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POLITIK/831: Appell an die Bundesregierung - Haltung und Handel von Wildtieren strenger regeln (TSB)


Pressemitteilung des Deutschen Tierschutzbundes - 28. März 2018

Appell an die Bundesregierung: Haltung und Handel von Wildtieren strenger regeln

Wildwuchs im Wildtier-Markt muss dringend eingedämmt werden


16 Tier-, Natur- und Artenschutzverbände fordern die neue Bundesregierung auf, Haltung und Handel von Wildtieren strenger zu reglementieren. Bisher ist der Markt weitgehend unreguliert, es besteht dringender Handlungsbedarf. Auf Exotenbörsen und im Internet werden tausende Arten gehandelt. "Die Tiere werden allzu oft von Menschen gekauft, die deren Bedürfnissen nicht mal ansatzweise gerecht werden und die sich nicht ausreichend über die Haltung der Tiere informiert haben", sagt Jana Hoger, Fachreferentin bei PETA. Häufig landen die Tiere in zu kleinen Terrarien oder Käfigen, oder werden falsch gefüttert. Viele Wildfänge sterben bereits zuvor während des langen Weges aus der Wildnis über Zwischenhändler, Transporten, Importeur und Großhandel.

Da viele Privathalter mit den Tieren nicht zurechtkommen, landen diese dann in Tierheimen und Auffangstationen, die bereits im vergangenen Jahr in einem gemeinsamen Brandbrief Alarm geschlagen haben. "Tierheime und Auffangstationen werden zunehmend mit exotischen Tieren wie Reptilien konfrontiert. In aller Regel sind sie auf die Haltung exotischer Tiere nicht eingestellt und kommen räumlich und finanziell an ihre Grenzen. Zudem gestaltet sich die Vermittlung an geeignete Halter schwierig", so Dr. Henriette Mackensen, Leiterin des Heimtierreferats beim Deutschen Tierschutzbund.

Unter den gehandelten Tierarten sind auch Arten, die zum Teil in ihren Heimatländern streng geschützt sind. Hier in Deutschland können sie trotzdem legal gehandelt werden. "Die Tiere werden in ihrer Heimat illegal eingefangen und außer Landes geschmuggelt. So bald die Schmuggler in Deutschland sind, drohen ihnen keine Strafen mehr. Wildtierschmuggel wird so zum maximalen Profit bei minimalem Risiko. Diese Gesetzeslücke muss geschlossen werden, um dem Raubbau an der Natur Einhalt zu gebieten", erklärt Dr. Sandra Altherr von Pro Wildlife.

Manche Arten werden für den Heimtierhandel fast ausgerottet. Viele Bestände in der Wildnis schrumpfen ohnehin und jede Entnahme für den Handel schwächt die Populationen weiter. "Für Wilderer ist das Plündern von Gelegen seltener Arten wie der Gang zum Geldautomaten. Der illegale Wildtierhandel ist in seiner Dimension mittlerweile dem Menschen-, Drogen- und Waffenhandel vergleichbar und somit bei weitem kein Kavaliersdelikt", beschreibt Ralf Schulte vom NABU die Situation.

Für die Menschen in Deutschland sowie für die heimischen Tiere und Pflanzen stellt der massenhafte Import von Wildtieren zudem eine Gefahr dar. Giftige Schlangen und Spinnen entkommen immer wieder aus Terrarien oder werden ausgesetzt. Außerdem übertragen exotische Tiere fallweise potenzielle Krankheitserreger wie Salmonellen oder Pilze wie den Salamanderfresser, der für heimische Salamander und Molche eine tödliche Gefahr ist. Andere Arten bergen invasives Potential und können sich hier in freier Natur vermehren und verbreiten, so wie dies bereits bei den Buchstaben-Schmuckschildkröten geschehen ist.

