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TIERHALTUNG/667: Aquakultur - Massentierhaltung im Wasser (PROVIEH)


PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 3/2015
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Aquakultur - Massentierhaltung im Wasser

Von Sandra Lemmerz


Jeder Mensch verzehrt im Schnitt 20 Kilogramm Fisch pro Jahr, Tendenz steigend. Davon stammt etwa die Hälfte aus Aquakultur. Die Fischzucht ist mit einer jährlichen Zunahme von guten acht Prozent der weltweit am stärksten wachsende Bereich der Lebensmittelproduktion. Hier wird permanent nach Optimierungsmöglichkeiten gesucht, denn Antibiotika im Fischfutter und Überdüngung von Gewässern sind nur zwei Negativaspekte der Fischproduktion.

Obwohl lange das Gegenteil behauptet wurde, zeigen neuere Studien, dass Fische sehr wohl in der Lage sind, Stress, Angst und Schmerz zu empfinden und auf Reize nicht nur reflexartig reagieren. Gerade vor diesem Hintergrund ist es wichtig, sich klar zu machen, dass es sich bei Fischzucht in Aquakulturen meist auch um Massentierhaltung handelt. Zuchtfische sind die häufigsten "Nutz"tiere überhaupt!


Arteigene Bedürfnisse

Bei der Planung von Anlagen sollten nicht nur ökonomische und ökologische Fragen berücksichtigt werden. Auch das Tierwohl ist relevant. Fische haben je nach Art verschiedene arteigene Bedürfnisse und Verhaltensweisen, die beachtet werden wollen.

Fische bilden Schwärme, die in freier Natur nicht auf einer Stelle bleiben, sondern sich gemeinsam über größere Distanzen bewegen, als es in der Aquakultur möglich ist. Bei der Massentierhaltung im Wasser wirkt sich eine zu hohe Besatzdichte sowohl negativ auf die Gesundheit als auch das Wohlbefinden der Fische aus. Zu wenig Platz führt zu Stress und Aggressivität und zu einer erhöhten Verletzungsgefahr. Die Tiere sind anfälliger für Krankheiten und durch die räumliche Enge besteht eine erhöhte Ansteckungsgefahr. Die empfohlenen maximalen Besatzdichten werden oft überschritten. Neben der Besatzdichte gibt es weitere Faktoren, die sich auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Fische auswirken. Ähnlich wie bei den "Nutz"tieren an Land sind das unter anderem die Sauberkeit und der Abwechslungsreichtum der Lebensumgebung sowie die Qualität des Futters.

Besonders artfremd ist die Enge der Aquakultur für wandernde Fische wie Lachse, Forellen oder Aale. Hier sind Strukturelemente und Blenden für unterschiedliche Strömungen sowie Rückzugsmöglichkeiten in den Anlagen von Vorteil. Forellen suchen beispielsweise zum Fressen und Schlafen in freier Natur unterschiedliche Strömungen auf.

Eine Steigerung der Lebensqualität bietet aber nicht nur für die Tiere einen Mehrwert, sondern erzeugt auch wirtschaftliche Vorteile durch eine geringere Sterblichkeitsrate der Tiere sowie eine bessere Qualität und bessere Vermarktungsmöglichkeiten. Der Verbraucher interessiert sich zunehmend für gesunde und tierfreundlich erzeugte Produkte und ist auch bereit, dafür zu zahlen.

Ein Problem bei der Planung von Fischzuchtanlagen sind die mangelhaften Kenntnisse über die Bedürfnisse der verschiedenen Fischarten. Damit die Haltung besser an ihre jeweiligen Bedürfnisse angepasst werden kann, arbeitet die Organisation fair-fish international an einer Datenbank, in der weltweite Erkenntnisse über Fischethologie zusammen getragen werden. Nach 18 Monaten Forschung wurden zunächst ethologische Erkenntnisse über drei Fischarten in der FishEthoBase gesammelt. Vier weitere Arten sollen bis Ende des Jahres folgen. Die Fischdatenbank finden Sie unter:
fishethobase.fair-fish.ch/de.


Umweltaspekt

Durch die Errichtung von Aquakulturen ergibt sich - je nach Standort - eine Anzahl von negativen Auswirkungen auf die Umwelt. Bei der Errichtung von Fischfarmen auf dem Land werden oft große Flächen (beispielsweise Mangroven) vernichtet, um Teiche anzulegen.

Bei Anlagen in Gewässern kann es in unmittelbarer Nähe zu einer Überdüngung von Buchten und Flüssen kommen, wenn die Abwässer durch Futterreste und Fischkot sowie Medikamentenrückstände verunreinigt sind. Auf Leistung hochgezüchtete Fische sind krankheitsanfälliger als ihre "natürlichen" Artgenossen in Freiheit. Genau wie bei den anderen "Nutz"tieren wird hier nicht auf die Zucht der alten Arten zurückgegangen, sondern es wird versucht, durch erhöhte Antibiotikagabe über das Futter die Krankheiten in den Griff zu bekommen. Durch den Einsatz von Antibiotika ergeben sich aber Folgen für das Ökosystem und die Gesundheit der Konsumenten. Es können sich Antibiotikaresistenzen bilden, die die Behandlung von Krankheiten erheblich erschweren.

