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TIERVERSUCH/415: Wie geht es weiter? - Ausblick und Innovation (tierrechte)


tierrechte 1.09 - Nr. 47, Februar 2009
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.

Wie geht es weiter? - Ausblick und Innovation

Von Christiane Baumgartl-Simons


Um insbesondere die Tierversuche, die ab 11. März 2013 für Kosmetika verboten sind, durch tierversuchsfreie Verfahren zu ersetzen, stellen erfreulicherweise, wenn auch spät, der europäische Kosmetikherstellerverband COLIPA[1] und die EU-Kommission 50 Millionen Euro zur Verfügung. Nun ist Geld zwar eine elementare Voraussetzung, um Ersatzverfahren zu entwickeln, doch kein Garant auf Erfolg. Hierzu muss auch wissenschaftliches Know-how vorhanden sein. Es könnte sich also schon bald schmerzhaft und zulasten der Tiere auswirken, dass Europas Wissenschaft in tierversuchsfreie Forschung kurzsichtigerweise bisher zu wenig investiert hat.

Tatsache ist: Solange Chemikalien nicht ausnahmslos tierversuchsfrei getestet werden, solange sind auch Kosmetika nicht frei von Tierleid. Nur die zügige Entwicklung und weltweite Anerkennung tierversuchsfreier Verfahren ist zielführend. Zeitlich unverrückbare Verbote, so genannte Cut-off-Dates, wie sie die aktuell gültige Kosmetikrichtlinie von 2003 enthält, sind auf diesem Weg unverzichtbare Beschleuniger und Leistungssteigerer. Hätte die 1993 beschlossene Kosmetikrichtlinie bereits solche unverschiebbaren Termine ausgewiesen, stünden heute mit großer Wahrscheinlichkeit mehr tierversuchsfreie Verfahren zur Verfügung.

Was für die Kosmetik gilt, ist auch uneingeschränkt auf die Prüfung von Chemikalien übertragbar. Ein Blick auf REACH[2] zeigt, hier sind keine unverschiebbaren Ausstiegstermine festgesetzt, nach denen Tierversuche nicht mehr eingesetzt werden dürfen, unabhängig davon, ob Ersatzverfahren zur Verfügung stehen oder nicht. Hier dominiert die leistungslähmende Verschleppungstaktik, denn Experimente an unseren Mitgeschöpfen dürfen solange zum Einsatz kommen, bis weltweit anerkannte Ersatzverfahren vorhanden sind.

Heute gibt es vier In-vitro-Methoden[3], die in die Prüfrichtlinien der OECD[4] Eingang gefunden haben. Das sind die einzigen rechtlich anerkannten Ersatzverfahren zu Tierversuchen, die für die Testung von Chemikalien und Kosmetika zur Verfügung stehen. Ein Prüfverfahren zur Feststellung der Hautreizung wurde von der OECD im November 2008 positiv bewertet und soll bis März 2009 in die Prüfrichtlinien aufgenommen werden.

Es besteht die Chance, dass sich die Cut-off-Regeln der Kosmetikrichtlinie positiv auf REACH und die Chemikalienprüfungen auswirken, weil sie den Druck auf die Entwicklung praxisreifer Ersatzverfahren drastisch erhöhen. Jedoch muss die Tierrechts- und Tierschutzbewegung weiterhin höchsten Einsatz zeigen und von Politik, Wissenschaft sowie Industrie Maximalleistungen einfordern, damit tierversuchsfreie Verfahren schnellstens zur Verfügung stehen.


Anmerkungen:
[1] COLIPA - The European Cosmetics Association (Europäischer Dachverband der Kosmetikindustrie und Parfümerie).
[2] REACH - steht für Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals (Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien). geltende EU-Chemikalienverordnung, seit 1. Juni 2007 in Kraft.
[3] IN-VITRO-METHODEN - "Im Reagenzglas", mit In-vitro-Verfahren sind Zell- und Gewebekultur-Verfahren gemeint.
[4] OECD - Organisation for Economic Cooperation and Development (Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung - ca. 30 Industrienationen sind Mitglied).


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Tierversuchsverbot und Vermarktungsverbot

Neben dem Verbot der Tierversuche für Kosmetika ist auch ein Vermarktungsverbot tiergetesteter Produkte notwendig, da ein Tierversuchsverbot allein nicht verhindern würde, dass tiergetestete Kosmetika erhältlich sind. Denn solche Produkte dürften in die EU eingeführt und dort verkauft werden. Ein Tierversuchsverbot allein würde dazu führen, dass die Firmen ihre Tierversuche in Nicht-EU-Ländern durchführen lassen, um die an Tieren getesteten Produkte anschließend in der EU zu vertreiben. Da die Tierschutzstandards in diesen Ländern oftmals noch schlechter sind als hier, würde das nicht nur keine Tierversuche verhindern, sondern sogar einen echten Rückschritt bedeuten. Weiterhin bestünde für die Industrie kein Anreiz, auf tierversuchsfreie Verfahren umzustellen. Daher ist auch ein Vermarktungsverbot von tiergetesteten Kosmetika notwendig. Denn dadurch wird der Import solcher Produkte in die EU verboten. Nur so können die Firmen dazu gebracht werden, tatsächlich tierversuchsfreie Methoden anzuwenden, anstatt die Tierversuche nur in andere Länder zu verlagern.


Draize-Test

Beim Draize-Test wird eine Substanz zur Feststellung der augen- und schleimhautreizenden Wirkung in die Augen von Kaninchen eingebracht. Dieser Test ist sehr schmerzhaft. Es gibt Ersatzverfahren, die bislang als grobe Screening-Methode zugelassen sind und angewendet werden. Für Kosmetika ist der Draize-Test ab 11. März 2009 verboten. Zur Testung von Chemikalien ist er jedoch weiterhin erlaubt, wenn die Ergebnisse aus den Ersatzverfahren nicht aussagekräftig sind.


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Quelle:
tierrechte - Nr. 47/Februar 2009, S. 13
Infodienst der Menschen für Tierrechte -
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Roermonder Straße 4a, 52072 Aachen
Telefon: 0241/15 72 14, Fax: 0241/15 56 42
E-Mail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. März 2009