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POLITIK/867: Nach Wahl des 9. EU-Parlaments Chancen für mehr Tierschutz (tierrechte)


Magazin tierrechte - Ausgabe 3/2019
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V

Chancen für mehr Tierschutz

von Christina Ledermann


In der letzten Legislaturperiode des EU-Parlaments konnten keine großen Fortschritte bei der Tierschutzgesetzgebung erreicht werden. Dies könnte sich mit der neuen EU-Kommission, der veränderten Sitzverteilung im EU-Parlament und der finnischen EU-Ratspräsidentschaft ändern.


Die Wahl des 9. EU-Parlaments ist nun schon fast drei Monate her. Bis Ende des Jahres müssen die wichtigsten Gremien, wie die neue EU-Kommission, stehen. Nach dem umstrittenen Nominierungsprozess der EU-Spitzenposten steht nun fest, dass Ursula von der Leyen (CDU) Präsidentin der EU-Kommission wird. Trotz des umstrittenen Verfahrens ist es letztlich ein Glückfall, dass so der EVP-Kandidat Manfred Weber verhindert wurde. Weber soll der industriellen Tierhaltung nahestehen und hat bisher kein Interesse am Tierschutz gezeigt.


Von der Leyen: "Artenvielfalt und Tierschutz haben Vorrang"

Ob und wie sich von der Leyen für den Tierschutz einsetzen wird, ist noch unklar. Was Hoffnung macht, ist, dass von der Leyen bei ihrer Vorstellung vor den Grünen erklärte, dass Artenvielfalt und Tierschutz für sie Vorrang hätten. Den Schutz der Tiere bezeichnete sie als "noble Aufgabe". Als Vorgesetzte der mehr als 30.000 Kommissions-Mitarbeiter ist die ehemalige Verteidigungsministerin dafür zuständig, Gesetzesvorschläge zu machen und die Einhaltung von EU-Recht zu überwachen. Über die Annahme von Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten hat die Kommission die Möglichkeit, auch kurzfristig Tierschutzverbesserungen umzusetzen. Auf diesem Wege könnten Fortschritte für Kühe, Geflügel, Pferde, Fische, Rinder sowie für Katzen und Hunde erreicht werden. Dabei könnte auch die neue EU-Plattform für Tierschutz eine Rolle spielen.


Mehr politisches Gewicht für tierschutzaffine Fraktionen

Doch wird die Kommission die überfälligen Tierschutz-Verbesserungen in ihrem Arbeitsprogramm 2019 bis 2023 angehen? Immerhin bietet die neue Sitzverteilung im EU-Parlament Chancen für den Tierschutz, denn die konservative EVP, die sich eher für die Landwirtschaftslobby statt für die Tiere einsetzt, hat viele Sitze verloren. Sie ist zwar nach wie vor die größte Fraktion, doch sie wird bei Abstimmungen auf Königsmacher wie die drittgrößte liberale Fraktion (ALDE) und die viertgrößte grüne Fraktion (Grüne/EFA) angewiesen sein. Durch die neue Sitzverteilung bekommen tierschutzaffine Gruppen mehr politisches Gewicht.


Positiv: die finnische EU-Ratspräsidentschaft

Positiv könnte sich auch die finnische EU-Ratspräsidentschaft auswirken, denn in Bezug auf den Tierschutz wird Finnland als fortschrittlich eingestuft. 99 Prozent der Befragten in dem skandinavischen Land bewerteten im Eurobarometer 2015 den Tierschutz als "wichtig".

Diese Haltung spiegelt sich in der Politik wider: 53 finnische EU-Kandidaten unterzeichneten die Tierschutzforderungen der Eurogroup. Zudem hat die Intergroup für Tierschutz (1) seit vier Jahren die finnische EU-Abgeordnete Sirpa Pietikäinen als Präsidentin. Der finnische Vorsitz kommt zu einem entscheidenden Zeitpunkt, denn das EU-Parlament und der Rat müssen sich in den kommenden Monaten auf eine neue Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) einigen.


Überfällig: Umschichtung der Agrar-Subventionen

Die größte Herausforderung wird die Umschichtung der EU-Agrar-Subventionen für mehr Tier- und Umweltschutz sein. Hier sind einerseits die meisten Tiere betroffen und andererseits auch das größte wirtschaftliche Interesse vorhanden. Weitere zentrale Themen sind neben dem Ausstieg aus der Käfighaltung, die Beendigung von Langzeittiertransporten, die überfällige Überarbeitung der EU-Masthühner-Richtlinie und die Reform der EU-Schlachtverordnung.


EU-Strategie für den Ausstieg aus dem Tierversuch

Wichtig für den Bundesverband ist die Erarbeitung einer EU-Strategie für den lange anvisierten Ausstieg aus dem Tierversuch. Die Eurogroup plant dazu Ende 2019 zusammen mit der EU-Ratspräsidentschaft, Mitgliedern des EU-Parlamentes, der EU-Kommission sowie führenden Life-Science-Instituten eine Veranstaltung in Brüssel. Weitere wichtige Themen sind das Verbot von Wildtieren in Zirkussen, das Ende der Pelztierhaltung, ein besserer Schutz für Fische, Kennzeichnungssysteme für Haustiere, ein Ende des illegalen Tierhandels, Regelungen zu Handel und Haltung exotischer Haustiere sowie Lösungen für das friedliche Zusammenleben von Mensch und Wildtier und, nicht zuletzt, das tierschutzgerechte Management von invasiven Tierarten. Übergeordnet ist das Thema "Tierschutz und Handelsbeziehungen", da die Welthandelsorganisation (WTO) großen Einfluss auf das Tierschutzrecht hat. Derzeit werden auf EU-Ebene etwa 15 Handelsabkommen verhandelt. Viele davon berühren Tierschutzinteressen, etwa die Haltung von "Masthühnern", Fischen und "Legehennen".

Anmerkung:
(1) Intergroup on the Welfare and Conservation of Animals (Interfraktionelle Arbeitsgruppe für "Wohlergehen und Erhaltung von Tieren")

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Quelle:
Magazin tierrechte - Ausgabe 3/2019, S. 22
Menschen für Tierrechte
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Mühlenstr. 7a, 40699 Erkrath
Telefon: 0211 / 22 08 56 48, Fax. 0211 / 22 08 56 49
E-Mail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Oktober 2019

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