Bei Fischzuchtanlagen im Meer besteht zudem die Gefahr eines Austausches zwischen den Zuchttieren und ihrer Umgebung. Durch entkommene Zuchtfische können Krankheiten auf die wildlebenden Arten übertragen werden. Wenn es sich außerdem bei den Zuchttieren um fremde Arten handelt, besteht die Gefahr, dass sich diese stark vermehren und einheimische Arten verdrängen. Das ist problematisch, weil diese Arten meist als Nahrungsquelle für andere heimische Tiere dienen. So wurde beispielsweise die blau-schwarze Miesmuschel im Wattenmeer überwiegend von der Pazifischen Felsenauster verdrängt, die vor Jahrzehnten vor Sylt und in Holland zur Zucht ausgesetzt wurde. Die verdrängte Miesmuschel ist aber Hauptnahrungsmittel der Austernfischer und Eiderenten, die sich von der Pazifischen Felsenauster nicht ernähren können.


Anteile Aquakultur weltweit

Die führende Aquakulturnation ist China. Ein verhältnismäßig geringer Anteil findet in Europa und Amerika statt.

Ungefähr 600 verschiedene Arten werden in Aquakultur gehalten. Den größten Anteil haben Süßwasserfische wie Karpfen oder Tilapia. Auf dem zweiten und dritten Platz folgen die Mollusken (Weichtiere) wie zum Beispiel Miesmuscheln und Austern und die Krustentiere wie verschiedene Garnelenarten. Wanderfische wie Lachs und Forelle folgen auf Platz vier.


Überfischung

Paradox: Aquakultur soll der Überfischung der Meere entgegenwirken, aber für das Futter vieler Zuchtfische werden andere Fische gefangen und zu Tierfutter in Form von Tiermehl und -öl verarbeitet. Die Fütterung ist je nach Art unterschiedlich effizient. Besonders problematisch ist das Verhältnis von zugeführtem Futter und fertigem Fisch ("Fish-in-Fish-out-Ratio") bei Raubfischen. Bis zur Schlachtreife verbraucht die Fütterung eines Lachses zum Beispiel drei bis fünf Mal mehr Fisch als durch seine Schlachtung gewonnen wird. Dies zeigt, dass zur Futtergewinnung für unsere Kulturfische ebenfalls die Meere in großem Stil leergefischt werden. Besonders die Züchtung von Raubfischen beeinflusst die Fischbestände negativ.

Wenn die Menschen aber weiter diese Fischarten bevorzugen, ist es essentiell, dass alternative Haltungsmethoden und Futtermittel entwickelt werden, die den Tieren und der Umwelt gerecht werden. Es wird bereits an der Entwicklung von hochwertigem Futter geforscht, das nicht aus Wildfang stammt. Dabei wurden gute Ergebnisse mit Fliegenlarven und Pflanzenproteinen erzielt.

Trotz aller Schwierigkeiten kann Aquakultur - auch in den Entwicklungsländern - eine gute Methode sein, um Menschen mit hochwertigem Eiweiß zu versorgen. Obwohl Überdüngung in den Küstenbereichen und an Flüssen Probleme bereitet, sind viele Fischzuchten immer noch umweltfreundlicher als die intensive Rinder- oder Schweinemast. Zudem verbraucht die "Produktion" von einem Kilogramm Karpfen viel weniger Futter als die Produktion von einem Kilogramm Rind oder Schweinefleisch. (Fische sind wechselwarme Tiere und brauchen weniger Energie für die Wärmegewinnung und Fortbewegung im Wasser.)


Fazit

Um eine Schonung der Fischbestände zu gewährleisten, ist Fischzucht eine Option, aber insgesamt funktioniert das nur, wenn die Menschen gleichzeitig ihren Fischkonsum reduzieren. Fair-fish empfiehlt, höchstens einmal im Monat Fisch zu essen und dabei lieber auf sogenannte Friedfische aus nachhaltiger Fischzucht zurückzugreifen, die sich von Kleinstlebewesen, Algen und Wasserpflanzen ernähren. Eine Konzentration auf die Zucht von Fischarten, die ohne Tiermehl auskommen, erscheint sinnvoll. Dabei sollten ökologische und ethologische Erkenntnisse in die Planung von Haltungssystemen miteinfließen.


INFOBOX
 
Neue Wege - Aquaponik

Unter Aquaponik versteht man Fischzuchtanlagen an Land, in denen die Abwässer genutzt werden, um Pflanzen - zum Beispiel Tomaten - zu düngen, die in diesen Anlagen angebaut werden. In diesem Kreislaufsystem dienen die Ausscheidungen und Futterreste aus der Aquakultur den Pflanzen als Nährstoffe, die sie zum Wachsen brauchen, und die Pflanzen reinigen das Wasser, welches dann wieder in die Fischbecken überführt wird.

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Quelle:
PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 3/2015, Seite 42-45
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen
tierquälerische Massentierhaltung e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Dezember 2015

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