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TIERVERSUCH/506: Versuchstier des Jahres 2011 - Der Krallenfrosch (tierrechte)


tierrechte Nr. 56, Juni 2011
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.

Versuchstier des Jahres 2011: Der Krallenfrosch

Aus der Anonymität an die Öffentlichkeit

Von Christiane Hohensee


In diesem Jahr hat die Jury den Krallenfrosch zum "Versuchstier des Jahres" gewählt - und ist damit dem Vorschlag von Menschen für Tierrechte - Tierversuchsgegner Rheinland-Pfalz gefolgt. Der Frosch als Wirbeltier ist anders als Hund oder Katze kein Sympathieträger. Die Jury entschied sich gerade deshalb für diese Spezies. Ein weiterer wichtiger Grund ist, dass der Krallenfrosch trotz vorhandener Alternativen sein Leben noch immer im Studium der Biologie, Human- und Veterinärmedizin lassen muss.


In Deutschland landen jährlich mehr als 10.000 Amphibien im Tierversuch. Rund 50 Prozent davon werden in der Grundlagenforschung verwendet, 35 Prozent als Organspender für Zellkulturen, 10 Prozent in der Lehre und 5 Prozent für diverse andere Fragestellungen. Auch wenn die genaue Zahl der Krallenfrösche nicht erfasst ist, belegt die Literatur, dass er die am häufigsten verwendete Amphibie ist.


Der Krallenfrosch in Forschung und Lehre

Dass die meisten Krallenfrösche in der Grundlagenforschung eingesetzt werden, begründen die Forscher mit Ähnlichkeiten der Genausstattung und Krankheitsentwicklung beim Menschen. Der Krallenfrosch dient oft zur Untersuchung grundlegender Vorgänge der Entwicklungsbiologie. Die Organausbildung bei der Kaulquappe, einschließlich des Nervensystems, ist nach 72 Stunden weitgehend abgeschlossen. Der Tierversuch dauert jedoch meist länger, so dass er für das Tier mit Schmerzen und Leiden verbunden ist.

Da Krallenfrösche äußerst sensibel auf Umweltchemikalien reagieren, ist ihr Einsatz in Europa gemäß der OECD-Richtlinie 231 bei ökotoxikologischen Untersuchungen vorgeschrieben. Bei solchen Giftigkeitstest geben Forscher typischerweise die zu testenden Substanzen in das Wasser, in dem die Kaulquappen (Larvenstadium von Fröschen) schwimmen. Später werden die vergifteten und überlebenden Kaulquappen untersucht.

Die Frösche müssen zudem noch immer für Zwecke in der Aus-, Fort- und Weiterbildung herhalten. Im Universitätsbetrieb werden Krallenfrösche z. B. enthauptet, das Rückenmark zerstört, das Tier zerteilt und der Ischias-Nerv für Reizleitungsuntersuchungen freigelegt. Wie häufig noch mit solch altmodischen Ausbildungsinhalten in den Physiologiekursen vorgegangen wird, hat der Bundesverband mit seinem aktuellen Ethik-Hochschulranking 2011 ermittelt (siehe dazu Seite 18/19 bzw. direkt: www.satis-tierrechte.de/uni-ranking).


Erfolgreiche Reihe: Das Versuchstier des Jahres

Seit 2003 ernennt der Bundesverband Menschen für Tierrechte in Zusammenarbeit mit seinen Mitgliedsvereinen ein 'Versuchstier des Jahres'. Dabei sollen Tierversuche an bestimmten Tierarten öffentlich gemacht und aufgezeigt werden, welche Leiden den Tieren im Labor zugefügt werden. Ziel ist es, den Einsatz tierversuchsfreier Alternativen voranzubringen.

Erfolge gab es bislang bei der Goldorfe (2003), der 'Muschelmaus' (2006) und beim Kaninchen (2009). Der Einsatz der Goldorfe zur Bestimmung des Giftigkeit von industriellem Abwasser wurde durch ein Testverfahren an Fischeiern ersetzt. Für die Feststellung von Algengiften in Muscheln wurden 2010 die Weichen zur EU-weiten Anwendung eines tierlosen physikalisch-chemischen Verfahrens gestellt. Statt des Kaninchenversuchs zur Prüfung von fieberauslösenden Substanzen in Medikamenten wurde 2010 endlich der sogenannte in vitro Pyrogentest mit menschlichem Blut als Alternative zugelassen.


Alternativen werden oft nicht eingesetzt

Besonders für Versuche in der Grundlagenforschung fehlen Alternativen. Für ökotoxikologische Untersuchungen auf Hormon-wirksame Substanzen dagegen gibt es mittlerweile mehrere Ersatzverfahren. So werden z. B. im sogenannten E-Screen-Test menschliche Brustzellen genutzt. Auch in der Hochschulausbildung gibt es viele Alternativen. Modelle/Plastinate, Filme oder Computersimulationsprogramme sowie Selbstversuche der Studenten werden jedoch noch immer allenfalls ergänzend eingesetzt.

Unser Bundesverband kämpft für den Ausbau von tierversuchsfreien Verfahren in der Ökotoxikologie und setzt sich für deren verbindliche Aufnahme in die europäischen Vorschriften ein. Dort, wo noch keine Ersatzverfahren existieren, z. B. in der Grundlagenforschung, fordern wir deren zügige Entwicklung. Vehement setzen wir uns für die Beendigung des Tierverbrauchs in der universitären Lehre ein. Hier müssen dringend die bestehenden rechtlichen Regelungen des Tierschutzgesetzes und der neuen EU-Tierversuchsrichtlinie konsequent umgesetzt werden, wonach vorhandene Alternativen angewandt werden müssen.


Ausführliche Informationen zum Versuchstier dieses sowie der vergangenen Jahre:
www.mag.tierrechte.de/71


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Quelle:
tierrechte - Nr. 56/Juni 2011, S. 17
Infodienst der Menschen für Tierrechte -
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Roermonder Straße 4a, 52072 Aachen
Telefon: 0241/15 72 14, Fax: 0241/15 56 42
E-Mail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. August 2011