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POLITIK/600: Tierschutz in der politischen Diskussion (tierrechte)


tierrechte Nr. 55, Februar 2011
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.

Tierschutz in der politischen Diskussion

Von Christiane Baumgartl-Simons und Christina Ledermann


Nachfolgend widmen wir uns einigen Themen, die derzeit politisch diskutiert werden. Leider können wir aus Platzgründen nur einige aufgreifen. Darüber hinaus gibt es weitere Aktivitäten z. B. zu Vorschriften für Tierbörsen, Anbindehaltungsverbot für Rinder, Änderung der Geflügelpestverordnung (Stallpflicht), Novellierung von Landesjagdgesetzen, Haltungsverbot von gefährlichen Tieren und Delfinen - um nur einige zu nennen.


Expansion von Mastanlagen muss eingedämmt werden

Neubauten von riesigen Mastanlagen für Geflügeltiere und Schweine boomen, bundesweit sollen 900 Anlagen hinzukommen. Grund dafür ist, dass Großmastbetriebe bei der Genehmigung wie Bauernhöfe behandelt werden und dadurch nach Paragraf 35 Baugesetzbuch (BauGB) besonders geschützt sind. Auch der Bundesregierung wird langsam bewusst, dass diese Privilegierung von Agrarfabriken in die falsche Richtung führt. Der Agrarausschuss im Bundestag lehnte Anfang Dezember 2010 zwar einen Antrag von B90/Die Grünen ab, der die Genehmigung von sogenannten Massentierhaltungsanlagen im Außenbereich von Kommunen erheblich erschweren sollte, Union und FDP gaben aber bekannt, dass sie bei der anstehenden Novelle des Baugesetzbuchs nach Möglichkeiten suchen, die Konflikte bei der Genehmigung neuer Mastställe zu lösen. Auch der Petitionsausschuss sprach sich Ende 2010 einstimmig dafür aus, die ungesteuerte Expansion von Mastanlagen einzudämmen und das Baurecht sowie das Immissionsschutzgesetz zu verschärfen. Mit auf der Tagesordnung steht nach diversen Tierschutzskandalen und neuen Studienergebnissen auch die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. Sie muss dringend im Sinne des Tierschutzes überarbeitet werden.(*)


Ferkel: Verbot der betäubungslosen Kastration

Ferkel werden in der ersten Lebenswoche für die Intensivhaltung schmerzvoll zurechtgeschnitten. Das Tierschutzgesetz erlaubt das Abschneiden von Ringelschwänzen und Hoden bis zum 4. bzw. 8. Lebenstag ohne Betäubung. NRWs grüner Umweltminister Johannes Remmel hat seit Januar 2011 per Erlass das Abkneifen der Ferkelschwänze bei vollem Bewusstsein ausgebremst. Tatsächlich aber müssten Bund und Länder das Operieren ohne Narkose im Tierschutzgesetz ausnahmslos verbieten.


Schnabelkürzen: Ende der Tierqual im Hühnerstall

Wegen der drangvollen Enge, Stress und Mangelerscheinungen kommt es bei "Legehennen" besonders in der Bodenhaltung häufig zu Federpicken und zu Kannibalismus. Deswegen wird bei rund 90 Prozent aller "Legehennen" in Deutschland die empfindsame Schnabelspitze bei vollem Bewusstsein mit einer heißen Klinge abgetrennt. Gemäß Tierschutzgesetz ist das Schnabelkürzen verboten. Die Behörden der einzelnen Bundesländer können jedoch Ausnahmegenehmigungen erteilen. Mittlerweile ist die Ausnahme jedoch zur Regel geworden. Dies muss bei einer Überarbeitung des Tierschutzgesetzes ausgeschlossen werden.


Qualzucht: Tierschutzgesetz greift nicht

Das deutsche Tierschutzgesetz verbietet im Paragraf 11b Absatz 1 züchterische Maßnahmen, die bei Tieren zu Schmerzen, Schäden oder Leiden führen. Doch der "Qualzuchtparagraf" bleibt wirkungslos, wenn er nicht konkretisiert wird. Dies zeigte sich kürzlich im Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshof, als dieser ein seit 2002 geltendes Zuchtverbot für sogenannte Haubenenten aufhob, obwohl vier wissenschaftliche Arbeiten vorliegen, die bestätigen, dass es sich bei dieser Rasse um eine Qualzucht handelt. Für den Bundesverband steht fest: Das Tierschutzgesetz muss hier gerichtsfest werden, sonst macht der "Qualzuchtparagraf" keinen Sinn.


Tierschutz-Verbandsklage muss kommen

Für das Rechtsverständnis unserer Demokratie ist die Tierschutz-Verbandsklage eine Selbstverständlichkeit. Nur in Bremen ist sie Realität. Während B90/Die Grünen, Die Linke und die SPD das Klagerecht befürworten, lehnen es CDU/CSU und FDP bisher ab.

Im Wort stehen Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und das Saarland. Auch die in Thüringen mitregierende SPD hat sich für die Klagebefugnis im Tierschutz ausgesprochen.


(*) Einen aktuellen Artikel zu Entwicklungen im Bereich der Intensivtierhaltungen finden Sie auch auf unseren Internetseiten unter:
www.mag.tierrechte.de/68


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Quelle:
tierrechte - Nr. 55/Februar 2011, S. 13
Infodienst der Menschen für Tierrechte -
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Roermonder Straße 4a, 52072 Aachen
Telefon: 0241/15 72 14, Fax: 0241/15 56 42
E-Mail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. April 2011