bestandsobergrenzen jetzt auch bei Legehennen und Schweinen verabschieden. Die meisten Bioland-Legehennenbetriebe hätten 6.000 Plätze, nur einer 15.000. Gemeinsam mit anderen Bioverbänden arbeite man an einem Tierwohlkonzept und mehr Transparenz. Elke Röder, (BNN) forderte im Namen des Naturkost-Fachhandels von Naturland und Biopark eine konsequente Aufarbeitung der Missstände und eine neue Größenanalyse. Peter Schaumburger vom IMO-Kontrollverband, der von PETA in Zusammenhang mit der Tiemann-Affäre heftig kritisiert wird, und Naturland Geschäftsführer Reese berichteten über aktuelle Nachkontrollen bei Tiemann ohne Feststellung gravierender Missstände. Auf Nachfrage wurde eingeräumt, dass zu jenem Nachkontrollzeitpunkt die von PETA gefilmten Tiere bereits ausgestallt waren.  en

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 364 - März 2013, S. 14
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Mai 2013