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TIERHALTUNG/633: Initiative für Tierwohl startet 2015! (PROVIEH)


PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 3/2014
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Endlich Einigung: Initiative für Tierwohl startet 2015!

Von Sabine Ohm



Es ist so weit, das Tierwohl-Bonitierungssystem soll den Schweinehaltern ab 2015 die Umsetzung von Tierwohlmaßnahmen über einen Tierwohl-Fonds vergüten. Auf diese "Branchenlösung" hat sich der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) nach langem Gezerre um Details im Juli 2014 definitiv geeinigt.

Schon im September 2012 hatten sich die Top 10 des deutschen LEH für die Bonitierung entschieden, nachdem das von PROVIEH und seinen vier Mitinitiatoren (Tönnies, Thönes Natur, Böseler Goldschmaus und REWE) konzipierte System im Frühjahr 2012 in der Branchenorganisation QS (Qualität & Sicherheit GmbH) vorgestellt worden war. Bis Juli 2013 dauerte die Ausarbeitung der Kriterien unter Koordination der QS und Mitwirkung von PROVIEH in der "Initiative für Tierwohl" (vgl. PROVIEH-Magazine 4/2012, 3 und 4/2013). Einen Monat später folgte die erste Verabschiedung der Branchenlösung.

Nach neuen Bedenken und einem weiteren Verhandlungsjahr macht der LEH jetzt endlich Ernst mit der Umsetzung. Das Kartellamt hat prinzipiell keine Einwände dagegen. Das System soll aber laufend kartellrechtlich beobachtet werden, weil Preisabsprachen im Handel verboten sind. Die teilnehmenden Unternehmen des LEH verpflichten sich deshalb nur dazu, jeweils vier Cent pro umgesetztem Kilogramm Schweinefleisch und schweinefleischhaltiger Wurst in den gemeinsamen Fonds für die Bonuszahlungen abzuführen. Dadurch werden bei gleichbleibendem Konsumverhalten schätzungsweise 65 Millionen Euro pro Jahr für den Fonds zusammenkommen. Ob und wieviel davon über Preiserhöhungen an die Kunden weitergegeben wird, bleibt jedem Unternehmen selbst überlassen.

Mit dabei sind REWE mit Discount-Tochter Penny, Lidl und Kaufland (Schwarz Gruppe), Aldi Süd und Aldi Nord, Kaiser's Tengelmann, die Metro-Tochter Real (ohne die übrige Metro Group) und EDEKA mit ihrem Discounter Netto. Bisher nicht beteiligt sind Supermarktketten wie Norma, Globus, Famila, Citti, Hit und Coop. Die teilnehmenden Einzelhandelsunternehmen werden künftig kommunizieren, dass ihre Kunden mit dem Kauf von Schweinefleischprodukten die Initiative für Tierwohl unterstützen, aber es wird kein Tierwohl-Siegel auf die Waren gedruckt; denn die Lieferanten müssen bei diesem freiwilligen System keine einheitlichen Standards erfüllen.

Die Schweinehalter werden ihre Bonuszahlungen losgelöst vom Marktpreis ihrer Tiere vierteljährlich von einer unabhängigen Zahlungsstelle erhalten. Sie müssen dafür ihren gesamten Betrieb jeweils für drei Jahre fest anmelden und neben der Erfüllung der Grundvoraussetzungen auch die von ihnen gewählten Wahlpflicht- und Wahlkriterien angeben. Sie werden eingangs zertifiziert und jährlich unangekündigt kontrolliert (Audit). Ihre Kriterien können sie während der dreijährigen Zertifikatlaufzeit nur in Ausnahmefällen und höchstens einmal pro Jahr verändern.

Im Fall von Verstößen drohen den Bauern harte Sanktionen: vom Verlust des Bonus-Anspruchs und der Rückzahlung bereits erhaltener Bonuszahlungen über Bußgeldzahlungen (von bis zu 100.000 Euro!) bis hin zu einem befristeten oder dauerhaften Ausschluss. In besonders schwerwiegenden Fällen kann die für den Betrieb des Bonitierungssystems gegründete "Trägergesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung" auch Strafanzeige stellen. Diese Strafen können schwarze Schafe aber nur abschrecken, wenn ein verlässliches Auditsystem mit unabhängigen Kontrolleuren etabliert wird.

Das Kontrollsystem sowie einige andere inhaltliche und organisatorische Details müssen bis zum Start der Auszahlungen Anfang 2015 noch ausgearbeitet werden. Unter anderem soll im Herbst 2014 ein mit Experten besetzter Fachausschuss für die kontinuierliche Anpassung und Weiterentwicklung des Systems einberufen werden. PROVIEH setzt darauf, auch weiterhin am Gestaltungsprozess sowie an den Kontrollen beteiligt zu werden - auch wenn das System in der Öffentlichkeit gern als eigene Entwicklung von Landwirtschaft und Einzelhandel dargestellt wird.

Im Erfolgsfall kann das freiwillige Bonitierungssystem der Initiative für Tierwohl den Tierschutz revolutionieren. Denn wenn die Tierhalter dauerhaft einen fairen Ausgleich für Tierwohlmaßnahmen erhalten, können sie künftig mehr Klasse statt Masse produzieren - und trotz des enormen Wettbewerbsdrucks den höheren gesellschaftlichen Anforderungen an die Erzeugung gerecht werden. Dafür lohnt es sich zu kämpfen!

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Quelle:
PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 3/2014, Seite 26-27
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen
tierquälerische Massentierhaltung e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. November 2014