"Die genannten Probleme sind längst bekannt. Schon in der letzten Legislatur waren Verbesserungen angekündigt, aber leider folgte diesen Ankündigungen so gut wie nichts Konkretes. Ein weiteres Verschleppen von dringend notwendigen Regelungen durch die Bundesregierung ist nicht nur unverständlich, es ist unverantwortlich", so Undine Kurth, Vizepräsidentin des Deutschen Naturschutzringes.

Aufgrund der Vielzahl an Problemen fordern die Verbände:

  • eine Liste mit Tierarten, die für eine private Haltung geeignet sind, verbunden mit einem verpflichtenden Sachkundenachweis für Halter von Wildtieren
  • den Verkauf von Wildtieren auf Börsen zu verbieten. Gewerbliche Händler müssen von Tierbörsen ausgeschlossen werden.
  • den Verkauf von lebenden Tieren über das Internet sowie deren Versand zu verbieten
  • ein Importverbot für Wildfänge auf EU-Ebene

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Tier-, Arten- und Naturschutzverbände fordern:
Wildtierhandel und -haltung strenger regeln

Handel und private Haltung von nicht-heimischen Wildtieren sind in Deutschland weitestgehend unreguliert. Die Haltung nicht-heimischer Wildtiere liegt im Trend, darunter Reptilien, Affen und Großkatzen. Auf Exotenbörsen und im Internet kann man problemlos nicht-heimische Wildtiere kaufen, dies oftmals zu einem geringen Preis und ohne auch nur über grundlegende Kenntnisse zur Biologie der Tiere und deren Haltungsanforderungen zu verfügen. Unter den Angeboten finden sich geschützte sowie gefährliche Arten, potenziell invasive Arten und schwer zu haltende Arten - das angebotene Spektrum ist im steten Wandel und umfasst tausende Arten aus aller Welt. Diese Vielfalt an angebotenen Tieren (vom Leguan bis zum Löwen) und die Privathaltung von exotischen Wildtieren in Deutschland bringt eine Vielzahl an Problemen mit sich. Viele Wildtiere haben besonders hohe Haltungsansprüche, die Privathalter kaum erfüllen können. Ihre Anschaffung bedeutet oftmals eine langfristige Verpflichtung, die mit erheblichem Zeit- und Finanzaufwand verbunden ist. Tierheime sind immer öfter mit solchen Tieren konfrontiert, mit ihrer Pflege jedoch überfordert und beklagen, ebenso wie die wenigen spezialisierten Auffangstationen, dass ihre Kapazitäten längst ausgeschöpft sind. Desweiteren werden manche Arten für den Heimtierhandel fast ausgerottet. Naturentnahmen für den Handel schwächen die ohnehin schrumpfenden Wildbestände. Besonders bedenklich sind Importe von Arten, die im Herkunftsland bereits nationalen Schutzbestimmungen unterliegen, jedoch nicht international geschützt sind - sie können hierzulande legal verkauft werden, auch wenn sie im Heimatland illegal gefangen wurden. Der Import von jährlich hunderttausenden Wildtieren birgt zudem das Risiko der Einschleppung von Krankheiten für Menschen, Wildtiere und sogenannte "Nutztiere" - ein aktuelles Beispiel hierfür ist der sogenannte Salamanderfresser, ein für hiesige Salamander und Molche tödlicher Pilz. Der Handel ist zudem eine Quelle für potentiell invasive Arten, die heimische Wildtiere, Lebensräume und Ökosysteme beeinträchtigen und großen wirtschaftlichen Schaden anrichten.

Um die mit der privaten Haltung nicht-heimischer Wildtiere verbundenen vielfältigen artenschutzrechtlichen, gesundheitlichen (für Mensch und Tier) und tierschutzrelevanten Risiken zu minimieren, sind effektive rechtliche Maßnahmen national und auf europäischer Ebene dringend erforderlich. Die unterzeichnenden Tier- und Naturschutzverbände fordern deshalb die Bundesregierung zu folgenden konkreten Schritten auf:

1. Es soll bundeseinheitlich und rechtsverbindlich geregelt werden, dass nur noch Tiere gehalten und gehandelt werden dürfen, die mit Blick auf Tier-, Natur- und Artenschutz sowie auf Gesundheit und öffentliche Sicherheit für eine private Haltung geeignet sind. Um ein solches Tier kaufen und halten zu können, muss ein Sachkundenachweis verpflichtend sein.

2. Der Verkauf von Wildtieren auf Börsen ist abzulehnen. Insgesamt muss der Verkauf von Tieren auf Börsen in einer rechtsverbindlichen, bundeseinheitlichen Verordnung geregelt werden. Diese stellt sicher, dass nur regionale Anbieter zugelassen sind, gewerbliche Händler ausgeschlossen werden, nur Nachzuchten bzw. keine Wildfänge und nur Tiere angeboten werden, deren Wohlbefinden durch das Anbieten auf einer Börse nicht beeinträchtigt wird. Das Tierwohl muss u.a. durch Vorschriften für Präsentations- und Transportbehältnisse, die nicht unterhalb derer für den Zoofachhandel liegen, sowie eine durchgehende Überwachung durch Amtstierärzte und von der Behörde berufene spezialisierte, weisungsbefugte Tierärzte sichergestellt werden.

3. Der Verkauf von lebenden Tieren über das Internet sowie der Versand muss unterbunden werden. Ausgenommen werden können Tierheime und Auffangstationen, die ihre Tiere im Internet präsentieren, aber vor Ort vermitteln. Nur dann ist der Vollzug tier- und artenschutzrechtlicher Bestimmungen kontrollierbar.

4. Wir fordern einen nationalen Vorstoß Deutschlands, um ein Importverbot für Wildfänge auf EU-Ebene anzustoßen. In der EU gilt bereits seit 2005 ein Einfuhrverbot für Wildvögel, das zu einem massiven Rückgang der weltweiten Wildentnahmen geführt und Millionen Vögeln das Leben gerettet hat. Ein solches Importverbot muss auch auf andere Artengruppen ausgeweitet werden, um Tierbestände in Herkunftsländern zu schützen und die Einschleppung von invasiven Arten und gefährlichen Krankheitserregern zu verhindern. Es hat sich in der Praxis gezeigt, dass letztlich auch hiesige Halter und Züchter davon profitierten.

Aktionsgemeinschaft Artenschutz (AGA) e.V.
Birgit Braun

Deutscher Naturschutzring
Undine Kurth

Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt
Mahi Klosterhalfen

Deutscher Tierschutzbund e.V.
Thomas Schröder

animal public e.V.
Laura Zodrow

IFAW Deutschland
Robert Kless

ANIMALS UNITED e. V.
Viktor Gebhart

NABU - Naturschutzbund Deutschland e.V.
Olaf Tschimpke

Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Dr. Christiane Baumgartl-Simons

PETA Deutschland e.V.
Harald Ullmann

Bundesverband Tierschutz e.V.
Dr. Jörg Styrie

Pro Wildlife e.V.
Andrea Höppner

Bund gegen den Missbrauch der Tiere e.V.
Karsten Plücker

VIER PFOTEN - Stiftung für Tierschutz
Rüdiger Jürgensen

Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
Prof. Dr. Hubert Weiger

Vogelschutz-Komitee e. V.
Dr. Eberhard Schneider

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Quelle:
Pressemitteilung des Deutschen Tierschutzbundes e.V.
vom 28. März 2017
Herausgeber: Deutscher Tierschutzbund e.V., Bundesgeschäftsstelle
In der Raste 10, D-53129 Bonn
Telefon: +49-(0)228-6049624, Fax: +49-(0)228-6049641
E-Mail: presse@tierschutzbund.de
Internet: www.tierschutzbund.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. April 2018

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